- Jesus-Seminar
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Das Jesus-Seminar wurde 1985 als Teil des Westar-Instituts in Kalifornien von dem US-amerikanischen Orientalisten Robert W. Funk gegründet. Es widmet sich laut eigener Aussage ganz der Suche nach authentischem Material über Jesus von Nazaret.
Dazu will es die internationalen Forschungen zum historischen Jesus zusammenführen und ihren Austausch fördern. So will man die historischen Fakten überprüfen und von Gerüchten und Spekulationen unterscheiden. Dabei konzentriert sich das Seminar auf die Zeit von Jesu Auftreten um 30 bis 200 n. Chr.
Im Halbjahresrhythmus finden internationale Mitgliedertreffen, auf denen Forschungsergebnisse ausgetauscht und diskutiert werden, statt. Diese sind zugleich ein öffentliches Forum auch für Laien. Die Debatten werden aufgezeichnet und durch Medien wie dem Internet verbreitet. Die Forschung wird also nicht nur im elitären Forscherzirkel, sondern demokratisch zugänglich und diskutierbar gemacht.
Das Jesus-Seminar hat sehr spezifische Kriterien für seine Arbeit aufgestellt, die im theologischen Mainstream selten vertreten werden. Eine Aussage von Jesus wird beispielsweise nur als authentisch angesehen, wenn es sich um einzelne Aussprüche oder Gleichnisse handelt, Dialoge oder längere Reden werden ausgeschlossen. Ebenso seien nur jene Aussagen Jesu echt, wenn sie sonst weder im jüdischen Kontext noch im frühchristlichen Kontext vorkommen. Die Mitglieder des Jesus-Seminars halten das Thomasevangelium für älter als die synoptischen Evangelien.
Jede Streitfrage wird am Ende einer Debatte zur Abstimmung gestellt, um zu testen, wie viel relative historische Evidenz der einen oder anderen Antwort die Forscher beimessen. Die durchschnittliche Stimmenmehrheit der rund siebzig Teilnehmer entscheidet, was vom Seminar als verifizierbare Datenbasis über Jesus akzeptiert wird. Insofern repräsentieren die regelmäßigen Seminarberichte ein ausgewogenes Urteil aller Beteiligten, nicht Einzelmeinungen.
Das Jesus-Seminar stellt sich in seinen Publikationen oft als die aktuelle Meinung der wissenschaftlichen Theologie dar. Die meisten deutschen Theologen fühlen sich von ihm jedoch nicht vertreten. In den USA gibt es Stimmen, die es als extrem liberales Spektrum der Theologie bezeichnen. So bezeichnet Prof. Gregory A. Boyd vom Bethel College das Jesus-Seminar als „extrem kleine Zahl extremer Wissenschaftler […], die am äußersten linken Flügel neutestamentlichen Denkens stehen.“
Ein scharfer Kritiker ist auch William Lane Craig, der in dem Buch Will the Real Jesus Please Stand Up „Möchte der wirkliche Jesus bitte aufstehen“ mit John Dominic Crossan eine Debatte über das Thema führt.
Literatur
- Robert W. Funk u. a.: The Five Gospels: What Did Jesus Really Say?; 1997; ISBN 0-06-063040-X
- Robert W. Funk u. a.: The Acts of Jesus: What Did Jesus Really Do?; 1998; ISBN 0-06-062978-9
- Michael J. Wilkins, J. P. Moreland: Jesus under Fire: Modern Scholarship Reinvents the Historical Jesus; 1995; ISBN 0-310-21139-5 (kritisch)
Weblinks
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