Jiddischer Witz

Jiddischer Witz

Unter einem jüdischen Witz versteht man einen Witz, der entweder in jiddischer Sprache erzählt wird, oder dessen Pointe tatsächliche oder behauptete positive oder negative jüdische Eigenschaften betont, wie zum Beispiel Chuzpe. Die ursprünglichere Bezeichnung jiddischer Witz wurde durch den Titel des Buches Der jüdische Witz von Salcia Landmann von 1960 verdrängt.

Der jüdische Witz steht in krassem Gegensatz zum Juden-Witz, der ein Propagandainstrument antisemitischer Kreise ist, und der Juden diffamiert oder verächtlich macht.

In seinem Buch Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (in dem er übrigens auch für den hier beschriebenen Humor den Begriff „Judenwitz“ verwendet) schreibt Sigmund Freud:

Die Witze, die von Fremden über Juden gemacht werden, sind zu allermeist brutale Schwänke, in denen der Witz durch die Tatsache erspart wird, daß der Jude den Fremden als komische Figur gilt. Auch die Judenwitze, die von Juden herrühren, geben dies zu, aber sie kennen ihre wirklichen Fehler wie deren Zusammenhang mit ihren Vorzügen, und der Anteil der eigenen Person an dem zu Tadelnden schafft die sonst schwierig herzustellende subjektive Bedingung der Witzarbeit.

Mit Schallplatten- Rundfunk- und Bühnenprogrammen „Fritz Muliar erzählt jüdische Witze“ etablierte sich der österreichische Schauspieler Fritz Muliar ab den 1950er Jahren als populärer Interpret dieser Witze im deutschen Sprachraum.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Viele jüdische Witze beschreiben eine Dialogsituation zweier oder mehrerer Juden, meist mit typischen Namen wie Kohn oder Grün und stellen eine besondere Logik und Argumentation in den Vordergrund. Seltener sind jüdische Witze, in denen zusätzlich noch Christen, Amerikaner oder „Preußen“ aufs Korn genommen werden.

Der Begriff unterstellt eine besondere Form des jüdischen Humors. Sofern es diesen gibt, kann Ephraim Kishon als ein insbesondere in Deutschland berühmter Vertreter gelten. In einer seiner Kurzgeschichten thematisiert Kishon speziell die Frage nach einem jüdischen Humor (wobei er in einer seiner Geschichten einen Vortrag zur Frage „Gibt es einen speziell jüdischen Humor - und wenn ja, warum nicht?“ halten soll). In neuerer Zeit wurde jüdischer Humor insbesondere durch Filme von Woody Allen und die erfolgreiche Sitcom Seinfeld populär.

Mit dem Lied Dschiribim-Dschiribam von Arik Brauer aus dem Jahre 1971 gibt es auch eine vertonte Version mit kleinen jüdischen Witzen, wie z. B. auch den untenstehenden Heringwitz.

Beispiele

  • Kohn und Grün beim Richter. Kohn wird beschuldigt, den Henkel des Nachttopfes zerbrochen zu haben, den er von Grün ausgeborgt hat. Zu seiner Verteidigung sagt er: „Werter Herr Richter, nur drei Sätze: Also erstens war der Henkel schon ab, als ich den Nachttopf vom Grün ausgeborgt habe, zweitens habe ich den Nachttopf vom Grün nie ausgeborgt und drittens - wer ist dieser Grün überhaupt? “
  • Kohn beklagt sich bei Grün: Er habe einen Delikatessenladen in einer Straße voller Delikatessenläden eröffnet, links davon habe Blau seinen Delikatessenladen, rechts Mandelbaum. Beide Geschäfte florieren, nur zu ihm gehe niemand einkaufen. „Na, ist doch ganz einfach: Lass dir beim Standesamt einen andern Namen geben,“, schlägt ihm Grün vor, „Nennst dich halt Haupteingang!“
  • Grüns ältester Sohn ist, um eine Katholikin heiraten zu können, zum christlichen Glauben konvertiert. Da einem frommen jüdischen Vater nichts Schlimmeres passieren kann, versinkt Grün in tiefe Depression und sperrt sich in seine Kammer. Dennoch geht die Tür auf und ein alter Mann mit weißem Bart tritt ein. Es ist Gott: „Warum weinst Du, Grün?“ – „Soll ich denn nicht weinen, mein Sohn hat sich taufen lassen!“ – „Aber Grün, meiner doch auch!“ – „Ja, und was soll ich jetzt machen?“ – „Machs wie ich: Mach ein neues Testament!“
  • Im Jahre 1938 sitzen einander in der New Yorker U-Bahn zwei gerade eingewanderte deutsche Juden gegenüber. Der eine liest Der Stürmer, das schreckliche Hetzblatt Julius Streichers. Der andere liest die jüdische Zeitung, den Forvertz, und wird allmählich aufgeregt. Endlich fragt er seinen Landsmann, „Wieso lesen Sie dieses furchtbare Blatt? Es ist nur reiner Antisemitismus, Judenhatz.“ Der erste Jude guckt vor sich hin. Er sagt: „Schauen Sie. Was steht in Ihrer Zeitung? Überall sind die Juden Flüchtlinge. Man verfolgt uns. Man wirft Steine und Bomben in die Synagogen. Ich lese die Nazi-Zeitung, denn sie ist zuversichtlicher. Wir besitzen die Banken! Wir besitzen die großen Firmen! Wir beherrschen die Welt!“
  • Ein Jude und ein Offizier sitzen im Zug; der Jude isst einen Hering. „Sag, Jud, worum seid ihr so schlau?“ „Das ist ganz einfach, Herr Offizier, wenn wir einen Hering essen, verzehren wir auch die Gräten mit.“ Der Offizier kauft dem Juden für einen Taler die Gräten ab und würgt sie herunter. Nach einer Weile sagt er: „Jud, Du hast mich beschissen. Für einen Taler hätte ich mir drei ganze Heringe kaufen können!“ „Seht ihr, Herr Offizier, es wirkt schon!“
  • Herr Rosenbaum sitzt im Flugzeug neben einer elegant gekleideten jüdischen Dame. Sie trägt einen großen, glänzenden Diamanten. Nach einer Weile wird Rosenbaum neugierig. Er fragt seine Nachbarin, „Wo haben Sie dieses Stück bekommen?“ Die Frau erwidert: „Ach, das ist ja eine lustige Geschichte. Sie müssen verstehen, dass dieser Diamant eigentlich der Plotnick-Diamant ist. Deswegen hat er bestimmte Eigenschaften; in der Tat ist er immer mit einem Fluch behaftet.“ – „Na ja?“ sagt Rosenbaum. „Und was ist dieser Fluch?“ – „Herr Plotnick.“

Literatur

  • Hans Werner Wüst: ...wenn wir nur alle gesund sind! Jüdische Witze und andere philosophische Abhandlungen, Köln 2005. ISBN 3-8330-0544-0
  • Salcia Landmann: Der jüdische Witz, Soziologie und Sammlung 13. Auflage, Olten 1988. ISBN 3-530-40649-X
  • Friedrich Torberg: WAI GESCHRIEN oder Salcia Landmann ermordet den jüdischen Witz - Anmerkungen zu einem beunruhigenden Bestseller in: Friedrich Torberg, PPP - Parodien, Pamphlete, Postscripta, Wien 1976, ISBN 3-7844-1618-7
  • Wacks, Georg: Die Budapester Orpheumgesellschaft. Ein Varieté in Wien 1889 - 1919. Vorwort: Gerhard Bronner, Wien 2002, ISBN 3-85493-054-2
  • Andreas Martin, Robert Rothmann (Hrsg.): Jetz aber Tacheles!, R. Brockhaus 2001, ISBN 3-417-20662-6

Diskografie

  • Arik Brauer: Arik Brauer, Polydor & ORF, 1971, LP
  • Arik Brauer: Die Ersten, Polydor, 1988, CD-Wiederveröffentlichung

Weblinks


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