Jiddische Sprachkonferenz

Jiddische Sprachkonferenz

Die (erste und einzige) Konferenz für die jüdische (hier = jiddische) Sprache fand vom 30. August bis zum 3. September 1908 in Czernowitz statt. Sie unternahm den Versuch, das Jiddische zur jüdischen Nationalsprache zu erheben.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Ablauf

Organisator und Hauptmotor der Veranstaltung war der unermüdlich agierende Nathan Birnbaum, der, nachdem er im allgemein-politischen Zionismus nicht hatte reüssieren können, sich von Herzl und "der Bewegung" ab- und neuen Zielen zugewandt hatte.

Ziel der Konferenz war die Klärung der Situation bzw. die Förderung des Jiddischen, das als "eine", wenn nicht besser als "die" "nationale Sprache" des "jüdischen Volkes" deklariert werden sollte.

Ca. 40 stimmberechtigte Delegierte bei insgesamt ca. 70 Teilnehmern waren auf der Konferenz zugegen, neben Birnbaum selbst Zhitlovsky, Evalenko, Schalom Asch (den Birnbaum später in der "Jüdischen Zeitung" mit einem "Elefantenbaby" vergleicht), Samuel Eisenstadt, Gerson Bader, Nomberg, Perez, Esther Frumkin (für die Bundisten), Abraham Reisen, Löbl Taubes; Mendele schickte nur eine freundliche Grussadresse, Schulem Aleichem war krank.

Birnbaum hielt die Eröffnungsansprache (die er ablas), war aber dann kaum fähig, an den Debatten teilzunehmen, weil seine Kenntnisse des Jiddischen allzu dürftig waren. Eine andere Verhandlungssprache an der "ersten Konferenz für die jüdische = jiddische Sprache" verbot sich von selbst. Birnbaum wurde so auch zur Zielscheibe von Spott aller Art; die verschiedensten Standpunkte zu Status, Funktion und Wert des Jiddischen (sowie auch der hebräischen Sprache) prallten unvermittelt aufeinander, eine Einigung war schier unmöglich. Am Ende schaute ein notdürftiger, nichtssagender Formelkompromiss heraus: Das Jiddische sei eine nationale Sprache (also irgendwie neben dem Hebräischen und ggf. anderen Idiomen) des jüdischen Volkes. So blieb die Konferenz folgenlos.

Würdigung

Am 4. März 1910 sollte in der (zionistischen) "Welt" aus Anlass des "25jährigen Schriftstellerjubiläums" Birnbaums eine Würdigung seiner Person erscheinen, in der es dann u. a. heißt:

" ... Seine jetzige Theorie vom "Minimalgolus", die Erstrebung kulturell-autonomer jüdischer Zentren in der Diaspora, ist gegenüber seinen früheren Anschauungen ein schwächliches, praktisch undurchführbares und ideell inkonsequentes [sic] Kompromiss mit den gegebenen Verhältnissen. Dubnow hat dieses System – wenn es überhaupt ein solches ist – tiefer und von einer höhern Geschichtsperspektive aus aufgestellt ... [Man gelangt] immer mehr zur Erkenntnis, dass eine radikale Lösung der Judenfrage im Golus selbst ... unmöglich ist. Acher [= Birnbaum] jedoch blieb hartnäckig am Golus haften und vermochte sich nicht mehr über die Realität der Gegenwart hinweg zur Idee der national-kulturellen Befreiung durchzuringen ... Mit dem Golus akzeptiert er nun auch die Golussprache. War ihm früher das Hebräische ein unbedingter Hauptfaktor der jüdischen Renaissance, so hat er später seinen Namen mit der "Czernowitzer Konferenz" unlöslich verknüpft, die sich an der Nationalsprache des jüdischen Volkes schwer und unverzeihlich versündigt hat. Jene Konferenz soll nach der Meinung ihrer Initiatoren "historische Bedeutung" haben; sie hat es auch vielleicht, aber nur in dem Sinne, dass sie dokumentierte, wohin die Halbheit, Inkonsequenz und Flachheit des Golusjudentums führen muss ... Aus einem weitschauenden Zukunftskünder ist Mathias Acher ein Nachspürer des Gegebenen geworden ... "

Literatur

  • H. J. Lerner, The Tshernovits Language Conference: A Milestone in Jewish Nationalist Thought, 1957
  • M. Ravitch, Tsum Yoyvl fun der Ershter Yidisher Shprakh Konferents, Montreal 1958

Weblinks


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