Jodeln

Jodeln

Jodeln ist Singen ohne Text auf Lautsilben bei häufigem schnellen Umschlagen zwischen Brust- und Falsettstimme (Registerwechsel). Das davon abgeleitete Wort Jodler bedeutet entweder „was geschieht, wenn jemand jodelt“ (Nomen Actionis), oder es bezeichnet „einen Menschen, der jodelt“ (Nomen Agentis).

Der Stamm des Wortes „jodeln“ ist onomatopoetisch, ebenso wie der Stamm des Wortes „johlen“. Üblich sind Silbenfolgen wie beispielsweise „Hodaro“, „Iohodraeho“, „Holadaittijo“ und viele andere. Kennzeichnende Merkmale des Jodelns sind auch große Intervallsprünge und weiter Tonumfang.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

In wahrscheinlich allen gebirgigen und unwegsamen Regionen der Welt gibt es verschiedene Techniken, um mit Rufen weite Distanzen akustisch zu überbrücken. Die Ursprünge des Jodelns gehen auf vorhistorische Zeiten zurück: Jodelnd verständigten sich Hirten und Sammler, Waldarbeiter und Köhler. Nicht nur in den Alpen wurde von Alm zu Alm mit Almschrei (Almschroa) oder Juchzer (Juchetzer, Jugitzer, Juschroa) kommuniziert oder auch das Vieh mit einem Jodler (Viehruf) angelockt.

Joseph Ratzinger (in Bayern aufgewachsen) vermutet, der bedeutende Theologe Augustinus von Hippo habe das Jodeln gemeint, als er vom Jubilus schrieb, einer „Form wortlosen Rufens, Schreiens oder Singens“, das „wortlose Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht.“ Jubili hießen später auch rituell festgelegte Melismen des Gregorianischen Chorals.

Verbreitung

Jodel-Kommunikationsformen existieren bei den afrikanischen Pygmäen (Mokombi), bei den Inuit, im Kaukasus, in Melanesien, in Palästina, China, Thailand und Kambodscha, in den USA, Spanien („Alalá“), in Sápmi (Lappland) (Joik, auch Juoigan), in Schweden (Kulning, auch Kölning, Kaukning), Polen, Slowakei, Rumänien, Georgien und Bulgarien.

Der Jodler ist heute oft auch im Rahmen der volkstümlichen Musik zu hören. Zu den bekanntesten bayerischen Interpreten gehört der Jodel-König Franzl Lang.[1] Im Harz und im Erzgebirge wird das Jodeln als virtuose Musik-Folklore mit Wettbewerben gepflegt, auch im Thüringer Wald und im Thüringer Schiefergebirge spielt es eine wichtige Rolle im musikalischen Brauchtum.

Den Weltrekord im (Dauer-)Jodeln hält der Österreicher Roland Roßkogler mit 14 Stunden 37 Minuten. Einen weiteren Weltrekord hält der Schweizer Peter Hinnen: 1992 erhielt er einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde, als er mit 22 Jodel-Tönen in einer einzigen Sekunde den Weltrekord im Schnelljodeln aufstellte.[2] Den Sprung in die Schweizer Hitparade schafften 2008 Oesch’s die Dritten, nicht zuletzt dank dem stimmakrobatischen "Ku-Ku Jodel" von Peter Hinnen.[3]

Alpenländisches Jodeln

Im alpenländischen Volkslied wurde der Jodler zum Jodel-Lied musikalisch weiterentwickelt. Hierbei unterscheidet man auch zwischen dem gesungenen Jodler – der nur in Bruststimme und meistens nur in kurzen Sequenzen zwischen den Liedversen gesungen wird – und dem geschlagenen Jodler, bei dem Brust- und Falsettstimme häufig und kunstvoll wechseln. Geschlagene Jodler können sehr lang sein und verlangen regelrechte Stimmakrobatik.

Ursprüngliche Jodler wurden oft solistisch praktiziert, die meisten Jodel-Lieder sind mehrstimmig und scheinen häufig als Kehr- und Schluss-Refrain von Volksliedern auf. Besonders in der Schweiz, aber auch im übrigen alpenländischen Raum hat sich im 19. Jahrhundert eine Pflege des Jodlers in Chören entwickelt. Auch die kirchliche, sakrale Volksmusiktradition, etwa in Südtirol, kennt ein- oder mehrstimmige Jodler. Und auch instrumentale Jodler werden von Kleingruppen gespielt.

Lokale Bezeichnungen sind Wullaza (Steiermark), Almer (Oberösterreich), Dudler (Niederösterreich und Wien)[4], Gallnen (Oberbayern), Ari (Bayerischer Wald), Roller (Oberharz), Zäuerli oder Ruggusseli (Appenzellerland), Juchzer und andere.

Die wohl umfangreichste Jodlersammlung wurde im Jahr 1902 von Josef Pommer veröffentlicht: 444 Jodler und Juchezer.

Jodeln weltweit

Auch außerhalb des europäischen Alpenraums und der damit typischerweise assoziierten Musik wurde und wird das Jodeln als Stilmittel eingesetzt, dem US-amerikanischen DJ und „Jodelforscher“ Bart Plantenga zufolge in fast dreißig verschiedenen Musikrichtungen.[5]

Insbesondere in den USA und Australien hatte das Jodeln im Bereich der Country-Musik einen großen Stellenwert. Nachdem es bereits Anfang des 19. Jahrhunderts in den Appalachen zu ersten Verbindungen zwischen alpenländischem Jodeln und anglo-amerikanischen Traditionen gekommen war, wurde in den 30er-Jahren durch Gastspiele österreichischer und schweizer Künstler erstmals das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit am Jodeln geweckt. Zunehmend kam es auch zu Auftritten amerikanischer Künstler in diesem Stil. Gleichzeitig entstand im Bereich umherziehender Vaudeville- und Minstrel-Shows unter dem Eindruck afroamerikanischer Traditionen ein neuer Jodel-Stil, der auch vom Blues beeinflusst wurde. Dies wurde von weißen Old Time-Musikern aufgegriffen, 1924 veröffentlichte der Gitarrist Riley Puckett einen (damals sogenannten) „Hillbilly“-Song mit Jodlern. Der amerikanische Country-Sänger Jimmie Rodgers entwickelte 1927 das Blue Yodeling, wobei er Elemente des Blues und traditioneller weißer Musik mit Jodlern anreicherte. Sein erster Hit T for Texas (Blue Yodel) zog zahlreiche Nachfolger mit sich und inspirierte unzählige Musiker, die ihm nacheiferten.

Daneben stellt das Jodeln auch heute noch einen wichtigen Bestandteil der Western Music dar, unterscheidet sich dort jedoch deutlich von den Darbietungen im Bereich Country.

Im Jazz war Leon Thomas ein herausragender Vertreter. Er setzte das Jodeln als Stilmittel beim Scat ein und griff dabei auf ur-afrikanische Einflüsse wie das Jodeln der Pygmäen zurück, mit deren Gesangstraditionen er sich intensiv beschäftigt hatte.[6] Wegweisend war in diesem Zusammenhang seine Zusammenarbeit mit Pharoah Sanders bei The Creator Has a Master Plan (1969).

Zeitgenössische Jodelkünstler sind z.B. die Schweizerin Christine Lauterburg oder der Deutsche Thomas Hauser.[7]

Kurioses

Loriot hat mit seinem Sketch „die Jodelschule“ und dem Begriff des Jodeldiploms die Neigung mancher Deutschen karikiert, auch noch das Spaßigste ernst zu nehmen und systematische Regeln dafür zu erarbeiten.

Klassisches

Richard Strauss hat in seiner Oper Arabella für die Rolle der Fiakermilli einige nahezu unsingbare Jodler komponiert.

Literatur

  • Max Peter Baumann: Musikfolklore und Musikfolklorismus. Eine ethnomusikologische Untersuchung zum Funktionswandel des Jodelns, Winterthur 1976.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: jodeln – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Franzl Lang – Einen Jodler hör i gern (youtube)
  2. Peter Hinnen auf «Stadt24»
  3. Hitparade
  4. Bettina Mittelstraß: Esperanto der Berge - Vom Jodeln, Jauchzen und Juchzen in: Deutschlandfunk, Musikszene, 30. Oktober 2011
  5. Bart Plantenga: Yodel-ay-ee-oooo: The secret history of yodeling around the world. Routledge, 2004, ISBN 978-0-41593990-4, S. 6.
  6. Plantenga, S. 241, 250.
  7. Bettina Mittelstraß: Esperanto der Berge - Vom Jodeln, Jauchzen und Juchzen in: Deutschlandfunk, Musikszene, 30. Oktober 2011

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Synonyme:

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • jodeln — jodeln …   Deutsch Wörterbuch

  • Jodeln — Jodeln, eigenthümliche Gesangart der Alpenbewohner, bes. der Tyroler, besteht darin, daß der Sänger aus der Bruststimme in die höheren Töne des Falsets überschlägt; Anleitung zum J. in Waldinger, Drei Originaljodler …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Jodeln — Jodeln, eigentümliche Singmanier der Schweizer und Tiroler, bestehend in wortlosem Jauchzen mit häufigem Überschlagen aus dem Brustregister in das Kopfregister; ein Lied, dem als Refrain eine solche Vokalise angehängt ist, heißt ein Jodler (in… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Jodeln — Jodeln, eigenthümliche Singweise, bei welcher man aus den Brusttönen zum Falset übergeht, ist ein melodisches Jauchzen, das man nicht nur in der Schweiz u. im Tyrol, sondern bei den Hirtenjungen in Süddeutschland überall hört. J. ist daher =… …   Herders Conversations-Lexikon

  • jodeln — Vsw erw. fach. (19. Jh.) Stammwort. Wohl abgeleitet aus einem Jodelruf (jo), vgl. gleichbedeutendes jutzen (schwz.). Einzelheiten sind unklar. Vgl. johlen. ✎ Senn, W. JÖV 11 (1961), 150 166. deutsch d …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • jodeln — jodeln: Das von dem eigentümlichen Jodelruf »jo« abgeleitete Verb stammt aus den dt. Alpenmundarten. Es ist schriftsprachlich seit dem Anfang des 19. Jh.s bezeugt. – Abl.: Jodler »jemand, der jodelt; Jodelruf«. Vgl. den Artikel ↑ johlen …   Das Herkunftswörterbuch

  • jodeln — tönen; trällern; singen; tirilieren; mit einstimmen; intonieren * * * jo|deln [ jo:dl̩n] <itr.>: auf bloße Lautsilben in schnellem [kunstvollem] Wechsel von Brust und Kopfstimme singen: sie kann jodeln. * * * jo|deln 〈V. intr.; hat; Schweiz …   Universal-Lexikon

  • jodeln — jodelnintr 1.sichvergnügteTagemachen;ausgelassenleben.Jodeln=jauchzen.1900ff. 2.koten.AnspielungaufdieFarbedesJods.Soldwohlnichterstseit1955. 3.koitieren.Jodeln=jauchzen=etwjauchzendtun.1950ff. 4.einenjodeln=einGlasAlkoholzusichnehmen.Man»jubeltes… …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • jodeln — Vb. kunstvolles, falsettartiges Singen in Tonsilben, wird auf dem Oktoberfest von vielen wenig begabten Jodlern versucht. Beispiel: Holleiduljö duljö duljö holleridriodrio , berühmt durch den Königsjodler und Loriots Jodeldiplom . Angeblich lernt …   Oktoberfest Bierlexikon

  • Jodeln — своеобразная манера пения у тирольцев, состоящая из постоянного чередования грудных звуков с фальцетными, без текста, только на какой нибудь гласный звук. J. часто служит припевом к народной песне …   Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона

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