Johannes von Antiochia

Johannes von Antiochia

Johannes von Antiochia war ein spätantiker Historiker, der (wahrscheinlich) im frühen 7. Jahrhundert n. Chr. schrieb.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Über Johannes’ Leben ist nur sehr wenig bekannt. Er stammte wohl aus der syrischen Metropole Antiochia am Orontes, einer der bedeutendsten Städte des oströmischen Reiches, war gebildet und vielleicht in der Reichsverwaltung tätig gewesen. Wohl zu Beginn des 7. Jahrhunderts (siehe jedoch die Ausführungen unten) verfasste er, wahrscheinlich in Konstantinopel, eine Weltchronik, für die er mehrere gute Quellen heranzog. Diese beschrieb die Ereignisse von der „Schöpfung“ bis zum Regierungsantritt des Kaisers Herakleios im Jahr 610. Anders als in vielen anderen spätantiken Chroniken, findet bei Johannes die Kirche kaum Beachtung. Vielmehr war er an politischen Themen interessiert, sein anspruchsvolles Werk enthält darüber hinaus auch wichtige Informationen, die teils aus heute verlorenen Werken stammen (siehe auch Leoquelle).

In der Forschung sind jedoch viele Details umstritten. Michael Whitby vertrat beispielsweise die Meinung, dass Johannes nur ein Kompilator gewesen sei und sein Stil daher je nach verwendeter Quelle variiere.[1] Da die Chronik des Johannes nur fragmentarisch erhalten ist, stellt vor allem die Frage, ob bestimmte Fragmente überhaupt Johannes zugeordnet werden können, die Forschung vor erhebliche Probleme. Umberto Roberto hat 2005 eine neue, erstmals komplette Edition vorgelegt (und damit die alte Edition von C. Müller aus dem Jahre 1851 bzw. 1870 ersetzt), in der auch manche Meinungen der älteren Forschung modifiziert bzw. widerlegt werden. So ist etwa Roberto der Ansicht, dass Johannes keineswegs ein Miaphysit war oder mit dem antiochenischen Patriarchen Johannes gleichgesetzt werden könnte.

Allerdings sind mehrere Schlussfolgerungen Robertos nicht unwidersprochen geblieben, wie auch seine Textedition (bzw. die Zuordnung bestimmter Fragmente) teils kritisiert wurde. 2008 hat Sergei Mariev eine weitere Edition (einschließlich einer englischen Übersetzung) vorgelegt, in der er zu anderen Schlussfolgerungen bezüglich der Fragmente und ihrer Zuordnung kam. Mariev glaubt, wie vorher schon einige andere Forscher (vor allem Sotiroudis), dass Johannes im 6. Jahrhundert gelebt hat und sich eines anspruchsvollen Stils bedient hat. Die Chronik habe nur bis Anastasios I. gereicht; andere Fragmente seien einem Fortsetzer des Johannes zuzuschreiben oder schlicht falsch zugeordnet worden. Der Ausgang der Debatte ist momentan noch offen.

Vor kurzem hat zudem der amerikanische Historiker Warren Treadgold die These aufgestellt, dass Johannes von Antiochia im Prinzip weitgehend einer Hauptquelle gefolgt ist und es sich dabei um das heute verlorene Geschichtswerk des Eustathios von Epiphaneia gehandelt hat,[2] was aber umstritten ist.

Ausgaben

  • Sergei Mariev (Hrsg.): Ioannis Antiocheni fragmenta quae supersunt. Corpus fontium historiae Byzantinae 47. Berlin-New York 2008.
    (Neue Textausgabe mit englischer Übersetzung; Mariev vertritt dabei teils deutlich andere Positionen als Roberto. Rezension von Mark Whittow, Bryn Mawr Classical Review 2009.12.06).
  • Umberto Roberto (Hrsg.): Ioannis Antiocheni Fragmenta ex Historia Chronica. Introduzione, edizione critica e traduzione. Berlin 2005 (= Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 154).
    (Wichtige neue Textausgabe mit italienischer Übersetzung und ausführlicher Einleitung. Roberto benutzt allerdings eine von den vorangehenden Ausgaben abweichende Zählung der Fragmente. Rezension von Bruno Bleckmann, Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 9 (2006), S. 1071–1075).

Literatur

  • Sergei Mariev: Neues zur „Johanneischen Frage“?. In: Byzantinische Zeitschrift 99 (2006), S. 535–549.
  • Panagiotis Sotiroudis: Untersuchungen zum Geschichtswerk des Johannes von Antiocheia. Thessalonike 1989.

Anmerkungen

  1. Michael Whitby: John of Antioch. In: Classical Review n. s. 40 (1990), S. 255f.
  2. Warren Treadgold: The early Byzantine Historians. Basingstoke 2007, S. 311ff.

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