Joseph Beuys’ Badewanne

Joseph Beuys’ Badewanne

Joseph Beuys’ Badewanne, eigentlich „unbetitelt (Badewanne)“ (1960), 100 × 100 × 45 cm, ist ein Kunstobjekt von Joseph Beuys.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Säuglingsbadewanne war Teil einer Wanderausstellung des Wuppertaler Von der Heydt-Museums, die der Sammler Lothar Schirmer, neben anderen Werken von Beuys, dem Museum als Dauerleihgabe 1973 überließ. Eine Schrifttafel trug den Vermerk, in diesem Gefäß sei einst der Säugling Joseph Beuys gebadet worden. Dieser wurde von Unbekannten mit den Worten "Offenbar zu heiß" ergänzt.[1][2] Für die Ausstellung im Schloss Morsbroich ging das Werk nach Leverkusen und wurde dort eingelagert, da die Ausstellung noch aufgebaut werden sollte.

Der SPD-Ortsverein-Leverkusen-Alkenrath feierte am 3. November 1973 in diesem Museum ein Fest. Zwei SPD-Mitglieder, Hilde Müller und Marianne Klein, suchten eine Schüssel zum Gläserspülen und entdeckten die scheinbar mit Heftpflaster und Mullbinden[3] verschmutzte Badewanne, ohne zu ahnen, dass diese mit ihren Materialien ein Kunstwerk war. „Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und benutzen, um darin unsere Gläser zu spülen“, erinnern sie sich, „so wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt.“ Dadurch wurde ein Skandal ausgelöst; Beuys war nicht begeistert. Die Stadt Wuppertal als Leihnehmer wurde 1976 vom Wuppertaler Landgericht und vom Oberlandesgericht Düsseldorf in zweiter Instanz zu 40.000 DM Schadensersatz an den Eigentümer des Kunstwerks, den Sammler Lothar Schirmer, verurteilt. Schirmer fiel in Bezug zu dem verunstalteten Objekt zunächst nur der Vergleich mit einem „rasierten Kaktus“ ein.[4] Beuys bekam vom Gericht die Badewanne zugesprochen und bearbeitete sie neu.

Ein ähnliches Schicksal widerfuhr 1986 seiner Fettecke in der Düsseldorfer Kunstakademie, die von einer Reinigungskraft der Akademie entfernt wurde.

Rezeption

Das Ereignis ist in den zeitgenössischen Anekdotenschatz eingegangen, wurde medienwirksam kolportiert und in verschiedenen Varianten erzählt. So habe in einem Museum ein Werk von Beuys gestanden, das aus einer Badewanne mit Müll bestanden habe. Putzfrauen hätten vor einer Vernissage beim Reinemachen diese Wanne gesäubert, ohne zu erkennen, dass es sich um ein Kunstwerk handelte.

Ein Werbefilm des Scheuermittels ATA hatte 1974 und 1975 zu der sogenannten „Putzfrauenlegende“ nicht unerheblich beigetragen, in dem zwei typisierte Putzfrauen mit Kopftuch, Kittel und Putzeimer in einem Museum für moderne Kunst in einem weiß getünchten Raum mit abstrakten Gemälden eine Badewanne scheuern. Der Künstler kommt herein und die beiden Damen fragen: „Na, Meister, glänzt’s?“, wonach der Künstler entsetzt die Arme in die Luft hebt. Am Ende dieses Werbefilms hört man den Schlussakkord: „Ata, von Haus aus gründlich, so oder so“.

Die Geschichte dient in der Medienberichterstattung gelegentlich als Beispiel dafür, dass die zeitgenössische Kunst nicht immer auf den ersten Blick als Kunst zu erkennen und von Müll manchmal nicht zu unterscheiden sei. Sie ist 1983 in einem Werbespot für Reinigungsmittel erneut aufgegriffen und nachgespielt worden.[5]

Literatur

  • AP: Wenn Putzfrauen im Museum wüten, FAZ, 18. März 2008, Nr. 66, S. 40
  • Eugen Blume/ Cathrine Nichols (Hrsg.): Beuys. Die Revolution sind wir, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 3. Oktober 2008 bis 25. Januar 2009. Steidl, Göttingen 2008, ISBN 978-3-88609-649-7
  • Harald Keller: Wenn Putzfrauen im Museum wüten, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. März 2008, Nr. 66, S. 40
  • Lothar Schirmer (Hrsg.), Alain Bohrer (Einf.): Joseph Beuys. Eine Werkübersicht, 1945–1985, Schirmer/Mosel, München, Paris, London 1996; ISBN 3-88814-810-3

Einzelnachweise

  1. Rasierter Kaktus. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1975 (online).
  2. http://www.leverkusener-anzeiger.ksta.de/html/artikel/1233584147826.shtml
  3. Eugen Blume/ Cathrine Nichols (Hrsg.): Beuys. Die Revolution sind wir, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 3. Oktober 2008 bis 25. Januar 2009. Steidl, Göttingen 2008, S. 223
  4. Heiner Stachelhaus: Joseph Beuys. Heyne, München 1987, ISBN 3-453-03399-X, S. 187.
  5. Quelle: Lürzer's Archiv, 1/1984, S. 54

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