- KHM 107
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Die beiden Wanderer ist ein Märchen (Typ 613 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 107 enthalten (KHM 107).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Ein leichtherziger Schneider und ein griesgrämiger Schuster wandern zusammen. Der Schneider verdient mehr Geld, weil die Leute ihn mögen, und teilt gerne mit dem neidischen Schuster. Durch den Wald zur Königsstadt führen ein Weg von zwei Tagen und einer von sieben. Weil sie nicht wissen, welcher der richtige ist, kauft der Schuster sich für sieben Tage Brot, der Schneider aber nur für zwei Tage. Als sie am dritten Tag noch nicht ankommen und der Schneider am fünften Tag vor Hunger nicht mehr weiter kann, gibt ihm der Schuster ein Stück Brot, sticht ihm aber dafür ein Auge aus. Dies wiederholt sich am siebten Tag. Nach dem Wald lässt der Schuster den blinden Schneider unter einem Galgen liegen. In der Dämmerung spricht der Gehängte mit einer Krähe auf dem Kopf zu dem anderen Gehängten, dass wieder sehen könne, wer sich mit dem Tau wasche. So geht es dem Schneider in Erfüllung. Er dankt Gott. Unterwegs begegnet er einem braunen Fohlen, das er reiten will, einem Storch, jungen Enten und einem Bienenstock mit Honig, die er essen will, lässt sich aber immer von den Tieren zur Gnade bewegen. In der Stadt ist er bald für seine Fähigkeiten berühmt und wird Hofschneider. Sein ehemaliger Kamerad, der Hofschuster, will ihn unschädlich machen. Er erzählt dem König einmal, der Schneider habe sich vermessen, die vermisste Krone wiederzubeschaffen, dann, das Schloss in Wachs abzubilden, im Schlosshof Wasser sprudeln zu lassen und dem König einen Sohn besorgen zu können. Der König droht dem Schneider mit Verbannung, Kerker und Tod, wenn er es nicht täte, aber es helfen ihm die Enten, die Bienen, das Pferd und der Storch. Der Schuster muss dem Schneider Schuhe für die Hochzeit mit der ältesten Königstochter machen und die Stadt verlassen. Unterwegs wirft er sich vor Wut und Erschöpfung unter dem Galgen hin. Die Krähen hacken ihm die Augen aus, und er rennt in den Wald.
Stilistische Besonderheiten
Die Erzählung verwendet zur treffenden Charakterisierung der Personen viele Redensarten, von denen einige auch heute in Gebrauch sind: Springinsfeld; Lass dir darüber keine grauen Haare wachsen.
Herkunft
Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm enthalten das Märchen seit der fünften Auflage von 1843 an Stelle 107. Es ersetzte das kürzere, in dem Galgenmotiv ähnliche Märchen Die Krähen.
Sie hatten es aus dem Holsteinischen.
Interpretation
Ulla Wittmann deutet den Gegensatz zwischen dem lebensfrohen Schneider und dem sorgenvollen Schuster auch (subjektal) als Konflikt eines einseitig intellektualisierenden Geistes mit dem Materialismus, den zu integrieren den zunächst schmerzvollen Weg zur Ganzheit ausmacht.
Literatur
- Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 518-528. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
- Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 200-201, S. 487. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
- Wittmann, Ulla: Ich Narr vergaß die Zauberdinge. Märchen als Lebenshilfe für Erwachsene. Interlaken 1985. S. 27-38. (Ansata-Verlag; ISBN 3-7157-0075-0)
Weblinks
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