KHM 99

KHM 99

Der Geist im Glas ist ein Märchen (Typ 155, 301 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 99 enthalten (KHM 99).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Ein armer, hart arbeitender Holzhacker schickt von seinem Ersparten seinen einzigen Sohn auf eine hohe Schule. Der lernt dort auch gut und fleißig, muss aber vorzeitig wieder heim kommen, weil seinem Vater das Geld ausgeht. Der Vater ist darüber sehr betrübt, aber der Sohn ist guter Dinge.

Er begleitet seinen Vater zum Holzhacken, obwohl der Bedenken hat wegen der schweren Arbeit. In der Mittagspause geht er spazieren, obwohl sein Vater meint, er solle lieber ausruhen. Er sucht nach Vogelnestern und findet schließlich eine große, alte Eiche. Er hört eine Stimme, die bittet, herausgelassen zu werden und findet ein froschähnliches Ding in einer Glasflasche unter den Baumwurzeln. Als er es herauslässt, wird es zu einem riesenhaften Geist, der droht, ihn umzubringen. Er sei der große Mercurius, und zu seiner Strafe hier eingesperrt gewesen. Der Sohn fürchtet sich aber nicht und überlistet den Geist, wieder in die Flasche zurückzugehen, damit er sehen könne, dass er auch der richtige sei. Als der Geist ihm verspricht, ihn reich zubelohnen, lässt er ihn aber wieder heraus. Der Geist gibt ihm einen kleinen Lappen, der Wunden heilen und Metalle in Silber verwandeln kann.

Als er zu seinem Vater zurückkommt, ist der zornig, dass er so lange weg war und als der Sohn die Axt, die der Vater vom Nachbarn geliehen hatte, kaputthaut, indem er sie vorher mit dem Lappen bestreicht. Der Sohn bittet den Vater, mit ihm nach Hause zu gehen und verkauft nach dessen Anweisung die kaputte Axt. Dann zeigt er ihm das viele Geld, das er dafür bekommen hat, und erzählt ihm, wie es gekommen ist. Er geht wieder auf die Schule und wird der berühmteste Doktor.

Interpretation

Mercurius war in der römischen Mythologie der Gott der Händler, der Räuber, des Reisens, des Gewinns oder auch der Magie (ähnlich dem griechischen Hermes). Mercurius ist auch der chemische Name für Quecksilber. Quecksilber ist schwer zu gewinnen, es kann sich ausdehnen (wie im Thermometer) und wird leicht gasförmig. Es ist auch sehr gefährlich. Das lässt den Ursprung des Märchens bei Alchemisten vermuten, die ja auch studierten und Substanzen in Glasflaschen hielten. Interessant ist auch, dass der Sohn nach Eiern sucht. Sie sind ein Symbol für den Stein der Weisen, der auch Wunden heilt und Metalle in Gold verwandelt (wie die Axt, die erst zu Silber, dann zu Gold wird).

Der Sohn ist wie viele Märchenhelden aus einfachen Verhältnissen, aber unverzagt und ehrlich. Deshalb fürchtet er sich auch vor dem Geist nicht. Sein Verhalten ist besonders merkwürdig, als er sich zuerst ungeschickt stellt und seinen Vater durch Bitten besänftigt. Erst auf dessen Anweisung verkauft er die silberne Axt, und erst auf seine Frage erzählt er ihm, wie er zu dem Reichtum gekommen ist.

Grimms Anmerkung

Das Märchen stamme Aus dem Paderbörnischen. Eine appenzeller Volkssage aus dem Morgenblatt 1817, S. 231: Paracelsus befreit den Teufel aus einer Tanne, wo er durch einen Zapfen mit eingeritzten Kreuzen festgehalten ist. Eine schwarze Spinne kommt heraus und wird ein hagerer, schielender Mann in rotem Mantel. Er gibt Paracelsus eine Arznei, die alle Kranken heilt, und eine Tinktur, die alles in Gold verwandelt. Weil er sich jetzt an dem rächen will, der ihn bannte, schmeichelt ihm Paracelsus, wie er die Spinne werden konnte, und sperrt ihn so wieder ein. Grimms vergleichen aus ihrer Sammlung KHM 96 und 142, aus 1001 Nacht 1, 107 und 6, 342, Der Weltlohn bei Saal Nr. 11, Virgilius und Zauberer Savilon, das Galgenmännlein.

(Zu der Paracelsusgeschichte vgl. Jeremias Gotthelfs Novelle Die schwarze Spinne)

Zeichentrickserie

Literatur

  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 493-497. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. S. 191-193, S. 485. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)

Weblinks


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