KHM 178

KHM 178

Meister Pfriem ist ein Märchen (Typ 801, 1248 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 178 enthalten (KHM 178) und erschien auch in Cäsar Albano Kletkes Berliner Taschenbuch.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der unansehnliche und hektische Schustermeister Pfriem tadelt alle: Ein Mädchen, dem er den Wassereimer aus der Hand stößt, seine Gesellen, Frau und Mägde, wenn sie Feuer machen oder sich beim Waschen unterhalten. Als ein Haus gebaut wird, will er dem Zimmermann sein Handwerk erklären, aber wirft die Axt weg, um einem Bauer zu sagen, dass er keine jungen Pferde vor einem schweren Wagen spannen soll. Zurück in der Werkstatt schreit er den Lehrjungen wegen eines schlechten Schuhs an und übersieht, dass er ihn selbst gemacht hat.

Er träumt nachts, er wäre gestorben und dürfe im Himmel nichts tadeln. Er beherrscht sich auch, als zwei einen Balken quer tragen, andere Wasser in ein löchriges Fass schütten. Doch dann spannen Engel Pferde vor und hinter einen Wagen, der in einem Loch steckt. Er schimpft und sieht vor dem Erwachen, dass die Pferde mit dem Wagen fliegen. Er findet es aber Verschwendung, Pferden noch Flügel zu geben. Er ist froh, noch zu leben, um im Haus nach dem Rechten zu sehen.

Der quergetragene Balken wird vom Erzähler bezeichnet als der Balken, den einer im Auge gehabt hatte, während er nach dem Splitter in den Augen anderer suchte (Mt 7,3; Lk 6,41).

Herkunft

Das Schwankmärchen erschien in Grimms Kinder- und Hausmärchen ab der 5. Auflage (1843) und kurz vorher in Cäsar Albano Kletkes Berliner Taschenbuch. Grimms Anmerkungen geben als Quelle eine Erzählung in der Neusten Kinderbibliothek, Hildburghausen 1827 an und vergleichen Märchenwald von L. Wiese, Barmen 1841 (beide gehen zurück auf Hans Pfriem in Ludwig Aurbachers Volksbüchlein, 1827). Sie erzählen ausführlich ein Lustspiel aus dem 16. Jahrhundert von Martin Heineccius nach, das als Hans Pfriem oder Meister Kecks erschien. Es ist in dem Punkt ausführlicher, dass Pfriem sich vor dem Rauswurf aus dem Himmel schützt, indem er alle Heiligen ihrer eigenen Sünden zeiht. Er ist hier Fuhrmann (vgl. Redensart: Fluchen wie ein Karrenfahrer). Grimms finden, dass Pfriem gut zum Schusterhandwerk passt (vgl. KHM 107 Die beiden Wanderer). Sie vergleichen KHM 35 Der Schneider im Himmel, KHM 81 Bruder Lustig und KHM 82 De Spielhansl, die sich eher durch Witz im Himmel halten (KHM 167 Das Bürle im Himmel beschreibt die Ankunft eines Frommen).

Die älteste Fassung der geschilderten Himmelsvision ist die aus der Vita des Heiligen Arsenius, die um 800 aufgeschrieben wurde: Er sieht einen Neger, der eine untragbare Holzlast aufheben will und immer noch zulegt, einen Mann, der Wasser in ein durchlöchertes Gefäß schöpft, zwei Reiter, die einen Balken quer durch ein Tor tragen wollen. Arsenius deutet die drei Bilder als unbußfertige Sünde, wieder Sünde des Bekehrten und Hoffart. Der Stoff wurde im Mittelalter vielfältig als Schwank rezipiert. Die Holzbürde erinnert auch an Sisyphos, das Wasserschöpfen an die Danaiden aus der griechischen Mythologie.

Interpretation

Die Geschichte beschreibt sehr schön eine Zwanghafte Persönlichkeitsstörung (s.a. KHM 185 Der arme Junge im Grab).

Rezeption

In dem Gedicht Querkopf von Wilhelm Busch (1904) kommt auch ein Schustermeister Pfriem vor.

Literatur

Primärliteratur

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 726-730. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 261-263, S. 509. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)

Sekundärliteratur

  • Uther, Hans-Jörg: Meister Pfriem. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 9. S. 506-508. Berlin, New York, 1999.
  • Ranke, Kurt: Arsenius. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 1. S. 827-828. Berlin, New York, 1977.

Interpretation

  • Drewermann, Eugen: Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. 8. Auflage 2004, München. S. 229-251. (dtv-Verlag; ISBN 3-423-35056-3)

Weblinks


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