KZ Kuhlen

KZ Kuhlen

Das Konzentrationslager Kuhlen war ein frühes („wildes“) Konzentrationslager in Kuhlen bei Rickling in Schleswig-Holstein vom 18. Juli 1933 bis 27. Oktober 1933.

Bei den Inhaftierten handelte es sich meist um Kommunisten und Sozialdemokraten.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

1883 errichtete der Landesverein für Innere Mission Schleswig-Holstein eine Arbeiterkolonie in Rickling. In den folgenden Jahren wurde hier Arbeitssuchenden Unterkunft und Verpflegung für ihre Arbeitsleistung geboten (Ziel war die Vermittlung in feste Arbeitsverhältnisse und die Gewöhnung an ein regelmäßiges Leben). Der 1920 dann als Eigentum erworbene Hof umfasste ca. 200 ha. und bestand vor allem aus großen Moor- und Sumpfflächen.

Im Jahr 1931 nahmen bereits fast 200 Personen an Arbeitseinsätzen in der Landwirtschaft des nahe gelegenen Gutes Kuhlen teil, bevor ab November 1931 die „sinnvollen Tätigkeiten“ dann im Rahmen des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) ausgeübt werden sollten. Wegen Platzmangels (in den bestehenden zwei Häusern wurden zunehmend psychisch Kranke aus der Schleswiger Landesheilanstalt aufgenommen) wurde am 31. Januar 1932 die zusätzliche Baracke „Falkenried“ in Betrieb genommen. Am 12. Juli übernahm dann die NSDAP das Arbeitsdienstlager Kuhlen/Falkenried. Ab August 1932 befanden sich 14 SA-Leute der Standarte 213 Segeberg als Erntehelfer und Hofarbeiter auf dem Gutshof.

Errichtung des Konzentrationslagers

Mitte Juli 1933 wies der Landrat die ersten Häftlinge in das SA-Lager. Über das Lager auf dem Gelände der Rickling-Kuhlen Anstalten wurde am 15. Juli 1933 auf der Titelseite des Segeberger Kreis- und Tageblattes berichtet:

„Das Konzentrationslager in Rickling bietet Raum für 60 und dazu mäßige Kost und Kultivierungsarbeiten in Hülle und Fülle. Wir werden diese Saböteure [sic] des Aufbaues volkswirtschaftlich nützliche Arbeit verrichten lassen. Damit der Geist dabei nicht verkümmert, wird ein langjähriger Parteigenosse Lager-Kommandant Diakon Othmar Walchensteiner nationalsozialistisches Gedankengut gratis reichen.“

Die offizielle Adresse lautete: „Landesverein für Innere Mission, Abteilung Konzentrationslager Kuhlen“.

Die Häftlinge waren zwischen 18 und 63 Jahre alt und kamen meist aus Holstein. Zu den frühesten Verhafteten gehörten Anhänger von SPD und KPD. Unter den Häftlingen waren auch Opfer alter Abrechnungen zwischen NS-Formationen sowie Opfer von Denunziation und Polizeiwillkür. Der prominenteste Häftling war Reinhold Jürgensen aus Elmshorn, der im Dezember 1933 im KZ Fuhlsbüttel ermordete KPD-Reichstagsabgeordnete. Während der drei Monate des Bestehens waren ca. 200 Häftlinge in dem Lager; die durchschnittliche Belegung betrug 90 Häftlinge.

Die Organisation des Lagers

Das eigentliche Konzentrationslager bestand ab 27. Juli 1933 bis zur Auflösung nur aus der ehemaligen FAD-Baracke „Falkenried“. Im Inneren gab es vier Schlafräumen mit je 16 m², einen Speisesaal sowie Aufenthaltsräume des Wachpersonals. Das Gebäude mit dem kleinen Vorplatz war nicht umzäunt, das Gelände wurde durch die zwischen den Kuhlener Gebäuden befindlichen Wege bestimmt.

Neben dem SS-Mann Walchensteiner, der vorher schon in verschiedenen Einrichtungen der Inneren Mission tätig war, gab es als Wachpersonal mindestens neun SA-Männer und ein SS-Mann (der auch als Vertreter des Kommandanten fungierte). KZ-Verwaltungsleiter war der Diakon Schuba. Der Verein führte das KZ-Konto und bezahlte den Lohn der Bewacher und des Kommandanten. Die ärztliche Versorgung und die Verpflegung von Personal und Häftlingen wurden ebenfalls von der Inneren Mission übernommen.

Die Häftlinge mussten elf Stunden täglich für die Stiftung arbeiten. Hauptsächlich handelte es sich um Feldarbeit und um Arbeit für das Torfwerk Kuhlen. Neben den Erträgen dieser Wirtschaftsbetriebe erhielt die Innere Mission noch die festgelegte staatliche Kostenerstattung von 1,50 Reichsmark pro Tag und Häftling für "Verpflegung, Wachmannschaften und Nebenkosten" (der Landesverein für Innere Mission verlangte vergeblich 1,65 RM).

Die Auflösung des Lagers

Am 13. Oktober 1933, drei Tage vor dem Verbot der kommunalen und SA-Lager, wurde das KZ Rickling aufgelöst. Etliche Häftlinge kamen frei, etwa 40 Häftlinge wurden in die Emslandlager überführt (wo einige bald starben).

Die meisten SA-Wachmänner blieben, zunächst als Landarbeiter für die Innere Mission, nach dem Kriegsbeginn als Bewacher deportierter Zwangsarbeiter. In die Baracke zogen Alkoholiker ein, Betreuer wurde vorübergehend der ehemalige KZ-Kommandant Walchensteiner. Später wurde er „politischer Schulungsleiter“ des Landesvereins für Innere Mission. Im März 1935 schied er aus, weil er sich der Deutschen Glaubensbewegung angeschlossen hatte, die das Christentum ablehnte. Die Innere Mission drückte ihm nach der Auflösung des KZ die „Anerkennung für die erfolgreiche Durchführung der Ihnen gestellten, sicher nicht leichten Aufgabe“ aus. Walchensteiner wurde 1941 SS-Obersturmführer und Gebietskommissar einer „SS-Einsatzgruppe“ in Russland, wo er 1943 fiel.

Nach 1945

Das KZ Rickling war nach 1945 zweimal Prozess-Gegenstand: 1948 wurde der Stellvertreter des Kommandanten, ein SS-Adjutant aus Neumünster, in Kiel zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt. 1976 wurden einem Ex-Gefangenen nach sechsmonatigem Rechtsstreit für seine Haft zwei Monate Rentenausfallzeit anerkannt (eine Wiedergutmachung durch die Innere Mission war nie ein Thema). Obwohl eine 1957 publizierte Karte aller bekannten NS-Konzentrationslager ein nicht näher erklärtes Lager „Rickling“ aufführt, wurde die Existenz des KZ Kuhlen erst 1986 durch eine Publikation des Diakons Peter Sutter in Rickling der breiten Öffentlichkeit bekannt.

Literatur

  • Peter Sutter: Der sinkende Petrus - Rickling 1933-1945, Selbstverlag, 1986
  • Harald Jenner: Konzentrationslager Kuhlen 1933, Landesverein für Innere Mission, 1988
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