Kalevipoeg

Kalevipoeg

Der Kalevipoeg (estnisch für Kalevs Sohn) ist das Nationalepos Estlands.

Illustrierendes Aquarell des estnischen Malers Aleksander Promet

Er besteht aus gut 19.000 Versen in 20 Gesängen. Er basiert auf Motiven aus estnischen Sagen und Volksliedern und wurde ab 1850 von Friedrich Reinhold Kreutzwald zusammengestellt. Die Hauptmotive entnahm der estnische Schriftsteller verschiedenen Sagen um den riesenhaften Helden Kalevipoeg. In estnischen Legenden (vor allem aus Ostestland) wirft Kalevipoeg gigantische Steine nach seinen Gegnern. Er formt Landschaften, verändert Flussläufe und gründet Städte. Der Charakter des Riesen ist dabei durchaus ambivalent. Mal hilft er Menschen in der Not, mal ist der unberechenbare, gewalttätige Zerstörer. In dieser Hinsicht gleichen die Sagen um ihn anderen Riesenerzählungen aus dem Baltikum oder Skandinavien. Besonders mit dem finnischen Nationalepos Kalevala gibt es viele Überschneidungen.

In Volksliedern sind Geschichten um die Gestalt Kalevipoegs kaum überliefert. In der Literatur wird er zuerst im 17. Jahrhundert von Heinrich Stahl aufgegriffen. Konkrete Ideen, die Geschichten erstmals schriftlich niederzulegen, kamen nach der erstmaligen Veröffentlichung der Kalevala in Finnland 1835 auf. Ein baltendeutscher Estophile und Schwärmer, Schultz-Bertram, brachte diese Idee in der Gelehrten Estnischen Gesellschaft auf und eines der Gründungsmitglieder der Gesellschaft, der Arzt Friedrich Robert Fählmann, verfasste 1839 erste Entwürfe für ein Nationalepos.

Nach Fählmanns Tod im Jahr 1850 wurde Kreutzwald, der mit Fählmann befreundet gewesen war, mit der Fortführung dessen Arbeit beauftragt. Nach anfänglichen Plänen, den Kalevipoeg auf deutsch und in Prosa niederzulegen, entschied er sich für die traditionelle, auch in der Kalevala verwandte Versform. Er konnte sich dabei nur auf wenige Originaltexte (Volkslieder) stützen und dichtete große Teile auf Grundlage der Volkserzählungen selber. Einige Passagen und Figuren sind auch von Kreutzwald frei erfunden, um dem Werk eine Erzählstruktur zu geben und den "Lehrauftrag" zu stützen, ein Geschichtsbewusstsein stiftendes Epos zu schaffen. So kommt es, dass in der heutigen Fassung des Kalevipoegs nur rund ein Achtel "originale" Verse sind, während der Rest eine Imitation deren Stils darstellt. Das Versmaß orientiert sich an der altestnischen Stabreimdichtung.

Die erste Version des Kalevipoegs mit 13.817 Versen konnte wegen Vorbehalte der Zensur 1853 nicht gedruckt werden. Die zweite, gründlich überarbeitete Ausgabe mit 19.087 Versen erschien zwischen 1857 und 1861 in mehreren Teilen als akademische Veröffentlichung der Gelehrten Estnischen Gesellschaft. Sie enthielt auch eine deutsche Übersetzung. 1862 erschien schließlich eine minimal gekürzte Ausgabe mit 19.023 Versen für die breite Öffentlichkeit.

Der Kalevipoeg war in der Folge - ganz im Sinne seines Schöpfers - für die Rückbesinnung auf die eigene kulturelle Identität und die Entwicklung eines Nationalbewusstseins in Estland von großer Bedeutung. Auch schuf das Werk eine bis dahin unbekannte lyrische estnische Sprache.

Bearbeitungen, Umsetzungen

Anlässlich des 200. Geburtstages von Friedrich Reinhold Kreutzwald inszenierte Markus Zohner 2003 in Tallinn das Epos als Theaterstück "Kalevipoeg - The cool estonian epic". Koproduktion von VAT Teater Tallinn mit Markus Zohner Theater Compagnie, Lugano. Seit der Uraufführung weltweit auf Tournée.

Literatur

Peter Petersen (Hg.): Kalevipoeg. Das estnische Nationalepos. Mayer: 2004. ISBN 3-932386-74-4

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