- Anatolische Sprachen
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Die anatolischen Sprachen sind ein ausgestorbener Sprachzweig der indogermanischen Sprachfamilie, die in Anatolien im 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. gesprochen wurden. Ihr wichtigster Vertreter ist das Hethitische. Die ältesten bislang gefundenen indogermanischen Schriftzeugnisse (17. Jahrhundert v. Chr.) sind auf hethitisch verfasst.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft und Verwandtschaftsbeziehungen
Nach der in der Indogermanistik als am wahrscheinlichsten angesehen Theorie sind die Träger der anatolischen Sprachen in zwei Wanderungswellen aus dem unteren Wolgagebiet (Südrussland) über den Kaukasus bzw. über die Balkanhalbinsel nach Kleinasien eingewandert. Die anatolischen Sprachen bilden einen eigenständigen Zweig des Indogermanischen.
Anhänger der konkurrierenden Anatolien-Hypothese (z. B. Colin Renfrew) sehen in den anatolischen Sprachen den ältesten indogermanischen Sprachzweig und sehen Kleinasien als die ursprüngliche Heimat an.
Nach der klassischen Indogermanistik gehören die anatolischen Sprachen zu den ältesten schriftüberlieferten indogermanischen Sprachen. Zur Zeitstellung nimmt die Glottochronologie und vergleichende Betrachtungen des mykenischen Griechisch, der ältesten hethitischen Schriftzeugnisse und der ältesten indischen und iranischen Schriftdenkmäler eine gemeinsame Ursprache grob um 3000 v. Chr. an. Klingenschmitt stellte 2005 folgende Überlegung dazu an. Der durch Schriftdenkmäler bezeugte mykenische Dialekt um 1200 v. Chr. weist bereits eine historische Orthographie auf. Die Schrifttradition des Griechischen dürfte daher bereits älter sein und dürfte um 1400 v. Chr. begonnen haben. Die Sprache war bereits geringfügig dialektisch differenziert, so dass man für das Urgriechische die erste Hälfte des 2. Jahrtausend v. Chr. annehmen darf. In etwa die gleiche Zeit reicht das Urindoiranische, die anzunehmende Grundsprache des Indischen und Iranischen. Die früheste Bezeugung hethitischer Wörter in den altassyrischen Texten Anatoliens (19. oder 18. Jahrhundert v. Chr.) lässt vermuten, dass der spätmöglichste Zeitpunkt für das uranatolische am Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. lag. Urindogermanisch bzw. Urindohethitisch müsste somit in die Zeit um 3000 v. Chr. gestellt werden oder etwas jünger. (Viel jünger aber nicht, da die Aufspaltung der indogermanischen Sprachen wohl nach der Erfindung des im gemeinsamen Grundwortschatz vorkommenden Rades stattgefunden haben muss). Die oft gemachte Annahme von 4000 v. Chr. hält Klingenschmitt damit für unwahrscheinlich.
Gliederung des anatolischen Zweigs
Der anatolische Zweig der indogermanischen Sprachen wird meist in folgende Sprachen unterteilt:
- Zentralanatolisch
- Westanatolisch
Luwisch, Lykisch, Karisch, Pisidisch und Sidetisch werden gelegentlich als luwische Sprachen zusammengefasst, da sie näher verwandt zu sein scheinen.
Literatur
- Gert Klingenschmitt: Sprachverwandtschaft in Europa. In: Gene, Sprachen und ihre Evolution. Hrsg. v. Günter Hauska. Universitätsverlag, Regensburg 2005, S. 112. ISBN 3-930480-46-8
- Sylvain Patri: L'alignement syntaxique dans les langues indo-européennes d'Anatolie (Studien zu den Boǧazköy-Texten 49). Harrassowitz, Wiesbaden 2007. ISBN 978-3-447-05612-0
- Maciej Popko: Völker und Sprachen Altanatoliens. Harrassowitz, Wiesbaden 2008. ISBN 978-3-447-05708-0
Weblinks
Übersetzung des Buches "Ludy i języki starożytnej Anatolii" von Maciej Popko
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