- Kanton (Preußen)
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Das Kantonssystem, auch Kantonsreglement genannt, wurde durch Friedrich-Wilhelm I., König von Preußen im Jahr 1733 eingeführt. Die durch das Kantonssystem weitreichenden und sichtbaren Auswirkungen auf sein Land trugen dem König den Titel „Soldatenkönig" ein.
Der Name Kantonssystem wurde deshalb verwendet, weil die Fläche eines Staates in sogenannte Kantone unterteilt wurde, aus denen dann die Rekruten für das Militär ausgehoben wurden. Ein preußischer Kanton umfasste etwa „5.000 Feuerstellen", also „Haushalte". Jedes Regiment konnte auf nur einen solchen Kanton zur Rekrutierung der erforderlichen Truppenstärke zugreifen.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Grundlage des Kantonssystem war eine verbindliche Dienstpflicht aller Untertanen. Dazu wurden die Dienstpflichtigen schon im Kindesalter registriert. Diese Register wurden vor Ort in den Kantonen alljährlich aktualisiert. Männer zwischen 16 und 30 Jahren konnten eingezogen werden. Die Zeit, die der Soldat dann dienstverpflichtet war, betrug in Preußen 20 Jahre. Die „Wehrpflichtigen", Kantonisten genannt, hatten in Friedenszeiten pro Jahr eine Dienstpflicht von etwa 2 bis 3 Monaten zu erfüllen, die restliche Zeit stand ihnen frei zur Verfügung.
Da aber das Kantonssystem in die Zeit des Absolutismus fällt, ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Dienstpflicht abhängig von der sozialen Schicht, zu der man gehörte, relativ war. So wurden überwiegend Menschen der untersten Schichten, also Bauern, Tagelöhner und sogenannte „Geringe" also ländliche Handwerker rekrutiert. Alle höheren Schichten, wie z.B. städtische Handwerker oder Bürger hatten Möglichkeiten, die Rekrutierung zu umgehen. Handwerker konnten sich etwa auf die Wichtigkeit ihres Berufes für den Staat berufen (Unabkömmlichkeit), mussten aber als Ausgleich Leistungen erbringen, wie z.B. die Unterbringung und Verpflegung von Soldaten in ihren Häusern während ihrer Dienstzeit. Auch existierte das Adelsprivileg weiter, wobei jedoch zu erwähnen ist, dass der Adel in der Regel ehrenhalber freiwillig in der Armee diente, aufgrund der Zugehörigkeit zu den höheren Ständen diente der Adel aber nahezu ausschließlich in den höheren militärischen Rängen und genoss Privilegien, die den unteren Ständen unerreichbar waren. Diese Ungleichbehandlung wurde seinerzeit allerdings als „gottgegeben" (Gottesgnadentum der Herrschenden) angesehen, bzw. hingenommen, weshalb ein heute darüber zu fällendes Urteil die Umstände dieser Zeit berücksichtigen sollte.
Die Rekrutierung vornehmlich der unteren Schichten sollte auch dem Zweck dienen, aus den als „unnützes Gesindel" angesehenen und auch so bezeichneten Menschen staatstreue Bürger zu formen.
Das Kantonssystem kann als eine Vorstufe der heutigen Wehrpflicht angesehen werden, man darf es jedoch keinesfalls damit gleichsetzen.
Vorteile
Vorteil des Kantonssystem gegenüber der vorher üblichen Zwangsrekrutierung war die genaue staatliche Regelung des Systems und zumindest eine „in etwa" Gleichbehandlung der niederen Stände. Dabei wurde auch versucht, die Rekrutierung in den Kantonen so zu gestalten, dass die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Kantons erhalten blieb. Historisch bewiesen wird der Vorteil durch die wesentlich geringere Desertionsrate unter den Kantonisten. Darüber hinaus trug das Kantonssystem zusammen mit anderen, weitreichenden Reformen zum wirtschaftlichen Aufschwung Preußens unter Friedrich Wilhelm I. bei. Neu an diesem System war, im Gegensatz zu den bis dahin üblichen Söldnerheeren, der aufkeimende Gedanke, seinem Heimatland (Vaterland) verpflichtet zu sein.
Das Kantonssystem wurde aufgrund der sichtbaren Erfolge Preußens schon nach relativ kurzer Zeit von anderen Staaten des Deutschen Reiches übernommen, so z.B. von Österreich, oder Hessen-Kassel.
Nachteile
Das System hatte aber auch Nachteile, die nicht verschwiegen werden dürfen.
Beschaffung von Nachschub
Wurde in einer Schlacht ein Regiment aufgerieben, musste aus demselben Kanton, aus dem die Gefallenen rekrutiert wurden, der Ersatz beschafft werden. Es wurde zuvorderst zwar versucht, dies durch die Anwerbung Freiwilliger zu tun, reichten die Freiwilligen aber nicht aus, wurde im Kanton rekrutiert. Damit waren die Kantone oft überfordert und es führte zwangsläufig zu einer Entvölkerung des Kantons durch Rekrutierungsmethoden, die denen der vorher üblichen Presskommandos sehr ähnlich waren. Die Werber gingen also in die Bauernhäuser und holten den nächsten Sohn der Familie mit Hinweis auf seine Dienstpflicht ab. Das war gemäß dem Gesetz über das Kantonssystem legal, ja sogar notwendig, denn es galt, das Regiment in kürzester Zeit wieder kampfbereit zu machen, es wurde aber von den Betroffenen ähnlich ungerecht empfunden, wie die vorher übliche Methode der Zwangsrekrutierung. Auch führte es zu Arbeitskräftemangel im Land und zu Landflucht aus Angst vor der Einberufung.
Sippenhaft
Desertierte ein Soldat aus seinem Regiment, wurde der Ersatz für ihn in der Gemeinde rekrutiert, aus der der Deserteur stammte. Dies war bevorzugt ein Blutsverwandter des Deserteurs, im Falle des Nichtvorhandenseins jedoch einfach ein anderer Bewohner des Dorfes. Letzterer Fall führte zu Hass und Unfrieden in der Dorfgemeinschaft. Weiterhin konnte das gesamte Eigentum des Deserteurs und seiner Angehörigen konfisziert werden. Die Konfiskation konnte in der Form erfolgen, dass man die Hütte des Fahnenflüchtigen einfach niederbrannte oder seine gesamten Angehörigen aus dem Haus warf. Diese „Sippenhaft" trug erheblich zu der niedrigen Desertationsrate der Kantonistenheere bei.
Dienstpflicht
Es gab für die niedrigen Stände keine Möglichkeit, sich von der Dienstpflicht zu befreien. Die niederen Stände jener Zeit waren oft Unfreie. Das Rechtssystem jener Zeit machte es diesen Menschen unmöglich, überhaupt irgendwelche Rechte einklagen zu können. Dadurch war die Aushebung der Truppen faktisch eine Zwangsmaßnahme. Eine Zuwiderhandlung war Landesverrat und stand unter hoher Strafe. Abgesehen von der Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung - die aber nur vom Dienst mit der Waffe befreit - ist das auch im heute angewandten Wehrdienst nicht anders, auch wenn die Sanktionen sich mit dem Rechtswesen fortentwickelt haben.
Soldatenhandel
Die deutschen Staaten, die sich an der Vermietung von Soldaten für andere Staaten beteiligten, rekrutierten die dafür erforderlichen Truppen auch nach den Regeln des Kantonssystems. Während die einen im Soldatenhandel, insbesondere der Söldnervermietung gemäß Subsidienverträgen im 18. Jahrhundert, eine legale Angelegenheit ohne Zwangsmaßnahmen sehen, in der Soldaten freiwillig gegen Entgelt in fremden Heeren dienten, weisen andere auf die relative Freiwilligkeit hin, die aufgrund der Kombination aus Kantonsregelung UND der Standesunterschiede im Absolutismus existierte.
Missbrauch
Der Grundgedanke für das Kantonssystem war der Wunsch Friedrich Wilhelms I., sein Land zu reformieren und wirtschaftlichen Aufschwung zu erzielen. Weiterhin sollte durch das Kantonsystem ständig ein gut ausgebildetes, stehendes Heer verfügbar sein, womit Preußen jederzeit gegen Angriffe von außen verteidigungsfähig sein sollte. Das Kantonsystem wurde aber auch angewandt, um Söldnerheere zu bilden, die nicht zur Verteidigung des eigenen Landes gebraucht wurden, sondern an andere Staaten vermietet wurden. Auch in diesem Fall erfolgte die Rekrutierung der zusätzlich erforderlichen Truppen gemäß den Regeln des Kantonssystems.
Literatur
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Weblinks
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