Kapuzinergruft (Palermo)

Kapuzinergruft (Palermo)
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Die Kapuzinergruft von Palermo (ital.: Le Catacombe dei Cappuccini), eine weitläufige Gruftanlage unter dem Kapuzinerkloster, ist mit ihren natürlichen Mumien einer der bekanntesten Mumiengrablegen der Welt.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung der Kapuzinergruft von Palermo

Kapuzinergruft in Palermo, Blick vom Eingangsbereich durch einen Teil des Mönchsganges zur Kapelle der Hl. Rosalia

Im Jahre 1534 bauten die Kapuziner, ein erst kurz zuvor gegründeter Reformzweig des Franziskanerordens, vor den Toren der Stadt Palermo ihr erstes Kloster auf sizilianischem Boden.

1599 entschloss man sich, unterhalb des Hochaltars ein größeres Grabgewölbe auszuheben, weil der Raum für die wachsende Zahl der Mönche nicht mehr ausreichte. Als die Brüder hinunterstiegen, um die 40 Leichname aus der alten in die neue Gruft zu überführen, entdeckten sie zum allgemeinen Erstaunen, dass sie es nicht wie erwartet mit Skeletten, sondern mit Trockenmumien zu tun hatten. Der Abt veranlasste, den ungewöhnlichen Fund entlang der Wände aufzustellen, zur Mahnung der Mönche, sich auf ihr eigenes Sterben sorgfältig vorzubereiten. Der älteste noch erhaltene Leichnam ist der von Fra Silvestro da Gubbio († 1599).

Bis 1670 diente die neue Kapuzinergruft vornehmlich den Mönchen als Grabstätte. Im Laufe der Zeit aber wurde der Druck der Gläubigen auf das Kloster nach Bestattungen in der Gruft größer. Vor allem Angehörige der palermitanischen Oberschicht wollten in der Nähe der heiligmäßigen Ordensleute beigesetzt werden. Diesem Verlangen konnten sich die Brüder auf Dauer nicht verschließen, zumal sich unter den Bewerbern viele Wohltäter des Klosters befanden. Die Erlaubnis zum Begräbnis in der Gruft erteilten bis 1739 das Generalkapitel und die Superioren der Kapuziner und erst ab dann die Prioren des Klosters.

Mumifizierungsmethoden

Um des wachsenden Andrangs Herr zu werden, wandten die Mönche eine besondere Methode an. Dieses Verfahren bestand darin, dass man die eingelieferten Verstorbenen zu mehreren in kleine, trockene Räume, sogenannte „Colatoi“ auf Terrakottaröhren über steinerne Wannen legte. Die Austrocknungskammern waren, wie der Rest des Gewölbes, in den anstehenden vulkanischen Tuffstein gehauen bzw. teilweise mit Tuffquadern ausgemauert worden. Die Trocknung geschah hier, abweichend von anderen Befunden dieser Art, unter völligem Luftabschluss. Der poröse Tuff saugte die Leichenflüssigkeit auf, worauf die Leichname binnen acht bis zehn Monaten völlig ausdörrten. Dann wusch man sie mit Essig, ließ sie noch circa zwei Wochen in der Sonne trocknen und kleidete sie dann in ihre Amtstracht, Uniformen oder Festtagskleider. Erst danach wies man ihnen ihren Platz in einem der Korridore an, wo sie von Verwandten und Freunden besucht und von Zeit zu Zeit neu eingekleidet werden konnten. Zusätzlich zu der beschriebenen natürlichen Mumifikation gab es noch die Methoden der Behandlung mit Kalk oder Kalkmilch sowie mit Arsenik. Mumien, die mit den letztgenannten Verfahren behandelt wurden, sind besonders gut erhalten.

Das Verlangen der besseren Kreise Palermos nach einem Begräbnis bei den Kapuzinern hielt mehr als zwei Jahrhunderte unvermindert an. Erst im Jahre 1837 verbot die Regierung diese Art der Bestattung. Es fanden zwar noch bis 1881 Bestattungen statt, allerdings mussten die mumifizierten Leichname in Särgen aufbewahrt werden.

Seitdem ist die Gruft mit ihren rund 1200 Mumien (die in Reiseführern u. ä. häufig genannte Zahl von mehreren tausend Mumien dürfte auf die Gesamtbelegungszeit anzuwenden sein) unverändert. Viele der Mumien sind zwar beschädigt oder schlecht erhalten, aber es gibt immer noch viele hunderte unbeschädigte Mumien zu besichtigen.

Aufbau der Gruft

Grundriss der Katakomben

Insgesamt gibt es fünf Korridore, Korridor der Männer, Korridor der Frauen, Korridor der „Professionisti“ (Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer, Künstler, Politiker sowie Offiziere des bourbonischen und italienischen Heeres), Korridor der Priester und Korridor der Mönche/Brüder, zwei Nischen (Nische der Jungfrauen und Nische der Kinder), eine Kapelle der heiligen Rosalia und weitere Räume. Einer davon ist einer der geöffneten „Colatoi“, in diesem befinden sich bis heute zwei getrocknete Leichname, ohne dass diese bisher bestattet worden wären.

In der Kapelle der Hl. Rosalia befand sich bis 1866 eine Holzskulptur der Schmerzensmutter, geschaffen vom Kapuzinermönch Fra Benedetto Valenza in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Figur wurde dann an den Eingang der Katakomben versetzt, dort befindet sie sich heute noch.

Viele Särge des Frauenganges fielen einem Bombenangriff am 11. März 1943 auf Palermo zum Opfer, bei dem die Gruft getroffen wurde. Auch bei einem Brand im Jahre 1966 wurden in diesem Bereich weitere Särge beschädigt oder vernichtet.

Bekanntere Tote

Es befinden sich unter den Toten auch einige bekanntere Persönlichkeiten, so z. B. der Schriftsteller Alessio Narbone und Don Vincenzo Agati († 3. April 1731 in Palermo), sein Leben wurde von Mongitore beschrieben. Ebenso der Leichnam des Ayala, des Sohnes eines tunesischen Königs. Dieser trat später zum Katholizismus über und nahm den Namen Filippo d’Austria an († 20. September 1622). Außerdem noch in der Gruft bestattet sind die Bildhauer Filippo Pennino und Lorenzo Marabitti sowie der Medikus Salvatore Manzella. Im sog. „Priestergang“ ist der Leichnam von Mons. Franco D’Agostino zu sehen, eines Bischofs (byzantinisches Ritual) in vollem Ornat. Der Leichnam des rumänischen Schriftstellers Nicolae Bălcescu († 29. November 1852 in Palermo) befindet sich entgegen hartnäckiger Gerüchte nicht in der Gruft, sondern wurde in einem der Gemeindegräber bestattet.

Rosalia Lombardo

Unter den Toten in der Kapelle der Hl. Rosalia befindet sich der unvergleichlich erhaltene Leichnam der zweijährigen Rosalia Lombardo, die am 6. Dezember 1920 an der Spanischen Grippe starb. 2009 wurde das Geheimnis der Einbalsamierung gelöst. Nach einem aufgefundenen Schriftstück des mit der Mumifizierung beauftragten Alfredo Salafia verwendete er eine Mischung aus Glyzerin, Formalin, Zinksulfat und weitere Bestandteile.[1]

Bilder

Literarische Rezeption

Die Katakomben wurden verschiedentlich beschrieben, literarisch verarbeitet hat sie Ippolito Pindemonte mit seinem Gedicht I Sepolcri. Er besuchte die Gruft am 2. November 1777. Die Straße zwischen dem Corso Calatafimi und dem Kapuzinerkloster, zu dem die Gruft gehört, wurde nach ihm Via Ippolito Pindemonte benannt.

Weitere Mumiengrüfte in Europa

Literatur

  • A. Ströbl: Die "Catacombe dei Cappuccini" in Palermo. In: Friedhof und Denkmal. Zeitschrift für Sepulkralkultur. 52. Jahrgang, 2-2007.

Weblinks

Fußnoten

  1. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,623616,00.html

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