Karl Furtmüller

Karl Furtmüller

Carl Furtmüller (* 2. August 1880 in Wien; † 1. Januar 1951 in Mariapfarr) war ein österreichischer Pädagoge und Psychologe, der die Anwendung der Individualpsychologie im Rahmen der Wiener Schulreform maßgeblich mitinitiierte.

Carl Furtmüllers Vater war Disponent in einer Handelsfirma. Seine Mutter war die Tochter eines jüdischen Händlers, die zum katholischen Glauben konvertiert hatte. Furtmüller besuchte das Schottengymnasium und studierte ab 1898 an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Er promovierte im Jahre 1902 mit seiner Dissertation Die Theorie des Epos bei den Brüdern Schlegel, den Klassikern und Wilhelm von Humboldt. Um 1900 schloss er sich der Sozialdemokratie an und war Mitbegründer des Vereins Volksheim, Österreichs erster Volkshochschule.

Ab 1901 unterrichtete Furtmüller am Wiener Sophiengymnasium und anschließend von 1904 bis 1909 am Gymnasium in Kaaden (heute Tschechische Republik) Deutsch, Lateinisch und Griechisch. 1904 heiratete er die russische Emigrantin Aline Klatschko, die später sozialdemokratische Abgeordnete im Wiener Landtag wurde. 1909 kehrte Furtmüller nach Wien zurück, wo er bis 1909 an einer Realschule unterrichtete. Alfred Adler, dessen Frau ebenfalls russischer Abstammung war, führte Furtmüller 1909 in die Psychologische Mittwoch-Gesellschaft ein, aus welcher die Wiener Psychoanalytische Vereinigung hervorging. Nach Adlers Trennung von Freud wurde Furtmüller sein wichtigster Mitarbeiter beim Aufbau der Individualpsychologie. Von 1914 bis 1918 musste der Kriegsgegner Furtmüller Kriegsdienst leisten. 1919 wurde er in die Reformabteilung des Unterrichtsministeriums berufen. Während der Wiener Schulreform war er als enger Mitarbeiter von Otto Glöckel für die Reform der Mittelschule (Allgemeine Mittelschule 1922-1927) zuständig. Er förderte die Errichtung von Erziehungsberatungsstellen und verhalf Alfred Adler zu einer Dozentenstelle am Pädagogischen Institut der Stadt Wien. 1922 wurde er Landesschulinspektor des Stadtschulrates in Wien.

1934 wurde er vom Dollfuss-Regime seines Amtes enthoben. 1938 musste er mit seiner Frau vor dem Austrofaschismus flüchten und über Frankreich und Spanien 1941 in die USA emigrieren, wo seine Frau im gleichen Jahre starb.

Furtmüller kehrte 1947 nach Österreich zurück, wo er das Pädagogische Institut der Stadt Wien bis zu seinem Tode leitete.

Werk

Furtmüller schrieb in sozialistischen und pädagogischen Zeitschriften Artikel über die Schulreform und war von 1920 bis 1933 Herausgeber der Zeitschrift die Wiener Schule des Stadtschulrates.

„Was für den begeisterten Pädagogen nur eine sanguinische Hoffnung ist, das wird für die individualpsychologische Betrachtungsweise durch Zergliederung des Werdeganges der menschlichen Persönlichkeit zur gefestigten wissenschaftlichen Überzeugung: Der Charakter des Menschen erscheint nicht mehr als unabänderliche und daher trostlose Gegebenheit, sondern als ein Werdendes, sich Gestaltendes, Gestaltbares und Umgestaltbares, und so ist die Erwartung berechtigt, dass eine völlige Neuordnung der Erziehung uns einst ein gesünderes, mutigeres und glücklicheres Geschlecht werde bescheren können. Aber sofort setzt sich dieser beglückenden Aussicht die niederdrückende Erkenntnis entgegen, dass uns für diese neue Erziehung das Geschlecht der neuen Erzieher fehlt, dass die übergroße Mehrzahl derer, denen in Familie und Schule die Führung der Jugend zufällt, selbst die Spuren und Narben der alten Erziehung an sich trägt und deshalb zwangsläufig die Wege dieser alten Erziehung wandelt, wenn auch oft in veränderter Form, wenn auch in Abschwächung ihrer handgreiflichsten Fehler, wenn auch manchmal in Selbsttäuschung, gerade das Entgegengesetzte zu tun“. (Carl Furtmüller Denken und Handeln 1930/1983)

Literatur

  • Carl Furtmüller: Denken und Handeln - Schriften zur Psychologie 1905-1950 - Von den Anfängen der Psychoanalyse zur Anwendung der Individualpsychologie München 1983, ISBN 3-497-00992-X
  • Irmgard Fuchs: Carl Furtmüller - ein Politiker im Dienste der Jugend in: Gestalten um Alfred Adler - Pioniere der Individualpsychologie, Hrsg. Alfred Lévy u. Gerald Mackenthun, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2156-8

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Liste der Biografien/Fu — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Kraftwerk Tušimice — Kadaň …   Deutsch Wikipedia

  • Österreichische Schulreform — Die Wiener Schulreform umfasst die sozialdemokratische Schulreform in Österreich von 1919 bis 1920 und ihre Weiterentwicklung im Roten Wien bis 1934. Die Wiener Schulreform gilt als eines der wichtigsten Reformprojekte in der ersten Hälfte des 20 …   Deutsch Wikipedia

  • Österreichischer Verein für Individualpsychologie — Der Österreichische Verein für Individualpsychologie (ÖVIP) wurde 1912 von Alfred Adler gegründet und ist damit eine der ältesten tiefenpsychologischen Vereinigungen. Neben der fachspezifischen Ausbildung zum Individualpsychologischen Analytiker… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Abgeordneten zum Wiener Landtag und Mitglieder des Wiener Gemeinderats (1. Wahlperiode) — Diese Liste umfasst alle Mitglieder des Wiener Gemeinderats in der 1. Wahlperiode von 1919 bis 1923. Vom 10. November 1920 an, dem Tag des In Kraft Tretens des Bundes Verfassungsgesetzes und der Wiener Stadtverfassung, fungierten die Gemeinderäte …   Deutsch Wikipedia

  • Feuerhalle Simmering — Die Feuerhalle Simmering ist ein Krematorium mit angeschlossenem Friedhof im 11. Wiener Gemeindebezirks Simmering. Sie wurde am 17. Dezember 1922 als erstes österreichisches Krematorium eröffnet. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Schottengymnasium — Schulform Allgemeinbildende höhere Schule (Gymnasium) Gründung 1807 Ort Wien …   Deutsch Wikipedia

  • Waldshut-Tiengen — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • 2. August — Der 2. August ist der 214. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 215. in Schaltjahren), somit bleiben noch 151 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Juli · August · September 1 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Austrian Labor Committee — Das Austrian Labor Committee (ALC) wurde Ende März 1942 unter der Führung von Friedrich Adler ins Leben gerufen, um nach der Auflösung der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES) und dem Kriegseintritt der USA die Interessen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”