- Kerze
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Kerzen dienten früher, neben Fackeln, Öl- und Talglampen, als Lampen für die Lichterzeugung und Beleuchtung. Kerzen werden heute noch in der Kirche, zu Hause oder bei Festen verwendet, um eine entspannte oder feierliche Atmosphäre zu schaffen.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau und Funktionsweise
Ein saugfähiger Docht, meist aus geflochtenen Baumwollfäden, ist umgeben von Wachs oder einem ähnlichen Brennstoff, der bei niedriger Temperatur schmilzt (typisch sind etwa 60 °C; der Docht schmilzt dabei nicht). Nach Anzünden des Dochts schmilzt das Wachs. Durch die Kapillarwirkung des Dochts wird Wachs in die Flamme transportiert, wo es verdampft, um dann in Gegenwart von Sauerstoff zu verbrennen. Die Konvektion, das heißt das Aufsteigen der warmen Verbrennungsgase, versorgt die Flamme mit unverbrauchter Luft und gibt der Kerzenflamme die charakteristische langgestreckte Form. Die Kerze erlischt, wenn der Sauerstoffgehalt unter etwa 16 %[1] sinkt.
Wird der Docht zu lang, beginnt die Kerze zu rußen. Der Grund ist die unvollständige Verbrennung des Wachsdampfes. Moderne Kerzen enthalten deshalb einen asymmetrisch geflochtenen Docht mit Spannfäden. Dadurch neigt er sich beim Brennen zur Seite und tritt aus der Flamme aus. Hier kommt er mit Sauerstoff in Berührung und kann verglühen (siehe glühende Dochtspitze im Bild). Früher musste zur Vermeidung des Rußens der Docht regelmäßig gekürzt („geschneuzt“) werden. Zum Abtrennen der sogenannten Schnuppe gibt es spezielle Dochtscheren.
In einer Stunde verbrennt eine Kerze etwa 3 bis 8 g Wachs. Sie erzeugt eine Heizleistung von 38 bis 100 W. Die Lichtausbeute beträgt 0,1-0,2 lm/W.
Flamme
Die Verbrennungszonen einer Kerzenflamme zeigt die Abbildung rechts. Die heißesten Bereiche liegen außerhalb der gelbleuchtenden Flamme und tragen nicht zur Lichterzeugung bei. Die Erklärung dafür liefert das Kirchhoffsche Strahlungsgesetz, das einen Zusammenhang zwischen Strahlungsemission und Absorption eines Körpers herstellt.
Sauerstoff und andere beteiligte Gase sind nahezu farblos, weshalb sie auch bei Temperaturen von 1400 °C kein Licht aussenden. Schwarze Rußteilchen in der Flamme leuchten intensiv (schwarzer Körper).
In Zone 1 wird das Wachs verdampft und lediglich teilweise verbrannt, da Sauerstoff von außen nicht genügend schnell hinein diffundiert. Die Temperatur liegt hier bei etwa 600 bis 800 °C und steigt in Zone 2 auf 1000 °C. Die bläuliche Farbe entsteht durch Strahlungsübergänge angeregter Moleküle der Verbrennungsgase. In Zone 3 (Glühzone) wird das vor allem aus Kohlenwasserstoffketten bestehende Wachs durch den Verbrennungsprozess zerlegt. Dieser wandelt den Kohlenstoff der Kohlenwasserstoffketten in Kohlenstoffdioxid und den Wasserstoff in Wasserdampf um. Durch einen unvollständig ablaufenden Verbrennungsprozess lagert sich Kohlenstoff zu Rußteilchen zusammen, die bei 1200 °C glühen und dadurch das helle Leuchten erzeugen. Die Zone 4, die Flammenoberfläche, ist die aktivste Zone der Kerze. Die brennbaren Bestandteile aus dem Wachs finden genügend Sauerstoff für die vollständige Verbrennung und erzeugen hier Temperaturen von bis zu 1400 °C.
Bläst man eine Kerze aus, steigen Paraffin- bzw. Wachsdämpfe auf. Sie lassen sich entzünden und können die Kerze wieder zum Brennen bringen. Diese sogenannte Rauchdurchzündung ist bei einer Kerze harmlos, nicht aber, wenn es sich um größere Brände in einem Raum handelt.
In der Schwerelosigkeit brennt eine Kerze mit einer kugelförmigen Flamme. Die Verbrennungsrate ist gering, da der Sauerstoff nur über Diffusion zur Flammzone vordringen kann. Es bildet sich kein Ruß, dafür lässt sich das bläuliche Licht der angeregten Verbrennungsgase beobachten.
Materialien
Als Brennstoff diente früher Bienenwachs, heute meist Stearin oder Paraffin mit einem Schmelzpunkt um 60 °C.
Stearin wird seit 1811 meist zu etwa 80 bis 100 % aus pflanzlichen Fetten (Palmfett oder Kokosfett) hergestellt. Der Restanteil sind tierische Fette (Rindertalg oder sonstige Fette). Paraffin wird seit etwa 1830 aus Erdöl gewonnen.
Ozokerit, ein bergmännisch abgebautes Mineral aus der Ordnung der Harze, wurde bereits vor der Entdeckung des Paraffins unter anderem an der Moldau zur Herstellung von Kerzen verwendet. Durch Zugabe von 6 bis 10 % Schwefelsäure (welche nicht im Produkt verbleibt) erhält man das hellgelbe Ceresin.
Herstellung
Kerzen werden hergestellt durch Kneten, Ziehen, Pressen, Gießen oder Wickeln.
- Das Kneten ist eine der ältesten Herstellungsmethoden für Wachskerzen, dabei wird das Bienenwachs mit den Fingern um den Docht geknetet und die Kerze durch anschließendes Rollen auf einer glatten Oberfläche in Form gebracht.[2]
- Beim Ziehverfahren wird ein Dochtstrang so oft durch flüssiges Wachs gezogen, bis die gewünschte Dicke (bis zu 8 cm) erreicht ist. Nach dieser Methode ist der Beruf des Kerzenziehers benannt.
- Auch durch einfaches Hineinhängen der an einer Aufhängung befestigten Dochte lassen sich Kerzen herstellen, deren Dicke aber nicht so gleichmäßig wird wie beim Ziehen.
- Sehr preisgünstige Kerzen, Teelichte und Grablichter werden mit Kerzenpressen hergestellt, die gekörntes Paraffin in die gewünschte Form drücken.
- Für höherwertige Kerzen mit besonderen Formen und Verzierungen wird eine Form mit flüssigem Wachs gefüllt. Eine weitere Möglichkeit ist, eine angewärmte rechteckige Wachsplatte mit einseitigem Reliefprofil auf einen glatten Kerzenkern zu kleben.
- Eine weitere Gießmethode ist das wiederholte Übergießen des frei hängenden Dochtes. Mit jedem Gießvorgang entsteht wie beim Ziehen eine zusätzliche Wachsschicht. Diese aufwändige Gießmethode wird nur noch in wenigen Manufakturen angewandt.
- Insbesondere zur Erstellung von Bienenwachskerzen bietet sich die Wickelmethode an, da Bienenwachs aus dem Imkereibedarf in Wabenplatten erhältlich ist. Dabei werden die erwärmten Wachsplatten um den Docht gewickelt.
- Für schwarze Kerzen wird Paraffin mit „Elefantenläusen“ (Anacardiumschalen) schwarz gefärbt.
- Auch um die Verarbeitung und Verzierung von Rohkerzen hat sich eine Art Kunsthandwerk gebildet, mit regelrechten Skulpturen aus Wachs und Paraffin.
In Deutschland wurden 2003 etwa 132.000 Tonnen Kerzen hergestellt.
Kerzenindustrie
Das Geschäft mit Kerzen ist stark saisonabhängig. Ungefähr 35 Prozent der Kerzenkäufe werden in der Weihnachtszeit getätigt, und auch zu Ostern sind Kerzen sehr beliebt. Da die Produktion in vielen Unternehmen ganzjährig läuft, ist eine genaue Produktionsplanung und umfangreiche Lagerhaltung nötig, was die Liquidität der produzierenden Unternehmen belastet. Die Produktionsmethoden unterliegen keinem wesentlichen technologischen Fortschritt, sodass regelmäßige Neuinvestitionen in Maschinen nicht notwendig werden. Die hohen Anschaffungskosten der teilweise sehr großen Maschinen stellen eine wesentliche Markteintrittsbarriere dar.
Aufgrund schlechter Auftragslage mussten in der letzten Zeit einige renommierte Unternehmen der Branche Insolvenz anmelden, so im September 2006 das überregional insbesondere für seine individuell gestalteten Kerzen bekannte Unternehmen "Kontraste" [3].
2006 wurden in Deutschland von mehr als 40 Herstellern mehr als 100.000 Tonnen Kerzen produziert. Ein fast ebenso großes und stetig steigendes Volumen wird aus dem asiatischen Raum importiert.[4] Um diesen Importen entgegenzuwirken und die europäische Kerzenindustrie zu unterstützen, hat die EU Mitte Mai 2009 Strafzölle für Kerzen aus China eingeführt.
Geschichte
Öllampen und Talglampen waren die Vorgänger der Kerzen. Als Sonderform kamen ab dem Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. Wachsfackeln auf. Wohl seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. verwendeten die Römer niedrige Talg-, Pech- und Wachskerzen. Die Griechen hatten Kerzen vorher offenbar gar nicht gekannt. Vor allem der Bedarf der christlichen Kirche führte dazu, dass Bienenwachs als Kerzenrohstoff zu einem wichtigen Handelsgut des Mittelalters wurde. Außerhalb der Kirchen und Adelshäuser wurden Kienspäne oder Kerzen aus minderwertigem Talg verwendet, so genannte Unschlittkerzen, in Nordwesteuropa auch die Binsenlichter. Das zur Herstellung der Unschlittkerzen benötigte Fett wurde aus Rinderfettgewebe oder Hammeltalg gewonnen. Dementsprechend rochen und rußten Unschlittkerzen stark. Bei allen Kerzen aus diesen Brennstoffen musste der Docht regelmäßig „geschneuzt“ (gekürzt) werden, um Rußen und Tropfen zu vermeiden.
Seit 1061 ist aus Frankreich eine Innung der Lichtzieher bekannt, im 14. Jahrhundert eine Innung der Kerzengießer in Hamburg. Zwei Kerzenhändlergesellschaften gab es seit dem späten Mittelalter in London, die Wachskerzenhändler und die Talgkerzenhändler.
Talgkerzen wurden im 17. Jahrhundert mit Arsenik geweißt. Erst ab 1725 gab es mit dem Walrat einen von sich aus weißen Kerzengrundstoff, der vornehmlich für Luxuskerzen benutzt wurde.
Henri Braconnot und Simonin sowie Manjot erzeugten 1818 bzw. 1820 erste Stearin-Kerzen. De Milly führte ab 1831 eine Reihe von Verbesserungen ein wie das Tränken der Dochte mit Salzlösungen, die Vermeidung der Kristallisation der Stearinsäure, das Pressen und Gießen der Kerzen (Millykerzen). Kurz nach der Erfindung von Paraffin wurden nach ersten Versuchen 1839 von Seligue in Paris und von Young in Manchester (England) Kerzen hergestellt.
Religion und Brauchtum
Das Anzünden einer Kerze ist in den religiösen Vorstellungen vieler Kulturen bedeutsam. Eine brennende Kerze symbolisiert die Seele, die im dunklen Reich des Todes leuchtet. Die Altarkerzen, das Anzünden der Osterkerze symbolisieren im Christentum die Auferstehung, d.h. Jesu Triumph über den Tod, oder auch Jesus, der als Licht in die Welt kommt und ihre Dunkelheit erhellt. In der katholischen Messliturgie spielt die Wandlungskerze eine Rolle.
In nordischen und germanischen Kulturen kam dem Anzünden der Julkerze einige Tage vor der Wintersonnenwende zum Julfest eine vergleichbare Bedeutung zu: Sie sollte die Sonne ermutigen, die Dunkelheit zu besiegen und zurückzukehren. Dieser ehemals nordische Brauch lebt heute im Anzünden der mit einer christlichen Bedeutung versehenen Advents- und Weihnachtskerzen weiter.
Auf Gräbern werden zur Erinnerung an die Verstorbenen vor allem zu Allerheiligen Grablichter aufgestellt.
Probleme und Gefahren im Umgang mit Kerzen
Der Umgang mit Kerzenflammen birgt verschiedene Probleme und Gefahren, da es sich bei einer Kerzenflamme um offenes Feuer handelt, das bei nachlässigem Gebrauch einen Brand auslösen kann. Es gibt daher folgende Warnhinweise für den Umgang mit brennenden Kerzen:
- Die Kerze nie unbeaufsichtigt lassen.
- Die Kerze nie bei offenem Fenster und nie in der Nähe leicht brennbarer Gegenstände (zum Beispiel Gardinen) brennen lassen.
- Die Kerze muss senkrecht stehen, am besten in einem geeigneten Gefäß.
- Die Kerze von Kindern oder Haustieren fernhalten.
- Brennende Kerzen müssen mindestens zehn Zentimeter auseinanderstehen.
- Der Docht darf maximal einen Zentimeter herausstehen.
- Die Kerze vor Wärme (zum Beispiel Heizung) und Sonnenlicht schützen.
- Die Kerze nie ausblasen, sondern mit einem Kerzenlöscher löschen.
- Die Kerze immer auf einen nicht brennbaren Teller stellen.
Bezeichnung
Im Mittelalter wurden Kerzen einfach mit dem Wort „Licht“ bezeichnet. Den Begriff Kerze gab es dafür noch nicht. Daher hat auch das Teelicht (Plural: Teelichte oder Teelichter) seinen Namen.
Zubehör
Kerzen werden meist in Kerzenständern oder Laternen befestigt.
Zum sicheren Löschen der Flamme dienen Kerzenlöscher (auch Löschhütchen genannt).
Zur früher notwendigen Dochtpflege wurden Dochtscheren (auch Lichtputzscheren oder Dochtzangen genannt) verwendet, die ebenfalls zum Löschen der Flamme geeignet waren.
Quellen
- ↑ Experimente für den Chemieunterricht: Brennende Kerze im abgeschlossenen Luftraum
- ↑ Peter Paulsen: Lichter und Leuchter. In: Die Holzfunde aus dem Gräberfeld bei Oberflacht. Theiss, Stuttgart 1992. S. 130-135.
- ↑ Kerzenhersteller »Kontraste« meldet Insolvenz an (Giessener Allgemeine Zeitung), abgerufen am 16. Juni 2009
- ↑ Jetzt werden auch Kerzen noch teurer (welt.de), abgerufen am 16. Juni 2009
Literatur
- Eva Blandine: Kerzenlicht. Kontakt, Zürich 1966.
- Hannelore Dittmar-Ilgen: Vom Zauber der Flamme: Kerzen physikalisch betrachtet. In: Wie das Salz ins Meerwasser kommt... Hirzel, Stuttgart, ISBN 3-7776-1315-0, S. 89
- Alwin Engelhardt: Handbuch der praktischen Kerzen-Fabrikation. (= Chemisch-technische Bibliothek; 150). Hartleben, Wien 1887 (2. neu bearb. Auflage von Albert Ganswindt: Hartleben, Wien 1920)
- Willy Hacker (Hrsg.): Handbuch der Kerzenfabrikation. (= Chemikalien-Markt-Bibliothek). Bohlmann, Meißen 1920
- Jutta Matz, Heinrich Mehl (Hrsg.): Vom Kienspan zum Laserstrahl. Zur Geschichte der Beleuchtung von der Antike bis heute. Husum, Husum 2000, ISBN 3-88042-968-5
- August Mau: Candela. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,2, Stuttgart 1899, Sp. 1460–1461.
- Katrin Seidel: Die Kerze: Motivgeschichte und Ikonologie. Georg Olms Verlag, Hildesheim 1996. ISBN 3-487-10193-9
- Michael Faraday: Naturgeschichte einer Kerze. Mit einer Einleitung und Biografie von Peter Buck. Didaktischer Dienst Franzbecker, Hildesheim 1980 (Originaltitel: The Chemical History of a Candle), ISBN 3-88120-010-4, S. 50ff (Englische Online-Version Erste Vorlesung bei Zeit online, abgerufen am 1. August 2010).
Weblinks
Commons: Kerze – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienWiktionary: Kerze – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenWikiquote: Kerze – Zitate
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