- Ketogene Diät
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Die ketogene Diät ist eine kohlenhydratlimitierte, protein- und kalorienbilanzierte und deshalb fettreiche Form der diätetischen Ernährung, die den Hungerstoffwechsel in bestimmten Aspekten imitiert. In dieser Ernährungsform bezieht der Körper seinen Energiebedarf nicht mehr aus Fett und Glukose sondern nur noch aus Fett und daraus im Körper aufgebauten Glukoseersatz, den namensgebenden Ketonkörpern. Eine ketogene Diät wird als Therapieverfahren vor allem bei Kindern mit pharmakoresistenter Epilepsie, Glukosetransporterstörung (beispielsweise GLUT1-Defizit-Syndrom) und Pyruvatdehydrogenasemangel eingesetzt. Sie muss individuell berechnet und ärztlich überwacht werden. Eine nicht medizinisch induzierte Sonderform der ketogenen Diät sind so genannte Low-Carb-Diäten wie die Atkins-Diät.
Inhaltsverzeichnis
Wirkung
Proteine können im Stoffwechsel ca. zu 50% und Fette nur zu ca. 10% (nämlich ihr Glycerinanteil) wie die verschiedenen Kohlenhydrate zu Glucose umgebaut werden, um den Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten und so vor allem das Gehirn mit Energie zu versorgen. Im Hungerzustand greift der Körper zunächst auf seine Glykogenvorräte (eine Speicherform der Kohlenhydrate) zurück und stellt sich dann zunehmend auf einen Hungerstoffwechsel um. Dieser ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass Fettsäuren in der Leber zu Ketonkörpern abgebaut werden, die dann den Energiebedarf, vor allem auch des Gehirns (welches ansonsten auf Glukose als einzige Energiequelle angewiesen ist), auf alternative Weise effizient decken sollen. Der angestrebte Zustand heißt Ketose.
Indikationen
Neben Patienten mit einer Glukosetransporterstörung oder einem Pyruvatdehydrogenasemangel kann bei Patienten mit Epilepsie, bei denen bisher mehr als zwei antikonvulsive Medikamente nicht ausreichend gewirkt haben und bei denen ein epilepsiechirurgischer Eingriff nicht in Frage kommt, der Einsatz der ketogenen Diät überlegt werden. Sie kann bei unterschiedlichen Anfallsformen, Epilepsieursachen und Altersbereichen bis zum Jugendalter angewandt werden, scheint jedoch jenseits des etwa 8. bis 12. Lebensjahres an Wirksamkeit zu verlieren und schwieriger durchführbar zu sein. Bei Säuglingen unter einem Jahr ist sie ebenso anwendbar, wie bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres. Gute Einzelfallerfahrungen gibt es bei der Behandlung des Rett-Syndroms, des Landau-Kleffner-Syndroms und des Ohtahara-Syndroms.
Nach Kaliumbromid (1857) und Phenobarbital (1910) wurde die ketogene Diät erstmals 1921 gezielt als damals dritte antikonvulsive Therapieoption eingeführt. Man hatte beobachtet, dass Hungern bei vielen Epilepsiepatienten günstig auf die Anfallssituation wirkt und versuchte, den Zustand des Kohlenhydratmangels beim Hungern mit genügender Fett- und Proteinzufuhr zu kombinieren.
Berechnung, Durchführung
Für eine ketogene Diät wird der Energiebedarf (30-80 kcal/kg je nach Alter und Energieumsatz) und der Proteinbedarf (0,7-2 g/kg je nach Alter) berechnet und dann die sogenannte „ketogene Ratio“ (typischerweise 3 - 4,5 : 1) festgelegt. Die ketogene Ratio bestimmt das Gewichtsverhältnis von Fett zu Kohlenhydraten + Proteinen. Eine ketogene Ratio von 4:1 beispielsweise bedeutet, dass die Nahrung zu 80% Gewichtsanteilen aus Fetten bestehen muss. In den restlichen 20% Gewichtsanteilen muss eine den Bedarf deckende Proteinmenge untergebracht werden. Dementsprechend dürfen Kohlenhydrate nur in minimalen Mengen aufgenommen werden, um eine wirksame Ketose aufrechtzuerhalten. Eine Ketose infolge eines willkürlich herbeigeführten Kohlenhydratmangels wird durch die Zufuhr geringer überzähliger Kohlenhydratmengen innerhalb kurzer Zeit durchbrochen, was wieder zu vermehrten Anfällen führen kann. Dieses strenge Diätregime erfordert eine sorgfältige Indikationsstellung, einige Detailkenntnisse und eine enge Zusammenarbeit zwischen Behandlungsteam und Patienten, ihren Bezugspersonen (z. B. Eltern) und ihrem sozialen Umfeld. Die Diätverschreibung muss vom Arzt wiederholt an den Verlauf und den daraus erkennbaren Bedarf angepasst werden. Die sachgerechte Durchführung der Diät muss über die Urin- und/oder Blutketose (ähnlich wie bei der Blutzuckerüberwachung bei Diabetikern) überwacht werden.
MCT basierte ketogene Diät
In den 1960ern wurde entdeckt, dass mittelangkettige Triglyzeride (engl.: MCTs) mehr Ketonkörper, und damit Energie, pro Einheit im Körper erzeugen, als die überwiegend langkettigen Triglyzeride normaler Essensfette.[1] MCTs werden auch effizienter absorbiert und schneller in die Leber über die (Leber-)Pfortader anstelle des Lymphatischen Systems transportiert.[2] Vorteil für Patienten einer ketogenen Diät ist die Möglichkeit den Volumenanteil der Kohlenhydrate etwas zu erhöhen, um besser schmeckende und damit besser akzeptierte Gerichte verwenden zu können. Über Magen- und Darmprobleme wird teilweise jedoch berichtet. In einigen amerikanischen Kliniken ersetzt die MCT Diät die klassische ketogene Diät, wobei manche auch eher eine Mischung aus beiden einsetzen.[3]
Nebenwirkungen
Vorübergehende Nebenwirkungen sind vor allem Verdauungs- bzw. Stuhlgangsprobleme. Ferner kommt manchmal vermehrt Müdigkeit vor allem in den ersten zwei Wochen der Stoffwechselumstellung vor, während danach häufig eine bessere Wachheit folgt. Zudem kommen vor: Nahrungsverweigerung oder Hunger und damit zusammenhängende psychische Probleme, Hypercholesterinämie (schlüssige Langzeitstudien zu dieser Nebenwirkung existieren nicht, eine ketogene Diät ist aber nicht mit einer „Fettmast“ gleich zu setzen, da die Kalorien limitiert sind). Selten bis sehr selten sind gehäufte Infekte, Thrombozytenfunktionsstörungen mit Blutungsneigung, Hypocalciämie und Herzrhythmusstörungen (demaskiertes Long-QT-Syndrom). Gelegentlich kommen Nierensteine vor (regelmäßige Prüfung über den Urinstix auf Blut). Bestimmte unerkannte seltene Stoffwechselstörungen (v.a. Defekte der Ketolyse und Ketogenese, Fettabbausstörungen, Carnitinmangel-Syndrome etc.) können in der Anfangsphase der ketogenen Diät plötzlich und u. U. lebensbedrohlich dekompensieren, weshalb hier eine sachkundige Vordiagnostik / Anamnese und (stationäre) Überwachung des Beginnes notwendig ist. Insgesamt ist das Nebenwirkungsprofil etwas günstiger als bei einer intensiven pharmakologischen antikonvulsiven Therapie.
Gemäß einer Langzeitstudie des Johns Hopkins Children's Center führt eine langfristige ketogene Ernährung zu keinen negativen gesundheitlichen Nebenwirkungen wie Herz-, Kreislauf-, Leber- oder Nierenproblemen.[4]
Einzelnachweise
- ↑ a b PR Huttenlocher, AJ Wilbourn, JM Signore: Medium-chain triglycerides as a therapy for intractable childhood epilepsy. In: Neurology. Hagerstown Md 21.1971,11(Nov), 1097–1103. PMID 5166216 ISSN 0028-3878
- ↑ EG Neal, H Chaffe, RH Schwartz, MS Lawson, N Edwards u.a.: The ketogenic diet for the treatment of childhood epilepsy, a randomised controlled trial. In: The Lancet. Neurology. Oxford 7.2008,6(Jun), 500–506. doi:10.1016/S1474-4422(08)70092-9. PMID 18456557 ISSN 1474-4422
- ↑ JW. Wheless: History and origin of the ketogenic diet. In: Carl Ernest Stafstrom, Jong M Rho: Epilepsy and the ketogenic diet. Humana Press, Totowa 2004. ISBN 1-58829-295-9
- ↑ "Despite its temporary side effects, we have always suspected that the ketogenic diet is relatively safe long term, and we now have proof." In: High-Fat Ketogenic Diet to Control Seizures Is Safe Over Long Term, Study Suggests. In: SienceDaily.com. Johns Hopkins Medical Institutions, 17. Februar 2010, abgerufen am 4. März 2011 (englisch).
Literatur
- F.A.M. Baumeister: Ketogene Diät – Ernährung als Therapiestrategie. SPS-Verlagsgesellschaft, Heilbronn 2004. ISBN 3-936145-19-9
- Jhon M. Freeman, Jennifer B. Freeman, Millicent T. Kelly: The ketogenic diet. A treatment for epilepsy. 3. Aufl. Demos, New York 2000. ISBN 1-88879-939-0
Weblinks
- Infos der DGE zur Ketogenen Diät
- Leitlinien zur Anwendung der ketogenen Diät im Kindesalter
- Infos der Uniklinik Freiburg
- Lefevre F, Aronson N (2000) Ketogenic diet for the treatment of refractory epilepsy in children: A systematic review of efficacy. Pediatrics 105:E46
- Ketogenic Diet Meal Planner The Ketogenic Diet Meal Planner of the Lucile Packard Children's Hospital at Stanford University Medical Center.
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