Klavikulafraktur

Klavikulafraktur
Klassifikation nach ICD-10
S42.0 Fraktur der Klavikula
ICD-10 online (WHO-Version 2011)
Tangentiale (zirka 30–45° von schräg unten) Röntgenaufnahme einer Fraktur im mittleren Bereich der Klavikula
Fraktur im mittleren Bereich der Klavikula

Die Klavikulafraktur − eingedeutscht von lat. fractura claviculae (Fraktur des Schlüsselbeines, Schlüsselbeinbruch) − ist nach dem Bruch der Speiche der zweithäufigste Knochenbruch des Erwachsenen. Sie entsteht bei einem Sturz auf die Schulter, bei direkter oft nur geringer Gewalteinwirkung auf das Schlüsselbein oder – aber weitaus seltener als man früher dachte – bei einem Sturz auf den ausgestreckten Arm. Seltene Komplikationen sind Gefäß- oder Nervenverletzungen.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Am häufigsten tritt diese Form des Knochenbruchs bei Neugeborenen, auch schon bei schwierigen Geburten, und Kindern (etwa die Hälfte aller Claviculafrakturen) und Jugendlichen oder allgemein bei der Ausübung von körperkontaktbetonten Sportarten auf, zusätzlich bei Sportarten wie Ski-, Snowboardfahren, Radfahren und Reiten. Beim Motorradfahren kann bei einem Sturz das Schlüsselbein vom unteren Helmrand gebrochen werden.

Die Klavikulafrakturen und ihre Häufigkeiten[1]:

  • medial, im mittleren Teil, zirka 80 %
  • acromial bzw. lateral, am Schulterende, zirka 15 %
  • sternal, am brustbeinnahen Ende, zirka 5 %

Symptome

Das erste Symptom des Schlüsselbeinsbruchs ist eine sicht- und tastbare Schwellung oder Stufenbildung im Verlauf des Knochens, eine scheinbare Verlängerung des Armes und Veränderungen der Kopfhaltung. Außerdem spürt der Betroffene einen Druck- und Bewegungsschmerz. Der Patient legt automatisch den Oberarm in Schonhaltung an, wodurch die Schulter deutlich nach vorne neigt.

Selten kommt es zu einer offenen Verletzung durch eine Hautdurchspießung.

Bei derartigen Knochenbrüchen sind manchmal Nerven und Gefäße verletzt, wodurch ein großer sichtbarer Bluterguss entsteht.

Diagnose

Häufig ergibt sich schon bei der klinischen Untersuchung die Diagnose durch lokale Schwellung, Druckschmerz, tastbare Knochenenden unter der Haut oder Knochenreiben (Krepitation). Die Diagnose wird durch eine Röntgenuntersuchung bestätigt.

Behandlung

In einem altägyptischen Papyrus ist die Auseinanderstreckung der Schulter in Rückenlage mit unterlegten Schulterblättern als Therapie einer Klavikulafraktur beschrieben. [2] Hippokrates beschrieb die heute als konservativ bezeichnete Behandlung, die Ruhigstellung. [3]

Den Vorgänger des heutigen Rucksackverbandes, mit nach neueren Untersuchungen umstrittener Wirkung, beschrieb Lucas Championnière um 1860 herum. Mit Aufkommen der Gipsverbände wurden auch die Schlüsselbeinbrüche mit aufwändigen Verbänden immobilisiert. Die operative Behandlung breitete sich seit den 1960er Jahren aus.

Konservative Behandlung

Meist genügt es für vier bis sechs Wochen (bei Kindern drei bis vier Wochen) einen Rucksackverband (Claviculabandage) anzulegen, welcher zur Entlastung der Bruchenden die Schultern nach hinten zieht, eine gerade Rückenhaltung erzwingt, und damit ein verkürztes Zusammenwachsen des Schlüsselbeins verhindern soll.

In dieser Zeit ist es ratsam, körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Vielfach ist der Patient auf jemanden angewiesen, der ihm bei alltäglichen Dingen wie Brot schneiden oder Hemd bzw. Jacke an- und ausziehen hilft, da er durch die Schmerzen und den Rucksackverband stark in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.

Beim Tragen des Rucksackverbands können Nerven oder Blutgefäße abgedrückt werden, was ein Anschwellen oder eine temporäre Taubheit von Teilen oder des gesamten Arms zur Folge haben kann. Diese Beschwerden sollten durch eine leichte Lockerung des Verbandes gelöst werden.

Neuere Untersuchungen belegen keine Unterschiede unter den Methoden der Ruhigstellung – je nach Fraktur entweder ohne Hilfsmittel oder mit Rucksackverband oder Schlinge, die vor allem bei lateralen Brüchen angewendet wird.

Etwa 90 % der Klavikulafrakturen heilen problemlos unter konservativer Therapie aus.[4] Circa 4 % der konservativ behandelten Frakturen wachsen nicht oder nicht vollständig („Falschgelenk“) zusammen, davon etwa zur Hälfte bei den lateralen Frakturen. Bei nicht oder nur teilweise zusammengewachsenen Brüchen wird bei schweren Beschwerden eine Operation notwendig.

Operative Behandlung

Plattenosteosynthese rechte Clavicula

Eine Operation ist auch heute nur bei komplizierten Brüchen notwendig, wenn die Gefahr besteht, dass die Bruchstücke nicht gut zusammenwachsen würden und/oder wenn die Bruchstücke verschoben sind, so dass der geheilte Knochen verkürzt oder nicht zusammenwachsen würde, oder dass die scharfkantigen Bruchstücke die Haut durchspießen. Außerdem ist sie angezeigt bei Gefäß- oder Nervenverletzungen. Sie folgt auch einer nicht erfolgreichen konservativen Behandlung.

Bei komplizierten Schlüsselbeinbrüchen, die operiert werden müssen, dauert die Heilung notwendigerweise länger, selten mehrere Monate. Andererseits führt die operative Behandlung in solchen begründeten Fällen zu sicheren Resultaten als eine rein konservative Behandlung mit einem Rucksackverband oder einer Armschlinge.

Die operative Behandlung der Klavikulafraktur, eine Osteosynthese, erfolgt unter einer Vollnarkose, da keine geeignete Regionalanästhesie zur Verfügung steht. Eine Vollnarkose birgt naturgemäß ein weiteres, aber in der Regel nur kleines gesundheitliches Risiko in sich.

Platten, Drähte

Bei diesen häufig angewendeten Operationsmethoden wird der Bruch mit Platten und Schrauben oder Drähten stabilisiert. Die Platten, oder auch Drähte, werden nach sechs bis achtzehn Monaten in einer weiteren Operation bei jüngeren Patienten entfernt. Wenn sie nicht stören, können sie aber auch im Körper belassen werden.

Prevot-Nagelung

Als eine neuere Operationsmethode der Klavikulafraktur wird in Deutschland seit zirka 2003 die Prévot-Nagelung – ESIN (englisch: elastic-stable intramedullary nailing), auch TEN (englisch: titanic elastic nail), genannt neben anderen Nägeln, z. B. Hagie-, Rockwood-Nägel in UK, Steinman-Nägel in USA – bei Frakturen vor allem im mittleren Teil der Klavikula erprobt. Über einen kleinen Hautschnitt wird dieser kleine elastische Nagel aus Titan entweder von dem Brustbein oder dem Schultereckgelenk aus in den Knochen eingebracht und nach Einrichten des Bruches innerhalb des Schlüsselbeins vorgeschoben. Durch seine Größe (ca. 2 bis 3,5 mm dick) und Elastizität passt er sich der Form des Knochens an und verklemmt sich dadurch. Diese Operationsmethode sollte innerhalb der ersten zwei Wochen nach dem Bruch eingesetzt werden, da danach die knöchernen Anlagerungen an den Bruchenden zu weit fortgeschritten sind und eine offene Einrichtung nötig ist. Der Vorteil dieser Methode gegenüber einer Plattenfixation sind kleinere Hautschnitte, ein schnellerer Schmerzrückgang und eine Entfernung des Nagels nach etwa drei Monaten in örtlicher Betäubung.

Einzelnachweise

  1. Quelle: Diagnostische und interventionelle Radiologie, Thomas J. Vogl, Wolfgang Reith, Ernst J Rummeny, 2009
  2. [1]
  3. [2]
  4. A. Klonz u. a.: Klavikulafrakturen. In: Der Unfallchirurg 104, 2001, S. 70–81. doi:10.1007/s001130050691

Ficklscherer, A. BASICS Orthopädie & Unfallchirurgie, Elsevier, 2008, ISBN 978-3437422072

Weblinks

 Commons: Klavikulafraktur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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