Androzentrik

Androzentrik

Unter Androzentrismus wird eine Sichtweise verstanden, die Männer als Zentrum, Maßstab und Norm versteht. Androzentrismus kann also als eine gesellschaftliche Fixierung auf den Mann oder das „Männliche“ verstanden werden. Ein androzentrisches Weltbild versteht den Mann als die Norm, die Frau als Abweichung von dieser Norm.

Androzentrismus ist eine spezifische Form von Sexismus, in der das Weibliche nicht zwangsläufig als minderwertig bezeichnet, sondern einfach als „das Andere“, „das von der Norm abweichende“ gefasst wird. Stillschweigend wird dabei Mensch als Mann und die männliche Sicht der Dinge als die Allgemeingültige gesetzt.

Der Begriff Androzentrismus wurde 1911 in diesem Sinne erstmals von Charlotte Perkins Gilman in ihrem Buch „The Man-Made World or Our Androcentric Culture“ verwendet und definiert. Laut Perkins Gilman haben männliche Lebensmuster und Denksysteme den Anspruch der Universalität, d.h. Allgemeingültigkeit, während weibliche Lebensmuster und Denksysteme als Devianz, d.h. Abweichung gelten. Da die Gleichsetzung von Mensch mit Mann weitgehend unbewusst geschieht, ist Androzentrismus nur schwer zu erkennen und sehr oft auch von Frauen tief verinnerlicht.

Androzentrische Sichtweisen können z.B. auch die Ausformung religiöser Aussagen beeinflussen und sich so selbst legitimieren und gegen Kritik immunisieren.

Androzentrismus in der Wissenschaft

Breite Verwendung fand der Begriff Androzentrismus in der Wissenschaftskritik der achtziger Jahre. Einzelne Themen wurden nicht mehr nur aus feministischer Sicht hinterfragt, sondern die Wissenschaften als Gesamtheit wurde kritisch analysiert. In vier Punkten wurde dem Wissenschaftsbetrieb Androzentrismus vorgeworfen:

  • Durch den späten Zugang zu den Universitäten und zum Wissenschaftsbetrieb sei die weibliche Beteiligung insbesondere an der Grundlagenforschung marginal.
  • Der dadurch automatisch vorherrschende Androzentrismus führe dazu, dass die zu untersuchenden Problemstellungen einseitig ausgewählt und definiert würden. Dadurch sei Wissenschaft nicht universell.
  • Wissenschaftliche Experimente basierten daher auf einseitig gewählten Faktoren.
  • Aufgrund der drei vorhergegangenen Punkte müsse die Objektivität und Rationalität der Wissenschaften infrage gestellt werden, denn auch in den grundlegenden Prinzipien der Wissenschaften seien ausschließlich männliche Sichtweisen und Voreingenommenheiten vertreten.

Diese Art der feministischen Wissenschaftskritik geht weit über die in den 1960er Jahren auftauchende feministische Wissenschaft hinaus, da sie nicht versucht, eine neue Art der Wissenschaft zu etablieren, sondern die herkömmlichen Wissenschaften in ihren Grundfesten kritisiert und ihnen vorwirft, dem eigenen Anspruch an Neutralität und Universalität nicht gerecht zu werden.

Siehe auch

Literatur

  • Sandra Harding: Feministische Wissenschaftstheorie. Argument Verlag, 1999, ISBN 3886193845
  • Sandra Harding: Das Geschlecht des Wissens. Campus, Frankfurt am Main/New York 1994, ISBN 3593350491
  • Evelyn Fox Keller: Liebe, Macht, Erkenntnis. Carl Hanser, München 1986, ISBN 3446146520
  • Sandra Harding/Merrill B. Hintikka: Discovering Reality. Feminist Perspectives on Epistemology, Metaphysics, Methodology and Philosophy of Science, Synthese Library, Bd. 16, 1983, ISBN 90-277-1496-7

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