Kreisreform Mecklenburg-Vorpommern 2009

Kreisreform Mecklenburg-Vorpommern 2009

Nach Sachsen-Anhalt (2007) und Sachsen (2008) ist Mecklenburg-Vorpommern das dritte östliche Land der Bundesrepublik Deutschland, in dem eine erneute Kreisgebietsreform erörtert wurde und wird, nachdem in diesen drei Ländern bereits 1994 jeweils Kreisgebietsreformen in Kraft getreten waren. Die bisherigen Reformen reichen nach Meinung der betroffenen Politiker und einiger Verwaltungsfachleute jedoch nicht aus, da die Bevölkerung in allen drei Ländern stetig abnimmt.

Inhaltsverzeichnis

Erster Plan einer erneuten Kreisgebietsreform

Beschlussfassung im Dezember 2003

Im Dezember 2003 beschloss die Landesregierung im Zuge einer umfassenden Verwaltungsreform die Neugliederung des Landes in vier bis sechs Landkreise, in denen auch die kreisfreien Städte als große kreisangehörige Städte aufgehen sollten. Mit dem Ziel, die Verwaltung effizienter zu machen, sollten viele Landesaufgaben an die neuen Landkreise abgegeben werden. Daneben sollten aber auch Aufgaben der Landkreise auf die Kommunen übergehen.

Konkrete Planungen

Auswirkungen der ursprünglich geplanten Kreisreform 2009

Die im Folgenden genannten Landkreise, die gemäß der Entscheidung des Landtages am 5. April 2006 spätestens bis zum 1. Oktober 2009 gebildet werden sollten, entsprachen in der Regel den Planungsregionen des Landes.

Es war zu erwarten, dass einzelne Gemeinden aus den bisherigen Kreisen in den jeweiligen benachbarten Großkreis wechseln würden. Besonders evident war dies im nördlichen Teil des Landkreises Demmin, der bis 1952 zum Kreis Grimmen gehörte, v. a. im Amt Peenetal/Loitz. Aber auch die Stadt Jarmen mit Umland und die Kreisstadt Demmin selbst hatten sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie zukünftig zum Großkreis Mecklenburgische Seenplatte oder zum Großkreis Südvorpommern gehören wollten.

Die geplanten fünf Großkreise, die im wesentlichen den Planungsregionen des Landes entsprachen, sollten wie in der folgenden Liste aufgeführt verwirklicht werden:

Geplanter Großkreis Landesteil Kreisstadt Jetzige Kreise und kreisfreie Städte Einwohner
31. Dezember 2006
Fläche
Mecklenburgische Seenplatte Mecklenburg, teils Vorpommern Neubrandenburg Neubrandenburg, Landkreis Müritz, Landkreis Demmin, Landkreis Mecklenburg-Strelitz 234.608 5.809 km²
Mittleres Mecklenburg-Rostock Mecklenburg Rostock Hansestadt Rostock, Landkreis Bad Doberan, Landkreis Güstrow 423.648 3.601 km²
Westmecklenburg Mecklenburg Schwerin Landeshauptstadt Schwerin, Hansestadt Wismar, Landkreis Nordwestmecklenburg, Landkreis Parchim, Landkreis Ludwigslust 489.413 6.997 km²
Nordvorpommern-Rügen Vorpommern, teils Mecklenburg Stralsund Hansestadt Stralsund, Landkreis Nordvorpommern, Landkreis Rügen 239.653 3.182 km²
Südvorpommern Vorpommern Anklam Hansestadt Greifswald, Landkreis Ostvorpommern, Landkreis Uecker-Randow 238.915 3.584 km²

Gerichtsentscheidung

Am 26. Juli 2007 urteilte das Landesverfassungsgericht in Greifswald über die Verfassungsbeschwerden mehrerer Landkreise und kreisfreier Städte sowie eine abstrakte Normenkontrolle von 24 Landtagsabgeordneten. Im Urteil wurde festgestellt, dass die Paragrafen zur Bildung der neuen Großkreise unvereinbar mit der Landesverfassung sind. [1] Damit entsprachen die Richter der Verfassungsbeschwerde. Das Urteil stützt sich in der Begründung auf die Konstatierung eines Abwägungsfehlers (oder konkreter eines Ermessensfehlers) im Verfahren. Die Regierung habe die Entscheidung über die neue Kreisstruktur frühzeitig mit dem Zuschnitt der vorhandenen Planungsregionen verknüpft und auf die Entwicklung eines Leitbilds für zukünftige Kreise verzichtet. Der Gesetzgeber habe so die Kreisstruktur lediglich an eine wirtschaftliche sinnvolle Gliederung staatlicher Aufgaben angepasst. Damit sei „der Gesetzgeber von dem Entscheidungsmuster abgewichen [ist], nach dem gemeinhin umfassende Kreisgebietsreformen konzipiert und durchgeführt werden“.[2] Die Nichtbeachtung dieses Schemas im mecklenburg-vorpommerischen Reformprozess bildet dementsprechend die Grundlage des Urteils:

„Die §§ 72 bis 77 FKrG M-V sind verfassungswidrig, weil im Verwaltungsmodernisierungsgesetz wesentlichen Belangen der durch Art. 72 Abs. 1 Satz 2 LV gewährleisteten Selbstverwaltung der Kreise nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht Rechnung getragen worden ist. […] Dem in dieser Lage geltenden verfassungsrechtlichen Gebot, weniger einschneidende Alternativen der Neugliederung wertend in das Gesetzgebungsverfahren einzuführen, ist der Gesetzgeber nicht hinreichend nachgekommen“.[3]

Kritisiert wurden vom Landesverfassungsgericht auch die geplante Größe der neuen Kreise. Es wurde aber keine belastbare Einschätzung oder Entscheidung über eine wie auch immer geartete maximale Größe von Kreisen getroffen. Das Urteil beruht also explizit nicht auf der Einschätzung, dass die neuen Kreise zu groß seien oder die kommunale Selbstverwaltung gefährdeten. Das Urteil wird einzig mit der nach Ansicht des Gerichts zu geringen verfahrensmäßigen Berücksichtigung dieser Belange im Gesetzgebungsverfahren - unabhängig vom Inhalt der dann von der Landesregierung getroffenen Entscheidung - begründet.

Das Urteil wird von Rechts- und Verwaltungswissenschaftlern aufgrund juristischer Unzulänglichkeiten und politischer Implikationen massiv kritisiert [4] [5] [6].

Zweiter Plan einer neuen Kreisgebietsreform

Prämissen

Mit Verweis auf wirtschaftliche und demographische Entwicklungen im Land wird eine Kreisgebietsreform von Teilen der Politik und vielen Fachleuten als notwendig erachtet, derzeit werden erneut Pläne für eine Neugestaltung der Kreisebene entwickelt. Die neuen Strukturen sollen nun im Jahr 2011 eingeführt werden[7]. Die Prämissen für die neue Reform wurden der Öffentlichkeit im November 2007 vorgestellt:

  • Mindestens zwei der bisherigen Landkreise sollen zu einem neuen Kreis zusammengeschlossen werden.
  • Kein Landkreis soll mehr als 4000 km² umfassen.
  • Jeder neue Landkreis soll im Jahr 2020 mindestens 175.000 Einwohner haben.
  • Nach Möglichkeit soll keiner der bisherigen Landkreise auf verschiedene neue Kreise aufgeteilt werden.
  • Rostock soll kreisfrei bleiben.
  • Die kleineren kreisfreien Städte sollen ihre Kreisfreiheit verlieren.
  • Der Status Schwerins steht noch nicht fest.

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen zur Kreisgebietsreform. Sowohl das Einsparungspotential als auch die Sinnhaftigkeit für die Bürger wird von einem Teil der Fachwelt angezweifelt.

Konkrete Planungsvarianten für eine neue Kreisgebietsreform

Am 24. Juni 2008 stellte Innenminister Lorenz Caffier insgesamt 13 Modelle für eine neue Kreiseinteilung des Landes vor. Diese Modelle reichen von sieben neuen Verwaltungseinheiten (sechs Landkreise und Rostock als einzige kreisfreie Stadt) bis hin zu dreizehn Verwaltungseinheiten (sieben Landkreise und Beibehalt aller kreisfreien Städte). Der Innenminister favorisiert letztlich das Modell, bei dem nur Rostock und Schwerin kreisfrei bleiben und das übrige Landesgebiet in sechs Landkreise eingeteilt wird:

Dieses Modell erhielt die Kennung Modell 6 + 2 IV:

neuer Landkreis bisherige Verwaltungseinheiten Ew. 2006 Ew. 2020 km²
Nordwestmecklenburg Lkr. Nordwestmecklenburg + Norden des Lkr. Parchim mit Sternberg und Leezen + Wismar 187.770 176.469 2.645
Südwestmecklenburg Lkr. Ludwigslust + größter Teil des Lkr. Parchim 196.390 184.866 3.988
Güstrow Lkr. Bad Doberan + Lkr. Güstrow + Westen des Lkr. Demmin mit Malchin und Dargun 243.568 224.376 3.841
Nordvorpommern Lkr. Nordvorpommern + Lkr. Rügen + Norden des Lkr. Demmin mit Demmin und Loitz + Stralsund 267.922 225.513 3.797
Südvorpommern Lkr. Ostvorpommern + Lkr. Uecker-Randow ohne Strasburg (Uckermark) + Osten des Lkr. Demmin mit Jarmen und Altentreptow + Greifswald 256.938 209.747 4.083
Mecklenburgische Seenplatte Lkr. Müritz + Lkr. Mecklenburg-Strelitz + Osten des Lkr. Parchim mit Plau am See + Süden des Lkr. Demmin mit der Reuterstadt Stavenhagen + Strasburg (Uckermark) aus dem Lkr. Uecker-Randow + Neubrandenburg 245.018 203.543 4.516

Die beiden kreisfreien Städte Rostock und Schwerin bleiben unverändert. Das Innenministerium sieht als größten Schwachpunkt bei diesem Modell die Ausdehnung des neuen Landkreises Mecklenburgische Seenplatte mit mehr als 4500 km².

Lösung

Die Landesregierung gibt dem Modell mit sechs Kreisen den Vorzug. Rostock und Schwerin werden kreisfreie Städte bleiben. Ob Neubrandenburg ebenfalls den Status als kreisfreie Stadt wird behalten können, steht noch nicht fest. Hingegen scheinen die Kreisstädte der neuen Kreise bereits festzustehen. Es sind dies Wismar, Güstrow, Stralsund und Neubrandenburg, zudem Anklam in Südvorpommern und Ludwigslust in Südwestmecklenburg. Falls Neubrandenburg kreisfrei bleibt, müsste eine andere Stadt den Kreissitz für die Mecklenburgische Seenplatte erhalten. Dies könnte Waren, aber auch Neustrelitz sein. [8] [9]

Siehe auch

Literatur

  • Christiane Büchner, Jochen Franzke, Michael Nierhaus (Hrsg.): Verfassungsrechtliche Anforderungen an Kreisgebietsreformen. Zum Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. Universitätsverlag Potsdam, Potsdam 2008. (PDF, 862 KB)

Einzelnachweise

  1. Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 26. Juli 2007 (PDF, 262 kB)
  2. LVerfG 17/06, S. 44
  3. LVerfG 17/06, S. 42
  4. Mehde, Veith 2007: Das Ende der Regionalkreise? – zur Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. NordÖR 9/2007, 331-337.
  5. [1] Meyer, Hans 2007: Liegt die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns im 19. Jahrhundert? Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Enquete-Kommission "Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung", Kommissionsdrucksache 5/55
  6. [2] vgl. auch die Bezugnahme auf Mecklenburg-Vorpommern durch Bull, Hans Peter 2007: Gutachten im Auftrag der Staatskanzlei Schleswig-Holstein. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Funktional-, Struktur- und möglichen Kreisgebietsreform in Schleswig-Holstein.
  7. [3] Landesregierung beschließt Konzept zur künftigen Kreisstruktur; Pressemitteilung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern; 27.11.2007
  8. http://www.mv-regierung.de/im/verwaltungsreform/Verwaltungsreform_Mecklenburg_Vorpommern.714.html?
  9. http://www1.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/kreisstruktur100.html

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