- Kugelspinnen
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Haubennetzspinnen weibliche Fettspinne (Steatoda spec.)
Systematik Klasse: Spinnentiere (Arachnida) Ordnung: Webspinnen (Araneae) Unterordnung: Echte Webspinnen (Araneomorphae) Teilordnung: Entelegynae Überfamilie: Radnetzspinnen (Araneoidea) Familie: Haubennetzspinnen Wissenschaftlicher Name Theridiidae Sundevall, 1833 Der Familie der Haubennetzspinnen (Theridiidae), auch Kugelspinnen genannt, gehören 2283 Arten in 96 Gattungen an. Sehr bekannte Vertreter sind die Echten Witwen (Latrodectus mactans, ausschließlich im mittleren Nordamerika) und Latrodectus tredecimguttatus (die Dreizehngefleckte, Südeuropa, Zentralasien bis China), die mit zu den farbenprächtigsten Angehörigen dieser Familie gehören. Sie sind weltweit verbreitet, treten jedoch in den gemäßigten Zonen, Subtropen und Tropen am häufigsten auf; allein in Nordamerika sind über 300 Arten der Familie in 30 Gattungen bekannt. Über die Hälfte aller sozialen Spinnen sind Theridiide, auch wenn die gesamte Familie weniger als 6 % der Diversität aller Echten Webspinnen repräsentiert.
Inhaltsverzeichnis
Aussehen
Haubennetzspinnen sind sehr kleine bis mittelgroße Spinnen mit rundem, kugeligen Hinterleib und meist dünnen langen Beinen. Der Hinterkörper ist glänzend schwarz, braun bis hellbraun und dabei oft mehr oder weniger kontrastarm bunt gefärbt. Einige wenige Haubennetzspinnen weisen harte Körper mit interessanten Dornen auf, bei anderen kann der Hinterleib beträchtlich langgezogen aussehen. Ein besonderes Kennzeichen der Haubennetzspinnen ist ein Kamm aus einer Reihe vergrößerter, gebogener und bezahnter Setae am Tarsus des vierten Beinpaares, mit dem die Beute mit Seide gefesselt wird. Dieser Kamm, der ihnen auch den Namen „Kammfußspinnen“ (Comb-footed spider bei Gertsch) einbrachte, kann sowohl gut ausgeprägt wie auch stark reduziert sein. Der Geschlechstdimorphismus ist sehr stark ausgeprägt, so dass manche Männchen kaum in ihren „riesigen“ Labyrinthnetzen zu finden sind.
Die relativ kleinen Augen sitzen eng zusammen in einer Gruppe an der Vorderseite des Prosomas. Das Sehvermögen spielt für diese überwiegend nachtaktiven und höhlenbewohnenden Tiere eine untergeordnete Rolle.
Netzbau
Fast alle Arten der Familie bauen Fangnetze; die meisten Haubennetzsspinnen sind sesshafte Fallensteller. Aber es gibt auch interessante Vertreter, die wie Argyrodes als Kommensalen in den Netzen anderer Arten leben oder Euryopis, die den Netzbau komplett zugunsten einer wandernden Lebensweise aufgegeben haben.
Die meisten Haubennetzsspinnen hängen kopfüber an der Unterseite ihrer unregelmäßig gesponnenen Labyrinthe aus trockenen Fäden. Sie sind kleine Spinnen, die ihre Fallen mit fast unsichtbaren feinen Fäden zwischen Pflanzen bauen oder sich in Erdhöhlen oder -rissen in der oberen Bodenschicht verstecken. Wesentlich weniger gut versteckt sind die Netze der graubraunen hausbewohnenden Parasteatoda tepidariorum, die schnell mit Staub bedeckt sind und somit vielen ordnungsliebenden Menschen ein Gräuel sind.
Diese unregelmäßig und locker erscheinenden Fallen sind aber keine zufällige Anhäufung unregelmäßiger und planlos gesponnener Fäden. Vielmehr enthalten sie einige interessante Innovationen. Eine Haubennetzspinne webt sich oft ein dichtes Laken aus Seide als Schutzdach für die ruhende Spinne. Blätter und Sand werden zuweilen mit als Baumaterial verwendet. Besonders praktisch erscheint die Schüssel der borealen Theridion zelotypum. Sie bindet Fichtennadeln und andere Pflanzenteile zu einem stabilen, wasserdichten Zelt zusammen, unter dem sie sich und ihre Eier wie geschlüpften Jungtiere versteckt. Andere Haubennetzspinnen hängen ihre kugelförmigen Eisäcke nicht versteckt freischwebend zwischen Gerüstfäden auf.
Beutefang
Viele Netze der Haubennetzspinnen haben zusätzlich zum zentralen Labyrinth mit oder ohne Rückzugsraum, eine Serie längerer Abspannungen, die das gesamte Bauwerk an feste Oberflächen befestigt, wie zum Beispiel bei der Westlichen Witwe Latrodectus hesperus. Diese Abspannfäden werden am unteren Ende durch unauffällige Seidenfäden auf Spannung gehalten. Wenn kleinere Insekten gegen diese Seile laufen, werden sie durch den Leim festgehalten. Wenn ihre Befreiungsversuche die Spannseile zerreißen, kontrahieren sich die elastischen und gespannten Fäden und heben das angeklebte Insekt vom Erdboden ab. Die Spinne schnellt nun zur gefangenen Beute, sofern ihr Appetit groß genug ist und Größe wie Bewegungsmuster der Beute ihr zusagen. Das Gewicht ist für die Spinne leicht an der Reaktion ihrer Spannseile auszumachen. Die Haubennetzspinnen nähern sich größerer Beute sehr vorsichtig, die zuweilen so groß sein kann, dass sie nicht oder nicht wesentlich angehoben wurde. Die Spinne wendet sich der Beute zunächst nur mit den Hinterbeinen zu, an deren Tarsen sie die Kämme hat. Damit kämmt sie einen breiten Film von klebriger Seide aus ihren Spinndrüsen, mit dem sie zunächst nur ein Bein der Beute mit einem breiten, klebrigen Seidenband fixiert. Erst wenn die Beute so effektiv gefesselt wurde, nähert sich die Spinne vollständig von vorn und sucht sich eine dünnhäutige Stelle im Chitinpanzer, gewöhnlich die Gelenkhäute zwischen den Beingliedern, beißt zu und injiziert ihr Gift. Erst dann macht sie sich an die schwierige Aufgabe, das sich immer noch wehrende Insekt an einen besseren Platz in ihrem Labyrinth zu schaffen. Dazu zieht sie mehrere Seile von ihrem Labyrinthnetz zu der Beute und dem Grund, die in vielen kleinen Arbeitsschritten immer wieder hochgerafft werden, bis die Beute in 5 bis 7 cm über dem Erdboden schwebt. Dann beginnt das Mahl, das bei größeren Insekten ausreichend groß ist, um ganz gemächlich innerhalb von drei bis vier Tagen verspeist zu werden. Das ausgesaugte, geschrumpfte Beutepaket wird danach in tiefere Bereiche des Labyrinths entlassen und auf den Boden geworfen.
Die Haubennetzspinnen sind seit langem für die große Leistung, Objekte, die ihre eigene Körpergröße um ein vielfaches überschreiten, nach oben in ihr Netz zu transportieren, bekannt. Die Gewächshausspinne Parasteatoda tepidariorum erbringt die bemerkenswerte Leistung, kleine Schlangen, Mäuse und andere Tiere zu überwältigen und hoch in ihr Netz zu verfrachten. Nach dem die Einzelheiten der Erbeutung verschiedener Schlangen durch diese Spinne vorgestellt wurden, hatte Reverend McCook folgendes zu sagen:
- It is worthy of mention, in connection with these incidents, that the belief that a special enmity exist between spiders and serpents is very acient. Plainy says that the spider, poised in its web, will throw itself upon the head of a serpent as it is stretched beneath the shade of a tree, and with its bite will pierce its brain. Such is the shock that the creature will hiss from time to time and then, seized with vertigo, will coil round and round, but finds itself unable to take flight or even to break the web in wich it is entangled. This scene, concludes the author, only ends with the serpent's death. (Gertsch, Willis J. 1979, 153)
Ein solcher Fall - an den Haaren herbeigezogen für eine solch kleine Spinne - gibt uns aber auch einen Maßstab für die Ausdauer der Spinne und ihrer unerbittlichen Seide. Eine der spektakuläreren Leistungen, die McCook berichtete, war die Unterwerfung einer jungen Maus. Die Spinne hatte sie mit Seidenfäden an ihrem Schwanz gefesselt und nach oben gezogen. Gegen Mittag berührte die Maus mit den Vorderfüßen den Boden und hing mit den Hinterbeinen in der Luft, aber war außerstande, das Band zu zerreißen und ihrer Seidenfalle zu entkommen. Um 14:00 Uhr erreichten ihre Vorderfüße den Boden kaum noch; in der Dämmerung hing ihre Nase bereits einen Zoll über dem Erdboden; gegen 21:00 hing die Nase anderthalb Zoll hoch. Am nächsten Morgen war die Maus tot. Dieses Spektakel kann sowohl als ein Beispiel für die Stärke und Elastizität der zusammengesetzten Fäden dienen, als auch für eine ausgeprägte Fähigkeit zur Problemlösung.
Fortpflanzung und Brutpflege
In den Außenbereichen des Netzes eines Weibchens können zur richtigen Jahreszeit geschlechtsreife Männchen beobachtet werden, die während der Paarungs- und Balzzeit nicht feindlich empfangen werden, sondern längere Zeit freundlich im Netz toleriert werden und denen manchmal sogar dort auch Beute zugestanden wird. Gelegentlich tötet und verspeist ein Weibchen das Männchen, jedoch ist das entgegen verbreiteter Annahme eher die Ausnahme. Die deutsche Bezeichnung „Witwe“ ist vermutlich unbegründet. Die geschlüpften Jungtiere verbringen die ersten Tage im Netz der Mutter und werden von ihr dort mit Nahrungsbrei gefüttert (Regurgitationsfütterung), wie bei der europäischen Theridion sisyphium u. a. Haubennetzspinnen beobachtet wurde. Danach schließt sich eine Phase an, in der Jungtiere noch einige Wochen mit fester Nahrung versorgt werden. Dazu zerrt die Mutter gefangene Insekten in ihren Schlupfwinkel zu den Jungtieren.
Gattung Theridion
Ein großer Prozentsatz unserer Haubennetzspinnen gehört der Gattung Theridion an, und einige von ihnen besitzen leuchtende Farben. Das kugelförmige Weibchen von T. differens, 3 Millimeter lang und mit einem rötlich-braun gefärbten Hinterleib, das oben mit einem rot-gelben Streifen verziert ist, platziert ihren großen Eisack in ihrem Nest. Ihr Netz kann an niedrigen Pflanzen jedweder Art gefunden werden und besteht aus einem kleinen Zelt, dass kaum die Spinne bedeckt, von dem ein unregelmäßiges Netzwerk aus Fäden ausstrahlt. Dieses Gewebe überspannt dabei auch mehrere Pflanzen. Noch leuchtender gefärbt ist T. frondeum mit ihrer blassgelben oder weißlichen Grundfärbung und deutlichem schwarzen Muster, das aber auch viele andere Farben und Formen annehmen kann. Einige Vertreter dieser Gattung erscheinen sogar einfarbig weiß ohne Muster, andere sind farbig getigert, gebändert oder gescheckt. Diese attraktiven Haubennetzspinnen leben in der Kraut- und Strauchschicht und bevorzugen feuchte, halbschattige Stellen in Wäldern oder an Bächen.
In Mitteleuropa heimische Gattungen und Arten
- Asagena Sundevall, 1833
- Carniella Thaler & Steinberger, 1988
- Carniella brignolii Thaler & Steinberger, 1988
- Chrysso O. P.-Cambridge, 1882
- Chrysso spiniventris (O. P.-Cambridge, 1869)
- Coleosoma (O. P.-Cambridge, 1882)
- Coleosoma floridanum Banks, 1900
- Crustulina Menge, 1868
- Crustulina guttata (Wider, 1834)
- Dipoena Thorell, 1869
- Dipoena braccata (C.L. Koch, 1841)
- Enoplognatha Pavesi, 1880
- Episinus Walckenaer, 1809
- Euryopis Menge, 1868
- Heterotheridion Wunderlich, 2008
- Lasaeola Simon, 1881
- Echte Witwen Latrodectus Walckenaer, 1805
- Latrodectus hasselti Thorell, 1870
- Neottiura Menge, 1868
- Nesticodes Archer, 1950
- Nesticodes rufipes (Lucas, 1846)
- Ohlertidion Wunderlich, 2008
- Paidiscura Archer, 1950
- Paidiscura pallens (Blackwall, 1834)
- Parasteatoda Archer, 1946
- Pholcomma Thorell, 1869
- Pholcomma gibbum (Westring, 1851)
- Phylloneta Archer, 1950
- Phylloneta impressa (L. Koch, 1881)
- Platnickina Koçak & Kemal, 2008
- Platnickina tincta (Walckenaer, 1802)
- Robertus O. P.-Cambridge, 1879
- Rugathodes Archer, 1950
- Sardinidion Wunderlich, 1995
- Selimus Saaristo, 2006
- Simitidion Wunderlich, 1992
- Simitidion simile (C. L. Koch, 1836)
- Fettspinnen (Steatoda) Sundevall, 1833
- Theonoe Simon, 1881
- Echte Kugelspinnen (Theridion) Walckenaer, 1805
Quellen
- Gertsch, Willis J. 1979: American Spiders, 2nd edition. Van Nostrand Reinhold, New York. ISBN 0-442-22649-7
- Stefan Heimer, Wolfgang Nentwig: Spinnen Mitteleuropas, Blackwell Wissenschafts-Verlag, 1991, ISBN 3-8263-8290-0
- Norman I. Platnick, 2008. The World Spider Catalog, Version 8.5. American Museum of Natural History.
- Blick, T., R. Bosmans, J. Buchar, P. Gajdoš, A. Hänggi, P. Van Helsdingen, V. Ružicka, W. Starega & K. Thaler (2004): Checkliste der Spinnen Mitteleuropas. Checklist of the spiders of Central Europe.
- Ingi Agnarsson, Leticia Avilés, Jonathan A. Coddington, Wayne P. Maddison: Sociality in Theridiid Spiders: Repeated Origins of an Evolutionary Dead End. Evolution, 60(11), 2006, pp. 2342–2351
Weblinks
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