Kultivierung

Kultivierung
Axenische in-vitro Kultivierung von Physcomitrella patens Pflanzen auf Agarplatten (Petrischale, 9 cm Durchmesser)

Als Kultivierung bezeichnet man im biologischen Sinne die Schaffung und Aufrechterhaltung von Bedingungen, die ein optimales Wachstum von bestimmten Organismen gewährleisten. Typische Beispiele hierfür sind die Kultivierung von Bakterien in einer Petrischale und die Kultivierung von Kulturpflanzen in der Landwirtschaft oder im Gartenbau. In der Mikrobiologie unterscheidet man verschiedene Kulturtechniken, von denen die Reinkultur (Axenie), die Anreicherungskultur, die Flüssigkultur und die Kultur auf Gel-Nährböden zu den wichtigsten zählen.

Inhaltsverzeichnis

Reinkultur

Ziel einer Reinkultur ist das Wachstum eines Klons von einem bestimmten Organismus unter Ausschluss jeglicher Individuen anderer Arten oder Stämme (Klone) von Organismen. Solche anderen Organismen bezeichnet man als Kontaminanten. Nur in Reinkultur können standardisierte Bedingungen aufrechterhalten und Mikroorganismen hinsichtlich ihrer metabolischen und physiologischen Eigenschaften untersucht werden.

Anreicherungskultur

Eine Anreicherungskultur bietet Wachstumsbedingungen, die für einen bestimmten Mikroorganismus oder eine bestimmte physiologische Gruppe von Mikroorganismen günstiger sind als für andere Mikroorganismen, mit dem Ziel, diese selektiv anzureichern, während das Wachstum anderer Mikroben langsamer ist oder gehemmt wird. So können zum Beispiel in Bodenproben gezielt anaerobe Mikroorganismen angereichert werden, indem man Kulturtechniken anwendet, die den Zutritt von Sauerstoff ausschließen. Auch im Belebtschlammbecken einer biologischen Kläranlage werden Bedingungen geschaffen, die das Wachstum bestimmter Bakterien fördern (z. B. das von Zoogloea sp.) und das anderer Arten unterdrücken. Das Prinzip der Anreicherungskultur wurde durch Martinus Willem Beijerinck eingeführt.

Flüssigkultur

Bei Flüssigkulturen werden Mikroorganismen in flüssigen Nährmedien kultiviert. Für optimales Wachstum und Belüftung werden die Kulturgefäße meist automatisch geschüttelt.

Kultur auf Gel-Nährböden

Kolonien des Bakteriums Serratia marcescens auf einem Gel-Nährboden in einer Petrischale

Ein Gel-Nährböden wird hergestellt, indem einem Kulturmedium eine gelierende ("verfestigende") Substanz zugegeben wird, die dem jeweiligen Organismus nicht als Nahrungsquelle dient. Das bekannteste Beispiel ist Agar, andere Verfestiger sind Gelrite und Kieselgel. Dabei zeigt sich im direkten Vergleich von Agar und Gelrite, dass diese Mittel bei der Kultivierung keineswegs inert sind, sondern die Physiologie von zum Beispiel Pflanzenzellkulturen beeinflussen[1]. Die Organismen können auf der Oberfläche des Gels oder in seinem Inneren zum Wachstum und zur Vermehrung gebracht werden. Der Vorteil einer Kultur auf oder in Gel-Nährböden besteht darin, dass die meisten Mikroorganismen sich darauf bzw. darin nicht fortbewegen können, so dass sie auf oder in Gel-Nährböden Kolonien bilden. Das wird genutzt, um Reinkulturen herzustellen, um kleinere Mengen von Mikroorganismen für Untersuchungen zu gewinnen und um Mikroorganismen zu quantifizieren.

Fraktionierter Verdünnungsausstrich

Kolonien von Escherichia coli auf MacConkey-Agar, einer Kombination aus Selektiv- und Differentialmedium, beimpft mittels fraktioniertem Verdünnungsausstrich. Kultur in Petrischale

Der Fraktionierte Verdünnungsausstrich ist eine spezielle Technik, mikrobielle Proben auf den gelierten Nährboden aufzutragen, um einzeln stehende Kolonien zu erhalten, die für eine Identifizierung benötigt werden. Hierbei wird slalomartig mit der infizierten Impföse über die Oberfläche des Nährbodens gefahren, ohne sie zu verletzen und jeweils zweimal unterbrochen um die Impföse zu sterilisieren und eine neue Fraktion zu beginnen. Mit der Impföse wird dazu jeweils einmal das Ende der vorangegangenen Fraktion gekreuzt und weiter slalomartig eine neue Fraktion gebildet.

In der Abbildung kann man sowohl die Spur der Impföse noch erkennen, als auch den Effekt des Verdünnungsausstrichs: In der ersten Fraktion unten links ist noch alles von einer großen Kolonie überwuchert; dies allein ist für eine Identifizierung der meisten Mikroorganismen ungeeignet. In der zweiten Fraktion oben links sind bereits Einzelkolonien zu sehen, in der letzten Fraktion auf der rechten Seite sind es nur noch Einzelkolonien. Einzelkolonien entstehen aus einer einzigen Zelle oder aus wenigen gleichartigen Zellen, die sich dort von der Impföse gelöst haben.

Unter bestimmten Umständen, vor allem bei Verwendung spezieller Differentialnährböden, können Einzelkolonien aufgrund von Form, Oberfläche, Randbegrenzung und Farbe eine Identifizierung des Mikroorganismus ermöglichen. Escherichia coli erkennt man z. B. auf Endo-Agar an kugelrunden Einzelkolonien, die dunkelviolettrot sind und metallisch glänzen. Eine genaue Identifizierung ist allerdings nur durch weitere, zum Teil aufwändige Tests und in schwierigen Fällen durch besonders teure und zeitaufwändige DNA-Analysen möglich.

Durch Entnehmen einer Probe von einer Einzelkolonie und weitere Isolierung durch Ausstreichen auf einem Agarnährboden kann man eine Reinkultur eines Mikroorganismus gewinnen und diesen – frei von anderen Mikroorganismen, sogenannten Verunreinigungen – weiter vermehren. Wird dabei durch diese Prozedur von einem Individuum ausgegangen, handelt es sich bei der Reinkultur um einen Klon.

Literatur

  • Susan Isaac, David Jennings: Kultur von Mikroorganismen. Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0049-X. Übersetzung der englischsprachigen Ausgabe mit dem Titel Microbial culture.

Einzelnachweise

  1. Birgit Hadeler, Sirkka Scholz, Ralf Reski: Gelrite and agar differently influence cytokinin-sensitivity of a moss. In: Journal of Plant Physiology. Bd. 146, 1995, S. 369-371.

Siehe auch

Nährmedium


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