Anna Kuliscioff

Anna Kuliscioff
Anna Kuliscioff, ca 1907

Anna Kuliscioff (italienische Transkription, eigentlich russisch Анна Моисеевна Кулишёва, Anna Moissejewna Kulischowa, geb. Розенштейн, Rosenstein; * 1857 in Moskaya, Krim; † 27. Dezember 1925 in Mailand) war eine Revolutionärin jüdisch-russischer Herkunft, eine engagierte Feministin, eine von Bakunin geprägte Anarchistin und eine engagierte Sozialistin, die zumeist in Italien tätig war. Sie war lange Lebenspartnerin des sozialistischen Politiker und Parteichef Filippo Turati.

Leben

Als eine der ersten Frauen Russlands studierte sie Medizin in Kiew und für einige Jahre in Zürich. Zurück in Russland heiratete sie und wurde von den zaristischen Behörden wegen anarchistischer Betätigung verfolgt. Es gelang ihr die Flucht in die Schweiz, wo sie ihr Medizinstudium wieder aufnahm und sich mit dem italienischen Sozialisten Andrea Costa liierte. Einige Monate verbrachte das Paar in Paris, wurde dort aber wegen angeblich anarchistischer Betätigung verhaftet und ausgewiesen. Einige Jahre lebten sie in der Heimat Costas, Anna bekam eine Tochter, ließ sich aber nicht lange im bürgerlichen Milieu der Familie halten und versuchte - unter großen Entbehrungen - ihr Medizinstudium in der Schweiz zu vollenden. Nur unter Schwierigkeiten gelang es ihr, Praktikumsplätze zu finden und endlich in Neapel zu promovieren. In der Mitte der 1880er-Jahre erfolgte die Trennung von Costa und eine neue Beziehung zu Filippo Turati, einem der bekanntesten italienischen Sozialisten großbürgerlicher Herkunft, der ihr ein sorgenfreies Leben ermöglichte. Dennoch arbeitete sie als Ärztin in Mailand, vor allem als Frauenärztin, und von diesen Erfahrungen her bestimmte sich ihr kämpferischer Feminismus. 1891 übernahm sie die Redaktion von Critica Sociale, einem der bedeutendsten sozialistischen Blätter des Landes, dessen Hauptautorin sie wurde. 1892 arbeitete sie u.A. mit Turati und mit der Feministin Anna Maria Mozzoni an der Gründung des PSI (Partito Socialista Italiano) zusammen: Sie betrat die Partei aber nie. Als militante Aktivistin für das Frauenwahlrecht stand sie nicht selten vor Gericht und hatte auch mehrere Haftstrafen abzubüßen. Sie gehörte zum Parteivorstand und galt als der führende Kopf der italienischen Sozialisten. Zur Frauenbewegung stieß sie durch einen aufsehenerregenden Vortrag über die Lage der Arbeiterinnen in Norditalien, deren schweres Leben sie aus eigener Anschauung kannte. Der PSI hielt dank Anna Kuliscioff stets den Kontakt zu den sogenannten orthodoxen Sozialisten, insbesondere zu Friedrich Engels. Um die Jahrhundertwende war Anna Kuliscioff führend an Streiks und den Aktivitäten der Frauenbewegung (Stimmrecht, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, 8-Stunden-Tag und ähnlichem) beteiligt. Unter dem Einfluss von Mussolini gewann der linke Parteiflügel immer mehr an Einfluss. Obwohl Mussolini wegen interventionistischer Tendenzen 1914 die Partei verlassen musste, erstarkte der linke Flügel weiter, was im Jahr 1921 zur Trennung führte. Kuliscioff und Turati gehörten gemeinsam zu den Gründern der neuen gemäßigten Partito Socialista Unitario, die nach der Ermordung von Giacomo Matteotti von Mussolini in den Untergrund gedrängt wurde. Anna Kuliscioff starb im Dezember 1925 an den Folgen einer nie ganz ausgeheilten Tuberkulose. Ihre Beisetzung wurde zu einem politischen Fanal trotz massivster Störungen durch faschistische Schlägertrupps. Ihr Mann, Filippo Turati, war zu dem Zeitpunkt schon nach Paris geflohen, konnte aber an den Beisetzungsfeierlichkeiten teilnehmen.

Nachwirken

Zu ihren Ehren wurde in Mailand die Stiftung Anna Kuliscioff eingerichtet, die über ein Bibliothek von 35 000 Büchern und Druckwerken verfügt, die sich mit der Geschichte des Sozialismus befassen.

Literatur


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