- Lebendes Bild
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Als Tableaux vivants (frz. „lebende Bilder“) bezeichnet man Darstellungen von Werken der Malerei und Plastik durch lebende Personen. Diese Mode kam gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf.
Als Erfinderin nennt Meyers Konversations-Lexikon Madame de Genlis, die Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orleans. Sie soll zur Belehrung und Unterhaltung ihrer Zöglinge solche Darstellungen arrangiert und sich dabei der Hilfe der Maler Jacques-Louis David und Jean-Baptiste Isabey bedient haben.
Bekannter wurden die öffentlichen Nachahmungen antiker Statuen durch Lady Hamilton, die oft für Gemälde Modell gestanden war und die Kunst des Stillhaltens auch auf die Bühne brachte. Mit ähnlichen Darstellungen wurde auch die Schauspielerin Henriette Hendel-Schütz bekannt.
Lebende Bilder im engeren Sinn sind allerdings keine Solodarbietungen (Attitüden), sondern Gruppenbilder. Lebende Bilder wurden im 19. Jahrhundert zu einem zentralen szenischen Gestaltungsmittel, auf der Theaterbühne ebenso wie bei höfischen oder bürgerlichen Festen. Sie waren integrale Bestandteile von Militärparaden, Bühnen- und Gesellschaftstänzen. Geeignete Beleuchtung und auch Musikbegleitung hatten für ihre Wirkung einige Bedeutung. Jean Sibelius komponierte etwa seine Tondichtung Finlandia (1900) für eine Folge lebender Bilder.
Vor allem wurden lebende Bilder eingesetzt, um einen klaren Abschluss bewegter Aktionen anzuzeigen. Häufig anzutreffen war im Theater des 19. Jahrhunderts eine unbewegliche Gruppe der Schauspieler, während der Vorhang fiel. Dazu steht im Textbuch die Anweisung „Gruppe“. Bis heute bilden Tänzer nach einem Tanz oder Artisten zum Applaus nach einem gelungenen Trick eine Gruppe (das sogenannte Kompliment).
In „Gruppenbüchern“ wurden lebende Bilder für jede Gelegenheit zur Nachahmung empfohlen, manchmal mit Bändern und ähnlichen Requisiten. Das frühe Turnen bestand zum Teil aus dem Einstudieren lebender Bilder, etwa mit patriotischen Sujets. In manchen Sportarten haben sich bis heute Traditionsreste davon erhalten. Das Posieren zur Nationalhymne oder für ein Foto stammt von der Tradition der lebenden Bilder her. In der Fotografie wird der Ausdruck „lebende Bilder“ manchmal für eine gestellt wirkende, besonders symbolhafte Komposition verwendet, die an Historienmalerei oder Genremalerei erinnert.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekamen lebende Bilder einen Sensationswert, indem sie von nackten Darstellern präsentiert wurden, wie etwa von Olga Desmond. In der Revue wurden Nackte geduldet, solange sie sich nicht bewegten.
Bis in die heutige Zeit sind lebende Bilder in der Kunstform der Living Mannequins (auch Lebende Statuen genannt) populär geblieben, die häufig als Straßenkünstler oder als Walking Acts auf Festivals, Messen oder vergleichbaren Veranstaltungen auftregen. Der Reiz hierbei besteht im ungewöhnlich langen Verharren in einer regungslosen Pose, das gelegentlich durch eine überraschende, meist betont sparsame Interaktion mit dem Publikum (zum Beispiel ein Augenzwinkern) unterbrochen werden kann. Ensemble-Darbietungen mehrerer Personen sind in diesem Bereich jedoch eher die Ausnahme.
Siehe auch
Literatur
- Kirsten Gram Holmström: Monodrama, Attitudes, Tableaux vivants. Studies on Some Trends of Theatrical Fashion 1770-1815. Uppsala: Almquist & Wiksell 1967
- Birgit Jooss: Lebende Bilder. Körperliche Nachahmung von Gruppenbildern in der Goethezeit. Berlin: Reimer 1999. ISBN 3496011971
- Sabine Folie, Michael Glasmeier: Tableaux vivants. Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video. (Ausstellungskatalog) Kunsthalle Wien, 2002
- Edmund Wallner: Vierhundert Sujets zu lebenden Bildern. […] 2 Bde. Erfurt: Bartholomäus 1876-81. (Gruppenbuch)
Weblinks
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