Lehrfreiheit

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Die Forschungsfreiheit zählt im Zusammenhang mit der Wissenschaftsfreiheit und der Lehrfreiheit zu den bürgerlichen Grundrechten. In Deutschland wird die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre gemäß Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) als Grundrecht geschützt.

Inhaltsverzeichnis

Art. 5 Abs. 3 GG nach überwiegender Meinung in der Rechtswissenschaft

Einheitliches Grundrecht

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG lautet:

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Die Kunstfreiheit ist hierbei ein völlig eigenständiges Grundrecht, das auszuklammern ist. Der Dreiklang aus Wissenschaft, Forschung und Lehre bedeutet nicht das Nebeneinander dreier eigenständiger Grundrechte, sondern das einheitliche Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit: Forschung und Lehre sind lediglich konkretisierende Unterbegriffe der Wissenschaft. Forschung und Lehre sind die beiden Teilelemente der Wissenschaft, die diese hinreichend und abschließend umschreiben. Die Formulierung in Art. 5 Abs. 3 GG ist daher so zu verstehen, dass „wissenschaftliche Forschung und Lehre“ frei sind. Es kann also in „Forschungsfreiheit“ und „Lehrfreiheit“ unterschieden werden.

Schutzbereich

In sachlicher Hinsicht ist Wissenschaft – oder besser „wissenschaftliche“ Forschung – im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts „jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“. Zusätzlich wird z. T. ein gewisser Kenntnisstand und ein bestimmtes methodisches Vorgehen verlangt. Nachforschungen z. B. durch Journalisten oder Kriminalbeamte sind nicht wissenschaftliche Forschung und daher vom Schutzbereich nicht umfasst.

Personell kommt das in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene Freiheitsrecht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will. Die Funktion als subjektives Abwehrrecht für Jedermann mit denkbar weitem Schutzbereich deckt sich de facto mit dem sozialen Lebensbereich Wissenschaft und Forschung. Zwar muss die Lehre in Zusammenhang mit der Forschung stehen, aber Forschung ist bereits alleine ein hinreichender Bestandteil wissenschaftlicher Betätigung. Folglich gilt das Grundrecht auch im außeruniversitären Bereich. Der Schutzbereich umfasst damit auch angewandte Forschung, ebenfalls Zweck- und Auftragsforschung. Darüber hinaus ist die Wissenschaftsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch eine wertentscheidende Grundsatznorm, die den Staat verpflichtet, mit der Institution der Hochschulen Teilhabe an freier Wissenschaft zu organisieren.

Gewährleistet ist die Freiheit von jeglicher staatlichen Einmischung. Sofern bei der Suche nach Wahrheit Rechtsgüter Dritter tangiert werden, ist dies erst auf der Schrankenebene zu berücksichtigen. Nur wenn sich Forschung eigenmächtig über fremde Rechtsgüter hinwegsetzt, soll dies vom Gewährleistungsbereich nicht mehr umfasst sein.

Schranken

Die Forschungsfreiheit ist als vorbehaltloses Grundrecht gewährleistet. D. h., sie unterliegt nicht einem allgemeinen oder besonderen Gesetzesvorbehalt, genauso wie z. B. das Grundrecht auf Leben oder das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit. Vorbehaltlose Grundrechte sind jedoch nicht schrankenlos, Eingriffe durch den Staat sind möglich. Andere Verfassungsgüter beschränken verfassungsimmanent vorbehaltlos gewährte Grundrechte, wobei für den Eingriff jeweils eine gesetzliche Konkretisierung vorliegen muss. Die Lösung für Konflikte der forscherischen Handlungsfreiheit mit anderen Rechtsgütern ist daher erst auf der Rechtfertigungsebene zu suchen. Dabei ist im Sinne praktischer Konkordanz ein schonender Ausgleich herbeizuführen, der nach beiden Seiten hin jedem Verfassungsgut möglichst weit reichende Geltung verschafft. Bei der Bestimmung der Grenzen durch den Gesetzgeber kann die Forschungsfreiheit Rechtsgüter (Grundrechte) Dritter oder andere Verfassungswerte überwiegen, solange nicht die Menschenwürde tangiert ist, die keiner Abwägung zugänglich ist.

Dem Gesetzgeber steht es also durchaus zu, Eingriffe der Forschung in Verfassungsgüter wie Leben, Gesundheit oder Eigentum zu gestatten. Umgekehrt darf er auch die Forschung zum Schutz dieser Güter beschränken. Grundsätzlich kann dabei jede Art von Forschung Art. 5 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen.

Probleme

Diese überwiegend zu findende Ansicht zur Forschungsfreiheit führt zu mehreren Problemen:

Grenzen der Forschung

Der weite Schutzbereich und das Abstellen auf eine bestimmte Handlungs- bzw. Arbeitsweise führen dazu, dass dieses Grundrecht seine Grenzen erst dort findet, wo andere Verfassungswerte betroffen sind. Die Beweislast für die Zulässigkeit von Forschung wird damit auf den Passiven geschoben. Augenfällig wird dies in der Bio- und Gentechnik. In der Embryonenforschung (siehe auch Retortenbaby) ist damit die Frage „Wann beginnen Leben und Würde des Embryos?“ elementar für deren Zulässigkeit. Während für die Forschung gilt: „Im Zweifel für die Freiheit.“, gilt dies anscheinend nicht für beeinträchtigte Grundrechte betroffener Dritter. Doch selbst wenn Rechtsgüter Dritter beeinträchtigt werden, muss die Forschungsfreiheit noch nicht hinten anstehen. Vielmehr wird auf der Abwägungsebene ein Ergebnis gesucht, bei dem das Grundrecht, in das der Staat z. B. durch ein Verbot eingreift, stärker geschützt ist als das Grundrecht, zu dessen Schutz der Staat ein Verbot erlassen hat. So kann theoretisch der Schutz „hochrangiger Forschung“ das Lebensrecht des Embryos überwiegen. Ähnliche Probleme gibt es z. B. auch bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, die Leben, Gesundheit und Eigentum gefährden können. Die in der Rechtswissenschaft überwiegend vertretene Ansicht führt also zu einer gewissen Grenzenlosigkeit der Forschung, der man eher hilflos gegenübersteht, zumal die Forschungsziele und -zwecke keine Rolle spielen sollen.

Themenfreiheit

Die Forschungsfreiheit findet ihre Grenze auch in der Bewertung der Relevanz einer bestimmten Forschungstätigkeit. So mag es beispielsweise wissenschaftlich begründbar sein, umfangreiche Forschungsaktivitäten etwa zum Einfluss der Klimaveränderung auf Leberwurst zu initiieren und im Rahmen einer Lehrstuhlinhabe mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in umfangreicher Weise durchzuführen und dabei andere Fragestellungen zu vernachlässigen. Begrenzt wird hier die wissenschaftliche Aktivität durch die akademische Selbstkontrolle, d. h. die regulierende Einflussnahme wissenschaftlicher Kollegen über die inneruniversitären und universitätsüberschreitenden Gremien. Welche Einflussinstrumente hierbei zur Verfügung gestellt werden (Ehrengerichte, Kompetenzen bei der Mittelzuweisung), ist eine Angelegenheit der Regelung durch die Hochschulrahmengesetzgebung, d. h. Aufgabe der Politik.

Im Rahmen des Protests gegen knappe Mittel wenden einige Forscher die gezielte Durchführung von Nonsensforschung (Forschung ad absurdum) als politisches Instrument an, wobei diese Form des Protests hochproblematisch ist und in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als inakzeptabel angesehen werden muss, da sie dem Ansehen der Wissenschaft insgesamt schweren Schaden zufügt.

Die Frage der Themenfreiheit ist insbesondere relevant für die Bewertung der Aktivitäten im Bereich der Grundlagenforschung.

Forschungsfreiheit von Individuen und Organisationen

Die Universität

Seit langem Gegenstand ausführlicher Untersuchungen ist das Verhältnis des an der Universität beschäftigten Forschers. Dieser hat ein Abwehrrecht gegen den Staat, der gleichzeitig mit der Organisation Universität seine Pflicht erfüllt, Forschung zu ermöglichen. Staatlichen Hochschulen muss deshalb Hochschulautonomie eingeräumt werden. Gleichzeitig dürfen die Anforderungen der Organisation (Studienordnungen, Prüfungen, Lehrverpflichtungen usw.) nicht die individuelle Forschungsfreiheit verletzen.

Die Finanznot der Universitäten führt aber dazu, dass diese individuelle Forschungsfreiheit immer stärker eingeschränkt wird. Es ist v.a. der Zwang zur Ökonomisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse (Drittmittel, Patente, angewandte Forschung), der die Forscher zwingt, sich den scheinbar gesellschaftlich nützlichsten (d. h. ökonomisch besonders rentablen) Forschungszweigen zu widmen oder eine immer schlechter werdende Mittelausstattung hinzunehmen. Dabei betont das Bundesverfassungsgericht:

„Zugunsten der Wissenschaftsfreiheit ist stets der diesem Freiheitsrecht zugrundeliegende Gedanke mit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient.“ (BVerfGE 47, 327 (370)).

Dennoch hat das BVerfG 2004 den Abbau von Selbstverwaltungsrechten an den Universitäten gebilligt. Ebenfalls gebilligt hat es die teilweise Kopplung der staatlichen Mittelverteilung an die Drittmitteleinwerbung. Allerdings dürften Drittmittel weder alleine für die Mittelverteilung entscheidend sein, noch dürften Drittmittel, die Anreize für angewandte und ergebnisorientierte Forschung geben, hierbei berücksichtigt werden (BVerfG 1 BvR 911/00 vom 26.10.2004.

Außeruniversitäre und private Organisationen

Die individuelle Forschungsfreiheit unterliegt weitgehenden Beschränkungen, wenn der Forscher privat angestellt ist. Die Forschungsfreiheit kann - als Abwehrrecht gegen den Staat - einem Privaten (beispielsweise einem Arbeitgeber) überhaupt nicht zur Abwehr von Ansprüchen entgegen gehalten werden. Der Forscher unterliegt damit dem Direktionsrecht seines Arbeitgebers. Das ist sinnvoll, wenn man an die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen oder den Zweck der Industrieforschung denkt. Bedenklich ist jedoch, wenn – wie es vielfach in der Literatur vertreten wird – stattdessen die Organisation die Forschungsfreiheit gegen den Staat in Anspruch nehmen soll. Inwieweit sich dies mit den ursprünglichen Zielen von Wissenschaft und deren nie endender Suche nach Wahrheit verträgt, die grundsätzlich auf Transparenz, Publizität, wissenschaftlichen Diskurs und eben individueller Forschungsfreiheit beruht, sollte nicht unberücksichtigt bleiben. Während sich Universitäten unbestritten auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen können, ist die Frage, ob solche „unfreie“ Forschung im verfassungsrechtlichen Sinne noch wissenschaftlich ist, bisher unbeantwortet. Jedenfalls spricht vieles dafür, dass sich dieses Grundrecht nicht wesensmäßig auf juristische Personen übertragen (Art. 19 Abs. 3 GG) lassen sollte, wenn diese Forschungseinrichtungen nicht von einer gewissen Autonomie gekennzeichnet sind und damit ihren Forschern ein gewisses Maß individueller Forschungsfreiheit einräumen.

Häufiger ist deshalb die Forderung anzutreffen, dass Forschung ein gewisses Maß an innerer Autonomie benötigt, um durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt zu werden.

Einschränkung der Forschungsfreiheit

Forschungsfreiheit wird nicht nur berechtigt eingeschränkt (s.o.), sondern auch häufig dort, wo Forschung politisch nicht erwünscht wird. Karlheinz Ingenkamp hat darauf hingewiesen, dass häufig der Datenschutz als Argument dafür verwendet wird, z. B. Schulforschung zu behindern. Auch heute werden die großen Schulvergleichsuntersuchungen kaum von unabhängigen Instituten durchgeführt, sondern von solchen, die von Bund- oder Länderzuweisungen abhängig sind.

Die Lage in Österreich

In Österreich ist die Freiheit der Wissenschaft durch Art. 17 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 geschützt, an Universitäten darüber hinaus durch das Universitätsgesetz. In der derzeit gültigen Fassung von 2002 heißt es dazu: "§ 2. Die leitenden Grundsätze für die Universitäten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sind: 1. Freiheit der Wissenschaften und ihrer Lehre (Art. 17 des Staatsgrundge setzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867) und Freiheit des wissenschaftlichen und des künstlerischen Schaffens, der Vermittlung von Kunst und ihrer Lehre (Art. 17a des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger); (...)." (vgl. http://www.bmwf.gv.at/uploads/media/0oehs_ug02.pdf).


Literatur

  • Paul Kirchhof:Die kulturellen Voraussetzungen der Freiheit - verfassungsrechtliche Überlegungen zur Wirtschaftsfreiheit, zur Forschungsfreiheit und zur Willensbildung in einer Demokratie.Müller Jur. Verl., Heidelberg 1995, ISBN 3-8114-6895-2
  • Thomas Dickert: Naturwissenschaften und Forschungsfreiheit.Duncker, Berlin 1991,ISBN 3-428-07081-X
  • Kurt Pawlik: Forschungsfreiheit und ihre ethischen Grenzen.Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2002,ISBN 3-525-86315-2
  • Bartholomäus Manegold: Archivrecht - die Archivierungspflicht öffentlicher Stellen und das Archivzugangsrecht des historischen Forschers im Licht der Forschungsfreiheitsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG.Duncker und Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-10322-X
  • Georg Greitemann: Das Forschungsgeheimnis.Nomos-Verl.,Baden-Baden 2001,ISBN 3-7890-7559-0
  • Manuel Kamp: Forschungsfreiheit und Kommerz - der grundrechtliche Schutz mit wirtschaftlicher Zielsetzung betriebener Forschung und ihrer Verwertung, beispielhaft anhand der Arzneimittelzulassung.Duncker & Humblot, Berlin 2004, ISBN 3-428-11432-9
  • Erwin Deutsch: Forschungsfreiheit und Forschungskontrolle in der Medizin. Springer Berlin 2000, ISBN 3-540-67253-2
  • Klaus Bästlein: Datenschutz und Forschungsfreiheit. Olzog, München,1989, ISBN 3-7892-7284-1
  • Johann Bizer: Forschungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung - gesetzliche Forschungsregelungen zwischen grundrechtlicher Förderungspflicht und grundrechtlichem Abwehrrecht. Nomos-Verl, Baden-Baden 1992, ISBN 3-7890-2672-7
  • Andrea Orsi Battaglini: Freedom of information and confidentiality in scientific communication. Nomos-Verl.,Baden-Baden 1996,ISBN 3-7890-4442-3

Weblinks

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