Artikel 18 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 18 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Unter Grundrechtsverwirkung versteht man den Verlust einzelner Grundrechte in einem bestimmten Verfahren gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

Wortlaut

Artikel 18
Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Erläuterungen

Nur die in Artikel 18 abschließend genannten Grundrechte (Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit; Lehrfreiheit; Asylrecht; Recht auf Eigentum; Versammlungsfreiheit; Vereinigungsfreiheit und das Postgeheimnis) können verwirkt werden. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich daher, dass das allgemeine Menschenrecht nach Artikel 1, die Würde des Menschen, weiter unantastbar bleibt. Auch die Religionsfreiheit ist ausgenommen, was ihren hohen Stellenwert im Verfassungsgefüge verdeutlicht.

Die Grundrechtsverwirkung kann auch zeitlich beschränkt oder wieder zurückgenommen werden.

Da das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsverwirkung aussprechen muss, kommt es zu sehr langen Verfahrensdauern. Zudem stellt das Gericht strenge Anforderungen. Da Art. 18 der Abwehr von Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung diene, bedürfe es einer Prognose, nach der vom Antragsgegner weiterhin eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung ausgehe. Diese Gefahr war in den bisherigen Fällen nicht bewiesen oder wegen der bis zur Entscheidung bereits ergangenen strafrechtlichen Sanktionen gar nicht mehr vorhanden. Dies hat dazu geführt, dass dieses Instrument der sog. streitbaren Demokratie in der Praxis bedeutungslos blieb.

Das Grundrechtsverwirkungsverfahren nimmt unter den übrigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen geringen Stellenwert ein. Die Verfahrensvorschriften sind in §§ 36–42 BVerfGG festgelegt.


Das Grundrechtsverwirkungsverfahren kann nur beim BVerfG durchgeführt werden. Ein Antrag für eine Grundrechtsverwirkung kann nur von dem Bundestag, der Bundesregierung oder einer Landesregierung gestellt werden. Zunächst wird in einem Vorverfahren geprüft, ob der Antrag zulässig und hinreichend begründet ist. Danach ergeht der Beschluss, ob eine mündliche Verhandlung (das Hauptverfahren) durchzuführen ist. Das BVerfG ist befugt, Ermittlungen einzuleiten und auch Zwangsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahmen anzuordnen. Das Grundrechtsverwirkungsverfahren kann sich gegen jeden Grundrechtsträger (natürliche oder juristische Personen) richten.

Das BVerfG untersucht in einer mündlichen Verhandlung, ob eine Gefahr für die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung vorgelegen hat bzw. in Zukunft fortbestehen wird.

Entsprechen die Tatsachen dem Antrag, so stellt das BVerfG fest, welche Grundrechte verwirkt wurden. Der Entzug der Grundrechte erfolgt mit dem Zeitpunkt der Entscheidung. Eine Verwirkung kann nach § 40 BVerfGG auch wieder aufgehoben werden.

Bisher (Stand 2005) wurden vier Verfahren beim Bundesverfassungsgericht angestrengt. Die Anträge wurden aber sämtlich zurückgewiesen; es wurde demnach noch keine Grundrechtsverwirkung ausgesprochen. Antragsgegner waren jeweils Deutsche, die in besonderer Weise nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet hatten:

  • In BVerfGE 11, 282 (2 BvA 1/56) der zweite Vorsitzende der (vom Bundesverfassungsgericht kurz zuvor verbotenen) Sozialistischen Reichspartei.
  • In BVerfGE 38, 23 (2 BvA 1/69) der Herausgeber der Deutschen National-Zeitung.
  • In 2 BvA 1/92 und 2 BvA 2/92 waren bereits die Freiheitsstrafen der Antragsgegner wegen positiver Prognose zur Bewährung ausgesetzt worden.
Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Artikel 61 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — Die Präsidentenanklage gemäß Artikel 61 des deutschen Grundgesetzes ist ein Verfahren zur Amtsenthebung des Bundespräsidenten. Rechtsgrundlagen Artikel 61 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (1) Der Bundestag oder der Bundesrat… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — ist die wichtigste staatskirchenrechtliche Bestimmung des deutschen Grundgesetzes. Wortlaut Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Die in Bezug… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 115b des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — regelt für den Verteidigungsfall die Vereinigung der Funktion des Regierungschefs mit derjenigen des Inhabers der Befehls und Kommandogewalt. Wortlaut Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls und Kommandogewalt über die… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 19 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — enthält verschiedene allgemeine Regelungen für die verschiedenen Grundrechte des deutschen Grundgesetzes. Wortlaut Artikel 19 (1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann,… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 92 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — bildet die Eingangsnorm im Grundgesetz Abschnitt Die Rechtsprechung. Wortlaut Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 57 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — regelt die stellvertretende Ausübung der Funktion des Staatsoberhauptes der Bundesrepublik Deutschland. Inhaltsverzeichnis 1 Wortlaut 2 Erläuterungen 3 Rechtsvergleich …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 58 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — regelt die Gegenzeichnung der Akte des Bundespräsidenten durch Mitglieder der Bundesregierung. Wortlaut Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 30 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — ist die grundsätzliche Norm für die Zuständigkeitsabgrenzung von Bund und Ländern. Wortlaut Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 31 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — enthält eine Kollisionsnorm in der föderalen deutschen Rechtsordnung. Wortlaut Bundesrecht bricht Landesrecht. Erläuterungen Die Vorschrift normiert den Geltungsvorrang jedweden Bundesrechts (Grundgesetz, Bundesgesetzes, Bundes Verordnungen) vor… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 103 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — besteht aus drei Absätzen, in denen drei grundrechtsgleiche Justizgrundrechte geregelt sind. Wortlaut Artikel 103 (1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — Der Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung von 1992 wird auch als Europa Artikel bezeichnet. Im Jahre 1992 wurde er neu eingefügt (BGBl. I 92, 2086) und ersetzte somit den vormaligen[1] Artikel 23, den… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”