Leonard Woolf

Leonard Woolf
Leonard Woolfs Büste von Charlotte Hewer im Garten von Monk’s House, Rodmell, Sussex

Leonard Sidney Woolf (* 25. November 1880 in London; † 14. August 1969 in Rodmell, Sussex) war zu seiner Zeit ein angesehener britischer Verleger, Autor und Publizist. Er gilt neben Woodrow Wilson als bedeutender Vertreter des Idealismus, einer der Hauptströmungen innerhalb der Theorieentwicklung der Internationalen Beziehungen. Heute dominiert seine Rolle als Ehemann der Schriftstellerin Virginia Woolf die Darstellung seiner Person in der öffentlichen Wahrnehmung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Leonard Woolf war das dritte von zehn Kindern des jüdischen Barristers Solomon Rees Sidney und Marie Woolf, geb. de Jongh (ein barrister ist ein an den höheren Gerichten zugelassener Rechtsanwalt). Als sein Vater 1892 im Alter von 47 Jahren starb, wurde Leonard auf ein Internat nahe Brighton geschickt. Bereits als 14-Jähriger brach Leonard mit der Religion seiner Eltern und erklärte seiner Mutter, er würde nie wieder eine Synagoge von innen sehen wollen. Von 1894 bis 1899 besuchte er die St Paul's School in London und erhielt 1899 ein Stipendium für das Trinity College, Cambridge, wo er bei den Cambridge Apostles aufgenommen wurde; andere „Apostel“ waren beispielsweise Lytton Strachey, Clive Bell, Thoby Stephen, der Bruder seiner späteren Frau Virginia, John Maynard Keynes, E. M. Forster, sowie Bertrand Russell. Woolf erwarb 1902 einen B.A.-Abschluss, studierte aber noch ein fünftes Jahr, um sich auf die Aufnahmeprüfung für den öffentlichen Dienst vorzubereiten.

George Charles Beresford: Porträt der Virginia Woolf, 1902

Im Oktober 1904 begann Woolf als Referendar (cadet) im öffentlichen Dienst Ceylons in Jaffna; bis August 1908 war er zum Vizeregierungsagenten in der Südprovinz aufgestiegen, wo er den Bezirk Hambantota verwaltete. Im Mai 1911 nahm er ein Jahr Urlaub und kehrte nach England zurück. Er quittierte den öffentlichen Dienst im Mai 1912 und heiratete am 10. August 1912 Adeline Virginia Stephen, die später als Schriftstellerin Virginia Woolf weltbekannt werden sollte. Das Ehepaar erwarb sich erheblichen Einfluss in der Bloomsbury Gruppe, zu der auch verschiedene andere „Apostel“ gehörten. Da seine Frau unter einer Bipolaren Störung litt, widmete Woolf ihrer Pflege viel Zeit, wenn ein neuer Krankheitsschub einsetzte. Zu den Rätseln ihrer Ehe gehören die häufigen anti-semitischen Ausfälle Virginia Woolfs, die er anscheinend still ertragen hat.[1]

Nach seiner Heirat wandte sich Woolf der Schriftstellerei zu und veröffentlichte 1913 seinen ersten Roman The Village and the Jungle, in dem er seine Erfahrungen im Kolonialdienst verarbeitete. In einem Rhythmus von etwa zwei Jahren folgten weitere Bücher. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Woolf als untauglich ausgemustert und engagierte sich in Politik und Soziologie. Er wurde Mitglied der Arbeiterpartei sowie der „Fabian Society“ und lieferte dem „New Statesman“ regelmäßig Beiträge. 1916 schlug er in seiner Schrift „International Government“ eine Organisation vor, die den Weltfrieden durchsetzen sollte.

Im Jahr 1917 kauften die Woolfs eine kleine handbetriebene Druckerpresse, Grundlage für den berühmten Verlag Hogarth Press. Ihr erstes Projekt war ein 34-seitiges Heft mit dem Titel Two Stories, mit je einem Beitrag des Ehepaares, von Hand gesetzt, gedruckt und gebunden. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte sich Hogarth Press zu einem großen Verlag mit hoch angesehenen Autoren, wie T. S. Eliot und Sigmund Freud. Im März 1938 übergab Virginia Woolf ihre Verlagsanteile an den Schriftsteller John Lehmann, mit dem Leonard Woolf bis zum Jahr 1946 zusammen arbeitete; danach wurde Hogarth Press ein Subunternehmen von Chatto und Windus.

Monk’s House: Gartensituation mit den Büsten und Gedenktafeln

1919 wurde Woolf Herausgeber der „International Review“ und Redakteur der internationalen Sektion von „Contemporary Review“ (1920–1922). Er war Literaturredakteur von „Nation Anthenaeum“ (1923–1930), Mitherausgeber von „Political Quarterly“ (1931–1959) und diente eine Zeit lang der Arbeiterpartei als Berater in Komitees, die sich mit internationalen und kolonialen Fragen beschäftigten.

Woolf starb am 14. August 1969; seine Urne wurde unter einer Ulme im Garten seines Wohnsitzes Monk’s House, Rodmell, Sussex, neben dem Grab seiner Frau beigesetzt, die am 28. März 1941 freiwillig aus dem Leben geschieden war. Büsten von Virginia Woolf (geschaffen von Stephen Tomlin) und Leonard Woolf sowie Gedenktafeln erinnern an das außergewöhnliche Schriftsteller- und Verlegerehepaar.

Sein Nachlass wird von der University of Sussex betreut.

Werke

Die nachfolgenden Bücher sind in englischer Sprache erschienen:

  • The Village in the Jungle (1913)
  • The Wise Virgins (1914)
  • International Government (1916)
  • Cooperation and the Future of Industry (1918)
  • Economic Imperialism (1920)
  • Empire and Commerce in Africa (1920)
  • Socialism and Co-operation (1921)
  • Fear and Politics (1925)
  • Essays on Literature, History, Politics (1927)
  • Hunting the Highbrow (1927)
  • Imperialism and Civilization (1928)
  • After the Deluge (Principia Politica), 3 Bände. (1931, 1939, 1953)
  • Quack! Quack! (1935 )
  • Barbarians At The Gate (1939)
  • The War for Peace (1940)
  • A Calendar of Consolation (ausgewählt von Leonard Woolf, 1967)

Autobiographische Werke

Sofern nicht anders angegeben, sind die nachfolgenden Bücher in englischer Sprache erschienen:

  • Sowing (1960)
  • Growing (1961)
  • Ceylon Diaries (1963)
  • Beginning Again (1964)
  • Downhill all the Way (1967)
  • The Journey not the Arrival Matters (1969)
  • Mein Leben mit Virginia. Erinnerungen. 6. Aufl., Fischer-Taschenbuch-Verl., Frankfurt am Main 2003 (= Fischer-Taschenbücher; 5686), ISBN 3-596-25686-0. (deutsch; hrsg. von Friederike Groth) (Anmerkung: Das Buch konzentriert sich auf die gemeinsame Zeit der Ehe, beschränkt sich aber nicht darauf. Sehr persönliche Betrachtungen zu Virginia Woolf aus nächster Nähe.)

Sekundärliteratur

  • Victoria Glendinning: Leonard Woolf. A Life. Simon & Schuster, London 2006, ISBN 978-0-743-22030-9. (engl.; Biographie)
  • Hermione Lee: Virginia Woolf. Ein Leben. Fischer-Taschenbuch-Verl., Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-596-17374-7. (dt. Übers.; engl. Originaltitel: Virginia Woolf) (Anmerkung: Darin sind auch ausführliche Schilderungen von Leonard Woolfs Leben enthalten.)
  • George Spater, Ian Parsons: Porträt einer ungewöhnlichen Ehe. Virginia & Leonard Woolf. Überarb. Neuausg., Fischer-Taschenbuch-Verl., Frankfurt am Main 2002 (= Fischer; 13445), ISBN 3-596-13445-5. (dt. Übers.; engl. Originaltitel: A marriage of true minds; mit einem Nachw. von Quentin Bell) (Anmerkung: Die englische Originalausgabe erschien 1977 bei Jonathan Cape Ltd./The Hogarth Press, London. George Spater katalogisierte das Woolf-Archiv. Ian Parsons war Freund und Geschäftspartner Leonard Woolfs nach der Fusion der Hogarth Press mit Chatto & Windus.)
  • Peter Wilson: The International Theory of Leonard Woolf. A Study in Twentieth-Century Idealism. Palgrave Macmillan, 2003, ISBN 978-0-312-29473-1. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zur Frage des Antisemitismus bei Virginia Woolf vgl.: Jean Moorcroft Wilson: Virginia Woolf and Anti-Semitism. Cecil Woolf, London 1995 (= The Bloomsbury heritage series; 8), ISBN 1-897967-40-3. (engl.)

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