Liber Vagatorum

Liber Vagatorum
Bettlerfamilie auf dem Weg zur Stadt. Titelblatt des Liber vagatorum (1510)

Der Liber Vagatorum ist eine Zusammenschau der Bettlertypen und ihrer „Arbeitstechniken“ in der frühen Neuzeit und war dazu gedacht, dem des Lesens meist unkundigen einfachen Volk vorgetragen zu werden. Seine große Auflage wurde durch den Buchdruck mit beweglichen Lettern ermöglicht.

Der Liber Vagatorum besteht aus drei Teilen. Im ersten werden 28 unterschiedliche Bettlertypen vorgestellt, im zweiten Anmerkungen zum ersten Teil gemacht und zwei reale Fälle von Falschbettlerei genannt. Der dritte Teil besteht aus einem „Vocabularius“, einem Wörterbuch des Rotwelschen. Das Vokabular stellt eine Mischung von Wörtern verschiedener geheimer Gauner und Vagabundensprachen dar. Das „Rotwelsch“ ist eine historische Konstruktion, das von den Gegnern der Sprecher so angenommen wurde, jedoch einheitlich nie existierte.

Das 1510 erstmals in Pforzheim herausgegebene Büchlein wurde lange Zeit sowohl Pamphilus Gengenbach, Sebastian Brant und anderen Schriftstellern dieser Zeit zugeschrieben. Die niederrheinische Ausgabe (ebenfalls um 1510 erschienen) enthält ein Vorwort des Übersetzers zum 3. Teil, welches besagt, dass „ein Spitalmeister up dem Ryn geweten hefft de dan dit bock to Pfortzen int erste heft drucken laten [...]“ (es einen Spitalmeister am Rhein gegeben habe, der in Pforzheim den Druck des ersten Heftes in Auftrag gegeben habe). Zwischen 1500 und 1524 war Matthias Hütlin Inhaber dieses Amtes und kann somit als der Verfasser des Buches gelten. Endgültig kann dies aber wahrscheinlich nie bewiesen werden, da der einzige andere Verweis auf den Autor im Liber Vagatorum selbst zu finden ist; ein „expertus in trufis“ bekennt sich da zur Autorenschaft.

Im Jahre 1450 wird das „Basler Rathsmandat wider die Gilen und Lamen“ veröffentlicht. In diesem wird auch eine ausführliche Liste von Vokabeln des Rotwelschen geliefert; der Liber Vagatorum stützt sich in seinem Vokabularteil größtenteils auf die dort bekanntgemachten Vokabeln. Nach Girtler (1998, S.28) „wurden einige Wörter falsch abgeschrieben oder falsch verstanden, sodass der Liber Vagatorum gegenüber seinem Vorbild eher eine Verschlechterung darstellt.“ Im Jahre 1528 veröffentlichte Martin Luther das Werk unter dem Titel: Von der falschen Bettler und Büberei neu. (Girtler 1998, S.28)

Literatur

  • Heiner Boehncke; Rolf Johannsmeier: Das Buch der Vaganten - Spieler Huren Leutbetrüger, Prometh Verlag, Köln 1987
  • Roland Girtler: Rotwelsch. Böhlau, Wien, Köln, Weimar 1998, ISBN 3-205-98902-3
  • Robert Jütte: Abbild und soziale Wirklichkeit des Bettler- und Gaunertums zu Beginn der Neuzeit: sozial-, mentalitäts- u. sprachgeschichtl. Studien zum Liber vagatorum (1510). Köln; Wien: Böhlau 1988 ISBN 3-412-00288-7
  • Angelika Kopečný: Fahrende und Vagabunden - Ihre Geschichte, Überlebenskünste, Zeichen und Straßen. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1980
  • Frieder Schanze: Die älteren Drucke des Liber vagatorum. In: Gutenberg-Jahrbuch 70 (1995), S. 143-150 ISSN 0072-9094 [1]

Weblinks


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