Liber notarum

Liber notarum

Liber notarum (dt: Notizbuch) ist der Titel der Aufzeichnungen, die der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard während seiner Zeit an der Kurie in Rom in den Jahren 1483 bis 1506 angefertigt hat. Historische Bedeutung kommt diesem Werk vor allem deshalb zu, weil es eine zeitgenössische Quelle zu zahlreichen Vorgängen am Hof der Päpste Innozenz VIII., Alexander VI., Pius III. und Julius II. darstellt.

Das Werk und seine historische Bedeutung

Johann Burckard stellt seinen Aufzeichnungen folgendes voran:

Verfaßt von Johannes Burckard aus Straßburg, Protonotar des Heiligen Stuhls, Kleriker der päpstlichen Kapelle und Zeremonienmeister, zu allen mit Zeremonien zusammenhängenden Geschehnissen und zu einigen anderen, die darüber hinaus gehen.

In aller Ausführlichkeit beschreibt Burckard darin zunächst den Ablauf kirchlicher Zeremonien - denn zu seinen Aufgaben als Zeremonienmeister des Papstes gehörte, dass die liturgischen Bestimmungen eingehalten wurden. Er hielt darin fest, welche Gebete, Gesänge oder Riten bei welchen Gelegenheiten praktiziert wurden. Ebenso oblag ihm auch die Regelung aller protokollarischen Fragen, etwa beim Empfang von Gesandtschaften bei Papst oder Kurie. Beiden Bereichen - der Liturgie wie dem diplomatischen Protokoll - kam in den Zeiten der Renaissance ein wesentlich höherer Stellenwert bei, da die Päpste nicht nur Führer der Kirche, sondern auch Territorialfürsten eines eigenen Staates waren.

Die historische Bedeutung von Burckards Werk beschränkt sich allerdings nicht auf die detaillierte Schilderung der Liturgie oder protokollarischer Gepflogenheiten, sondern dass er Gespräche mit seinem Dienstherren, dem Papst, ebenso festhielt wie alle Ereignisse im Umfeld der Kurie. Er pflegte Kontakt mit Kardinälen und Gesandten, verzeichnet aber ebenso getreulich in Rom kursierende Gerüchte und Geschichten. Damit hilft er ein lebendiges Bild einer Renaissancestadt zu zeichnen, die sich - obwohl in religiöser Hinsicht caput mundi („Haupt der Welt“) Dreh- und Angelpunkt der europäischen Politik - einer gewissen Leichtlebigkeit und Frivolität, wie auch unverblümt zur Geschau gestellter Prunksucht der geistlichen Fürsten nicht enthielt.

Burckards besonderes Interesse galt nämlich auch all jenen Geschichten und Geschichtchen, die man zuallererst nicht am päpstlichen Hof verorten würde. Berichte über Orgien, Ausschweifungen und Exzesse aller Art gehören ebenso dazu, wie die Schilderung von Mord und Verschwörungen.

So haben Burckards Notizen einen Gutteil dazu beigetragen, beispielsweise den Ruf Alexander VI. als eines ausschweifenden Renaissancefürsten nachhaltig zu prägen. Eine Vielzahl von Berichten über Orgien mit einer noch größeren Anzahl von leicht (oder nicht-)bekleideten Kurtisanen finden ihren Ursprung in Burckards Schriften.

Doch sind Burckards diesbezügliche Berichte mit Vorsicht zu genießen. Obwohl päpstlicher Zeremonienmeister, hatte er doch noch nicht zu allen Veranstaltungen, Festen und natürlich den Orgien Zutritt. Was Burckhard nicht selbst erlebt hat, lässt er sich von Gewährsleuten berichten, und so berichtet er oft aus zweiter, manchmal sogar dritter Hand. Geben die Berichte über die Gespräche mit den Päpsten ein bezeichnendes Bild der jeweiligen Stimmungslagen und Launen der verschiedenen Pontifices wieder, so sind seine Schilderungen diverser Ausschweifungen in den varikanischen Gemächern zweifellos durch die lebhafte Phantasie des Schreibers (und seiner Gewährsleute) mitgeprägt worden.

Wie der deutsche Historiker Volker Reinhardt in seiner Biographie Alexander VI. Der unheimliche Papst festhält, taugt Burckard nur bedingt als Beleg für die zahllosen Verfehlungen der Päpste. So schreibt er „Zum Kronzeugen für Orgien im Papstpalast sollte man Burckard daher nicht machen. Man tut ihm kaum unrecht, wenn man ihm unterstellt, daß er gerne dabei gewesen wäre, sich in Ermangelung einer Einladung aber mit seiner Phantasie behilft. Doch das alles mindert den Aussagewert seines Notizbuchs nicht entscheidend. Glaubwürdig ist es vor allem dann, wenn es unscheinbare Begebenheiten festhält, ohne daraus weitreichende Schlußfolgerungen zu ziehen.“

Literatur

  • Celani E. (Hrsg.): Johannis Burckardi Liber Notarum ab anno 1483 usque ad annum 1506; , Città di Castello, 1910-1912; in der Reihe L.A.Muratori (Hrsg) Rerum italicarum Scriptores t.XXXII

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