Lindauer Psychotherapie-Wochen

Lindauer Psychotherapie-Wochen
Basisdaten
Durchschnittliche
Teilnehmerzahl:
3800 Personen
Fachrichtungen: Ärzte,
Psychologen,
Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeuten,
Sozialpädagogen
Tagungsort: Lindau (Bodensee)
Wiss. Leitung: Manfred Cierpka
Verena Kast
Veranstalter: Vereinigung für psychotherapeutische
Fort- und Weiterbildung e.V.
Vorstand der Vereinigung
2007-2009:
Barbara Wirsching
Rudolf Kost
Reinhard Hirsch
Adresse: Lindauer Psychotherapiewochen
Platzl 4 A
D-80331 München
Website: [1]

Die Lindauer Psychotherapiewochen (LP) sind als Fachtagung in erster Linie für die psychotherapeutische Fort- und Weiterbildung von Ärzten, Diplom-Psychologen sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten insbesondere in tiefenpsychologischer Psychotherapie gedacht. Sie werden seit 1950 einmal jährlich im April in Lindau ausgetragen. Seit 1967 wird die Tagung von der Vereinigung für psychotherapeutische Fort- und Weiterbildung e.V. veranstaltet.

Wissenschaftliche Leiter sind Manfred Cierpka (seit 1990) und Verena Kast (seit 2001).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Von der 1948 wieder gegründeten Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie (AÄGP) ging 1950 die Initiative zur Einrichtung einer Lindauer Psychotherapiewoche aus. Dieser erste Psychotherapiekurs wurde von Ernst Speer geleitet, der seit 1922 in Lindau eine der ersten psychotherapeutischen Kliniken leitete.

In der Promotionsarbeit von Jens Steinat mit dem Titel "Ernst Speer (1889-1964) Leben-Werk-Wirkung" wird unter anderem die Gründung der Lindauer Psychotherapiewochen dargestellt. (abrufbar unter: Universität Tübingen )

1956 – keine Lindauer Psychotherapiewoche – Nachdem die Teilnehmer- und Mitarbeiterzahlen auf etwa 300 anstiegen, vergrößerte sich dementsprechend auch das Angebot der Themen. 1955 wurde zwischen Ernst Speer und Ernst Kretschmer vereinbart, dass im Jahr 1956 keine Tagung stattfinden sollte, um anderen Veranstaltungen der ÄAGP mehr Raum zu geben. Danach fanden nach 1-jähriger Pause 1957 die Lindauer Psychotherapiewochen bis heute wieder jährlich statt.

1958 leitet Ernst Speer zum letzten Mal die Lindauer Psychotherapiewoche. Helmuth Stolze übernimmt nun von seinem Onkel Ernst Speer die Tagungsleitung. Schon 1949 hatte H. Stolze bei den von E. Kretschmer durchgeführten Kursen für Psychotherapie mit seiner psychotherapeutischen Weiterbildung begonnen. Mit seiner mutigen Entscheidung, ab 1959 die Verantwortung für Organisation und Gestaltung zu tragen, hat H. Stolze 20 Jahre lang als Leiter das didaktisch-wissenschaftliche Konzept und eine besonders kollegiale und allen psychotherapeutischen Richtungen aufgeschlossene Atmosphäre geprägt. Eine neue Entwicklung begann in Lindau zur Förderung von Selbsterfahrung und Übung in neuen Verfahren. So erwies es sich als richtig, ab 1959 eine zweite Woche mit Übungen und Seminaren zur ständigen Einrichtung zu machen.

Als Hanns Ruffin 1959 den Vorsitz der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie und Stolze die Leitung der Lindauer Psychotherapiewoche übernommen hatte, wurde die Formel gefunden, dass die Lindauer Psychotherapiewoche im Einvernehmen mit der AÄGP veranstaltet werden.

Von der 11. Lindauer Psychotherapiewoche 1961 an wurden in jedem Jahr in Lindau neue Selbsterfahrungsgruppen, deren Mitglieder sich einer Selbsterfahrung in analytischer Gruppenpsychotherapie unterzogen und mit dieser fraktionierten Arbeit von jährlich zwei bis vier Sitzungsperioden einen neuen möglichen Weg der analytisch orientierten Weiterbildung erprobten, angeboten. Diese Arbeit in den analytischen Selbsterfahrungsgruppen wurde in der Folgezeit ein wichtiger Baustein der psychotherapeutischen Weiterbildung. Bereits 1951 hatte W. Schindler die Gruppenarbeit im Rahmen der Lindauer Psychotherapiewochen vorgestellt

Erich Lindemann, ein deutscher Psychiater, emigrierte nach einjähriger Tätigkeit bei Viktor von Weizsäcker in Heidelberg in die Vereinigten Staaten nach Harvard. Für viele der jüngeren Teilnehmer repräsentierte er eine väterliche Figur mit der herausragenden Fähigkeit, Kommunikation und Integration unterschiedlicher Charaktere und Meinungen zu fördern… Diese Begabung machte sich in der von Lindemann seit 1960 in Lindau geleiteten Selbsterfahrungsgruppe sehr positiv bemerkbar.

Ernst Speer starb am 28. März 1964 in Lindau, auch Ernst Kretschmer starb in diesem Jahr.

1965 übernimmt das „Programmkomitee“ die Gestaltung der Leitthemen und Vorträge, zu dem zusammen mit H. Stolze (München), H. Harlfinger (Tübingen- Wehen), D. Langen (Tübingen-Mainz), L. Schlegel (Zürich), E. Wiesenhütter (Würzburg-Tübingen-Bethel), W. Wunnenberg (Hamburg), P. Hahn (Heidelberg) gehörten.

1967 Gründung der „Vereinigung für psychotherapeutische Fort- und Weiterbildung e.V.“ unter dem Vorsitz von Paul Kluge, die nun als juristischer Träger der Lindauer Psychotherapiewochen fungiert.

Die Lindauer Psychotherapiewochen entwickelten sich in den 70er Jahren von einer reinen Vortragsveranstaltung zu einer Tagung, bei der in immer größerem Umfang Kurse, Seminare und Übungen angeboten werden. Das Programm ist nun so gegliedert, dass jede der beiden Wochen unabhängig von der anderen besucht werden kann.

1974 übernahm Helmut Remmler offiziell zusammen mit Helmuth Stolze die Leitung, nachdem er schon seit 1973 an der Planung des Programms und in der Organisation mitgewirkt und sich seit vielen Jahren als Mitarbeiter der Psychotherapiewochen engagiert hatte.

1978 beendete Helmuth Stolze nach 20 Jahren seine Tätigkeit in der Leitung der Lindauer Psychotherapiewochen und gibt sie an seine Nachfolger Helmut Remmler, Peter Buchheim und Theodor Seifert weiter.

Immer wieder sind weltbekannte Psychotherapeuten Referenten in Lindau. 1976 und 1983 stellte Paul Watzlawick, aus Österreich stammender Psychoanalytiker und Soziologe, seine „Psychotherapeutische Kommunikationstheorie“ den interessierten Tagungsbesuchern vor.

Ab 1984 steht jede der beiden Psychotherapiewochen unter einem eigenen Leitthema – beide Wochen sind ab jetzt inhaltlich und organisatorisch gleich strukturiert.

1986 wird Helmut Remmler als Mitglied der wissenschaftlichen Leitung verabschiedet. Nun leiteten Peter Buchheim und Theodor Seifert zu zweit die Lindauer Psychotherapiewochen. Manfred Cierpka, Psychiater und Psychoanalytiker aus Ulm, der schon seit 1989 an der Programmgestaltung mitwirkte, trat nach Wahl durch den Vorstand der Vereinigung in die Leitung ein. Die Mitglieder des Vorstands der „Vereinigung für Psychotherapeutische Weiterbildung“ sind Peter-Christian Fink, Werner Stucke, Barbara Buddeberg-Fischer. Ehrenmitglieder der Vereinigung sind Clemens Henrich und Paul Kluge.

1987 ist Otto F. Kernberg erstmals in Lindau. Er hält Vorträge zu den Themen „Konzepte der psychotherapeutischen Beziehung“ und „Was wirkt in der Psychotherapie von schweren Persönlichkeitsstörungen?“

Die Beziehungen zwischen AÄGP und LP wurden durch Persönlichkeiten geprägt, die sich in den Vorstandsgremien beider Organisationen für eine Weiterentwicklung der Psychotherapie in unserem Lande eingesetzt haben. Dieses Bemühen verbindet sich in den Anfängen mit den Namen E. Kretschmer, H. Ruffin und Winkler, später mit H. Enke, Rechenberger, Annelise Heigl-Evers und Paul Kluge. Werner Stucke hatte über viele Jahre sowohl den Vorsitz in der AÄGP als auch in der Vereinigung für Psychotherapeutische Weiterbildung innegehabt und in Lindau den Informationsveranstaltungen zu Fragen der psychotherapeutischen Weiterbildung einen bis heute wichtigen Stellenwert verliehen.

David Orlinsky, bekannter Psychotherapieforscher und früherer Präsident der "North American Society for Psychotherapy Research", referiert 1996 und 1998 zum Thema „The professional and personal development of psychotherapists“. Bereits 1991 wurden in Zusammenarbeit mit dem „Collaborative Research Network (CRN)“, David Orlinsky, und Horst Kächele Untersuchungen zur „Entwicklung, Weiterbildung und Tätigkeit von Psychotherapeuten“ mit Teilnehmern der 41. Lindauer Psychotherapiewochen durchgeführt

1998 scheidet Theodor Seifert aus dem Leitungsteam aus, steht als Berater der Leitung und als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat aber weiterhin den Lindauer Psychotherapiewochen zur Verfügung. Peter Buchheim und Manfred Cierpka leiten die Tagung nun zu zweit.

Ab 2001 ist Verena Kast Teil der Wissenschaftlichen Leitung, aus der Peter Buchheim 2003 austritt.

Herbstmodule

1996 wurden die Herbstmodule in Erweiterung des Modul-Programms eingeführt.

  • 1996 „Angstkrankheiten“
  • 1997 „Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen“
  • 1998 „Psychotherapie des Traumas“
  • 1999 „Psychotherapie der Dissoziativen Störungen“
  • 2000 „Psychotherapie der Somatisierungsstörungen“

Qualitätssicherung

In Zusammenarbeit mit David Orlinsky, Chicago, und dem „Collaborative Research Network (CRN)“ und mit Horst Kächele, Leiter der Forschungsstelle für Psychotherapie in Stuttgart, wird mit den Teilnehmern der 41. Lindauer Psychotherapiewochen 1991 eine Untersuchung zur „Entwicklung, Weiterbildung und Tätigkeit von Psychotherapeuten“ durchgeführt. Die ersten Ergebnisse der bei 550 Teilnehmern der 41. Lindauer Psychotherapiewochen durchgeführten Untersuchung, die im Rahmen der „International Study of the Development of Psychotherapists (ISDP)“ die bislang größte Stichprobe ergab, werden in den „Lindauer Texten 1992“ von Peter Buchheim, Manfred Cierpka, I. Gitzinger, Horst Kächele, David Orlinsky in Zusammenarbeit mit A. Ambühl, Theodor Seifert, U. Willutzky und dem „Collaborative Research Network (CRN)“ veröffentlicht.

Zur Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in der psychotherapeutischen Weiterbildung in Lindau wird bereits 1993 eine Evaluations-Studie (EOS-2) bei den Teilnehmern der musischen Therapieverfahren und der analytischen Selbsterfahrungsgruppen durchgeführt. Es soll die Akzeptanz und Adäquatheit einer Fragebogenuntersuchung gerade bei diesen störungssensiblen Verfahren erkundet werden, als Grundlage für die spätere Einführung einer Evaluation aller Veranstaltungen in Lindau.

Die wissenschaftliche Leitung, Peter Buchheim und Manfred Cierpka, sowie Horst Kächele, Berater für Evaluation und Qualitätsmanagement, erarbeiten mit den Mitarbeitern einen Konsens, dass ab 1995 alle Veranstaltungen mit einem kurzen Fragebogen – der anonym ausgefüllt wird – evaluiert werden. Die Einschätzungen der Teilnehmer sollen den Mitarbeitern als Rückmeldung und der Leitung als Hilfe bei der inhaltlichen und didaktischen Programmgestaltung dienen.


Literatur

1956 gründete Ernst Speer und G. Heyer eine Vierteljahreszeitschrift für aktiv-klinische Psychotherapie unter dem Namen „Psychotherapie“ im Hans-Huber-Verlag, Bern-Stuttgart. Helmuth Stolze und Otto Spatz tauften die zweimonatig erscheinende Zeitschrift in „Praxis der Psychotherapie“ um. Die Zeitschrift wurde „Organ der Lindauer Psychotherapiewochen“ und die Lindauer Psychotherapiewochen garantierten der Zeitschrift einen wachsenden Leserkreis - Schriftleitung (1961-1970: Stolze und Wiesenhütter, 1971-1976: Dettmering und Hahn, neben die ab 1977 Rechenberger trat). In den nun folgenden 20 Jahrgängen wurden im Interesse der psychotherapeutischen Fort- und Weiterbildung die Vorträge der Lindauer Psychotherapiewochen möglichst vollständig gebracht, wenn auch gelegentlich nur in Kurzfassungen.

1977 wurde die Zeitschrift vom Springer-Verlag, Heidelberg, übernommen und 1979 trat einer der Leiter der Lindauer Psychotherapiewochen, Theodor Seifert, in die Schriftleitung ein. 40 Jahre Lindauer Psychotherapiewoch und 35 Jahrgänge der Zeitschrift „Praxis der Psychotherapie und Psychosomatik“ stehen für Zeiträume zweier Entwicklungen, die aufs engste miteinander verflochten sind.

Die Vorträge der 40. Lindauer Psychotherapiewochen zu den Leitthemen „Psychotherapie im Wandel“ und „Abhängigkeit“ werden 1991 erstmals in der beim Springer Verlag erscheinenden Buchreihe „Lindauer Texte“ veröffentlicht und den Teilnehmern der Psychotherapiewochen zur Vertiefung ihrer psychotherapeutischen Fort- und Weiterbildung in Lindau übergeben. Bis 2000 erscheinen die „Lindauer Texte“ jährlich.

Ab 1997 erscheinen die Lindauer Psychotherapie Module beim Thieme Verlag über störungsorientierte Psychotherapie.

Die Zeitschrift „Praxis der Psychotherapie und Psychosomatik“ wird im Springer-Verlag als „Psychotherapeut“ 2007 im 52. Jahrgang weitergeführt.

Weblinks


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