Madonna im Rosenhag

Madonna im Rosenhag
 
Madonna im Rosenhag
Stefan Lochner, um 1450
Mischtechnik auf Holz, 51 cm × 40 cm
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud

Den Titel Die Madonna im Rosenhag tragen zwei der bekanntesten Bilder der deutschen Kunstgeschichte.

Inhaltsverzeichnis

Die Lochner-Madonna

Das kleinformatige Bild „Madonna im Rosenhag“ ist eines der letzten Bilder von Stefan Lochner.

Zentrale Figur ist die vor einer Rasenbank sitzende, in einen leuchtend blauen Mantel gehüllte Maria. Auf ihrem Schoß befindet sich das Jesuskind, das in der Hand einen Apfel hält - Sinnbild der Überwindung der Erbsünde durch den Kreuzestod Christi. Geflügelte, vielfarbige Engel umrahmen die Figur der Madonna mit dem Kind. Vier im Vordergrund sitzende Engel musizieren. Die Flügel des Engels mit der Laute erinnern an die Federn eines Pfaus. Der Pfau ist unter anderem Symbol der spirituellen Wiedergeburt und somit der Auferstehung Christi. Außerdem wurden seine tausend Augen als Zeichen der Allwissenheit Gottes gedeutet.

Von symbolischer Bedeutung ist auch die Einhornbrosche Marias. Sie verweist auf Maria und Christus, da nach der Legende das scheue Einhorn nur von einer keuschen Jungfrau gefangen werden konnte. Die mit Edelsteinen geschmückte kostbare Krone, deren Glanz durch den punzierten Heiligenschein (Nimbus) nochmals betont wird, ist Zeichen ihrer königlichen Würde. Über dem Rosenhag, der Maria mit dem Kind hinterfängt, raffen zwei Engel einen schweren Brokatvorhang zur Seite: In dem durch den Goldgrund des Bildes symbolisierten Himmel erscheinen in einer Gloriole Gott Vater und die Taube des Heiligen Geistes.

Vor allem die Blumen sind marianische Symbole: Es gibt Maiglöckchen, Veilchen, Gänseblümchen, Akelei und Erdbeeren, die auch die Rasenbank bedecken. Wegen ihrer roten Früchte gemahnt die Erdbeere an die Passion Christi, die dreiteiligen Blätter verweisen dagegen auf die Trinität. Sie ist wegen ihrer Eigenschaft, gleichzeitig zu blühen und zu fruchten auch ein Symbol der Jungfräulichkeit Mariens.

Hinter der Figur Marias befinden sich rechts außerdem Madonnenlilien, die als Symbol der Reinheit, Keuschheit und der unbefleckten Empfängnis zu den bekanntesten Attributen der Jungfrau Maria gehören. Von besonderer Bedeutung sind hier aber die Rosen. Einer alten Legende zufolge hatte die Rose vor dem Sündenfall der Menschen keine Dornen und da Maria von der Erbsünde bewahrt blieb, wurde sie "Rose ohne Dornen" genannt. Infolge dieser Tradition verbreitete sich der Bildtypus der "Rosenmadonna" oder "Madonna im Rosenhag". Für letzteren Typus, in dem Maria umgeben von Engeln und Heiligen in einer Rosenlaube oder vor einem Rosenstrauch sitzt, ist Lochners Bild ein typisches Beispiel.

Die „Madonna im Rosenhag“ entspricht ebenfalls dem Typus der Madonna im Paradiesgarten, wo sie inmitten von Heiligen, Blumen und zahlreichen Mariensymbolen dargestellt wird.

 
Madonna im Rosenhag
Martin Schongauer, 1473
Mischtechnik auf Holz, 200 cm × 115 cm
Dominikanerkirche Colmar

Die Schongauer-Madonna

Eine weitere bekannte Darstellung des gleichen Themas ist die „Madonna im Rosenhag“ von Martin Schongauer, ein Altarbild, das sich heute in der Dominikanerkirche Colmar befindet. Die ursprünglich rechteckige und außergewöhnlich große Tafel (geschätzte 250 x 165 Zentimeter) wurde zu unbekanntem Datum an allen vier Seiten beschnitten und in die heute bekannte, oben abgerundete Form (200 x 115 Zentimeter) gebracht. Das Isabella Stewart Gardner Museum in Boston besitzt eine alte, kleine Kopie des unbeschnittenen Gemäldes. Die Schongauer-Madonna wurde um 1900 vom Colmarer Bildhauer Théophile Klem (1849−1923) mit einem reich verzierten neugotischen Rahmen und Seitenflügeln mit Heiligendarstellungen von Martin von Feuerstein versehen. 1972 wurde die Madonna im Rosenhag aus dem Martinsmünster gestohlen, 1973 aber zufällig wieder aufgefunden. Seitdem wird das Gemälde an sicherer Statt in der Dominikanerkirche aufbewahrt.

Die unbeschnittene Fassung des Gemäldes stellte die Madonna in einer quadratischen Laube sitzend dar, über ihr erschien der segnende Gottvater, rechts und links von der Laube freier Bildraum, in der unteren Partie ein blumenübersähter Garten. In der heutigen Fassung ist der Bildausschnitt auf den inneren Teil der Laube beschränkt, wird die Madonna mit dem Christkind somit unmissverständlich ins Bildzentrum gerückt. Die Ansicht aus unmittelbarer Nähe und die Abwesenheit von freier Bildfläche, aus der sich eine dichtgedrängte bis enge Komposition ergibt, steigern den ohnehin monumentalen Charakter der lebensgroßen sitzenden Frauengestalt, entsprechen aber nicht der Atmosphäre des ursprünglich gemalten Tafelbildes. Das Bild ist auf Goldgrund gemalt. Die Madonna trägt ein tiefrotes Kleid, das symbolisch auf das Blut der Passion gedeutet werden kann. In den Heiligenschein der Madonna ist eine lateinische Inschrift eingearbeitet: "Me carpes genito tuq(ue) o s(an)ctissi(m)a vi(rgo)". Die Übersetzung ist umstritten, eine Möglichkeit ist: "Nimm auch mich als dein Kind an, o heiligste Jungfrau". Offenbar spricht hier der Stifter des Bildes die Maria an. Alternativ wird übersetzt: "Nimm mich an, Schöpfer, und auch du, heiligste Jungfrau." Hier redet der Stifter zum Christuskind (=Schöpfer, genitor - das "r" wird rekonstruiert).[1]

Die Darstellung der Flora (Blumen und Blätter) und Fauna (Vögel) im Bild zeugt von einer genauen Beobachtung und hervorragenden Wiedergabefähigkeit der Natur und wurde dafür von jeher bewundert. Auch der Faltenwurf des Madonnenkleids sowie der anmutige, weihevoll-ergebene Gesichtsausdruck Marias gehören zu den höchstgeschätzten Aspekten des Bildes.

Vergleich

Die Gegenüberstellung der beiden Werke gehört zu den klassischen Bildvergleichen der deutschen Kunstgeschichte. Das Motiv der Madonna auf der Rasenbank ist beiden Werken gemeinsam, es entstammt der italienischen Kunst (Madonna dell'Humilità). Lochners Madonna ist ein Spätwerk des "Schönen Stils". Das mädchenhafte weiße Madonnengesicht, das überirdische Blau des Mantels, die weichen Falten und die lieblichen musizierenden Engel erzeugen eine paradiesische Atmosphäre. Schongauers Werk ist bei aller Pracht realistischer, die Madonna härter gezeichnet, die Falten ihres Kleides fallen eckiger, das Kind ist weniger babyhaft. Dies bezeugt den Einfluss der altniederländischen Malerei, beispielsweise Rogier van der Weydens, auf Schongauer.

Literatur

  • Roland Krischel: Stefan Lochner – Die Muttergottes in der Rosenlaube, E.A. Seemann Verlag, Leipzig: 2006, ISBN 3-86502-110-7.
  • Roland Krischel: Stefan Lochners "Muttergottes in der Rosenlaube". Ikonographie, Bildgeometrie und Funktion, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, Band LXVII, Köln: 2006, S. 123-160.
  • Manfred Wundram: Stefan Lochner. Madonna im Rosenhag. Werkmonographien zur bildenden Kunst. Nr. 106. Reclam: 1965.
  • Christian Heck: Die Madonna im Rosenhag. Colmar: 1990.

Einzelnachweise

  1. Mischa von Perger: Wer pflückt die Rose?, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 65.2002, 400-410.

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