Magdeburgisieren

Magdeburgisieren
Belagerung von Magdeburg
Teil von: Schwedischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg

Datum 20. Mai 1631
(10. Mai nach julianischem Kalender)
Ort Magdeburg
Ausgang Vernichtung der Stadt
Konfliktparteien
Katholische Liga protestantisches Magdeburg
Befehlshaber
Tilly, Pappenheim Dietrich von Falkenberg
Verluste
unbekannt ca. 20.000 Einwohner

Die Magdeburger Hochzeit (auch: Magdeburgs Opfergang oder danach ganz allgemein: Magdeburgisieren) bezeichnet die Verwüstung der Stadt Magdeburg am 20. Mai 1631 durch kaiserliche Truppen unter Tilly und Pappenheim im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. Der Begriff Hochzeit wurde im 30-jährigen Krieg geprägt und soll die Heirat zwischen der Jungfrau von Magdeburg, die auf dem Schild von Magdeburg abgebildet ist und sich über 100 Jahre vor den Zahlungen an den Kaiser geziert hat, und ihrer erzwungenen Vermählung mit dem Kaiser beschreiben.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Im Jahr 1524 bekannte Magdeburg sich zur Reformation und trat 1531 dem Schmalkaldischen Bund bei. Magdeburg entwickelte sich im Laufe der Jahre zum Zentrum des Widerstandes gegen die Rekatholisierung und wurde wenig später als „Unser Herrgotts Kanzlei“ und „Heilige Wehrstadt des Protestantismus“ bezeichnet. Von 1547 bis 1562 stand Magdeburg daher unter Reichsacht.

Magdeburg im Dreißigjährigen Krieg

Der Dreißigjährige Krieg begann 1618. Rund fünf Jahre später begann auch Magdeburg mit der Rüstung, allerdings wurde versucht, die Stadt aus kriegerischen Handlungen herauszuhalten. 1625 trafen erstmals kaiserliche Truppen in Magdeburg ein. 1629 führte der Krieg zu zunehmenden wirtschaftlichen Problemen. Der alte Rat wurde abgesetzt und ein neuer gewählt. Magdeburg wurde durch kaiserliche Truppen belagert, da man sich weigerte, einen Tribut von 150.000 Talern zu zahlen. 1630 trafen mit Magdeburg verbündete schwedische Soldaten ein. Ab März 1631 wurde Magdeburg erneut von kaiserlichen Truppen belagert und am 4. Mai forderte der kaiserliche General Tilly die Kapitulation der Stadt. Der sich anschließende Sturm der Stadt führte zu verheerenden Plünderungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen, die bereits damals im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation unter Todesstrafe verboten waren.

Magdeburger Hochzeit

Ab dem 10. Mai 1631 belagerten rund 26.800 kaiserliche Soldaten die Stadt. Da die angekündigten schwedischen Soldaten unter König Gustav Adolf nach der Eroberung von Frankfurt an der Oder in desolatem Zustand waren und die Truppen schwer in ihrer Pflicht zu halten waren, lehnte Gustav Adolf es ab, mit unterlegenen Kräften den Vorstoß auf Magdeburg zu wagen[1]. Währenddessen beriet der Magdeburger Rat über die Kapitulation der Stadt. Ein Beschluss wurde aber, auch weil schwedische Abgesandte sich im Rat dagegen aussprachen, nicht gefasst.

Am 20. Mai ab 7.00 Uhr kam es zu ersten schweren Geschützfeuern auf die Alte Stadt und die umliegenden Dörfer. Ab 9.00 Uhr rückten kaiserliche Truppen vor und nahmen die Stadt im Laufe des Tages ein. Angeführt wurden sie von Tilly und Pappenheim. Die Magdeburger Bürger galten als vogelfrei. Es kam zu einer enormen Anzahl von Raubzügen, Vergewaltigungen und Ermordungen, auch von Kindern und erwachsenen Zivilisten. Die Greueltaten waren so zahlreich und in ihrer Ausführung entsetzlich, dass sich sogar einige Angehörige der Kaiserlichen Armee darüber erschraken. Reiche Bürger konnten sich gegen Zahlungen bei kaiserlichen Soldaten freikaufen und unter deren Schutz die Stadt verlassen. Die Stadt wurde in Brand gesetzt, was weitere Todesopfer forderte. Beide Seiten beschuldigten sich anschließend gegenseitig, den Brand gelegt zu haben.

Die Kriegshandlungen und Plünderungen zogen sich noch über mehrere Tage hin. Zwischen 2000 und 4000 Menschen fanden Zuflucht im Magdeburger Dom. Für die Soldaten muss der Dom das letzte Tabu gewesen sein. Über die Rettung der Geflüchteten wird folgende Geschichte überliefert, die auch Legende sein könnte: Als Tilly zwei Tage nach der Schlacht den Dom öffnete, fiel der evangelische Domprediger Reinhard Bake vor ihm auf die Knie und trug in lateinischer Sprache einen abgewandelten Vers Vergils über die Zerstörung Trojas vor, worauf Tilly die Bürger verschont hat. "Das ist der Tag des Verderbs und das unabwendbare Schicksal Magedeburgs! Troier waren wir, Ilion war und der Elbestadt strahlender Ruhm!"[2]


Am Tag nach der Eroberung schrieb der kaiserliche General Pappenheim: „Ich halt, es seyen uber 20.000 Seelen darüber gegangen, und es ist gewiß seit der Zerstorung Jerusalem kein greilicher Werk und Straff Gottes gesehen worden. Alle unßere Soldaten seindt reich worden.“ Am 25. Mai fand ein katholischer Gottesdienst im Beisein von Tilly im Magdeburger Dom statt.

Papst Urban VIII. verfasste am 24. Juni ein Schreiben, in dem er seine Freude über die „Vernichtung des Ketzernestes“ zum Ausdruck brachte. Anfang 1632 besetzten erneut kaiserliche Truppen die Stadt.

Folgen

Durch die Kriegshandlungen vom 20. Mai 1631 starben rund 20.000 Magdeburger Bürger. Es gilt als das größte und schlimmste Massaker während des Dreißigjährigen Krieges, über das man in ganz Europa entsetzt war. Es hieß, die Taten und der Schrecken seien in ihrer Entsetzlichkeit „nicht in Worte zu fassen und nicht mit Tränen zu beweinen“. Die meisten der Überlebenden mussten die Stadt verlassen, da ihnen auf Grund der Zerstörungen die Lebensgrundlage genommen war. Seuchen, die in der Folge auftraten, forderten weiteren Tribut. Am 9. Mai 1631 hatte Magdeburg noch rund 35.000 Einwohner, 1639 waren es nur noch 450. Die Stadt, vor dem Krieg eine der bedeutendsten in Deutschland, verlor schlagartig ihren Einfluss und wurde in ihrer Entwicklung um mehrere Jahrhunderte zurückgeworfen. Erst im 19. Jahrhundert erreichte und überschritt Magdeburg wieder die alte Einwohnerzahl.

Durch den Westfälischen Frieden fiel Magdeburg an das Kurfürstentum Brandenburg.

Nach der Zerstörung Magdeburgs war lange Zeit der Begriff „magdeburgisieren“ als Synonym für „völlig zerstören, auslöschen“ oder als Sinnbild für „größtmöglichen Schrecken“ in die deutsche Sprache eingegangen.

Datumsangabe

Zu jener Zeit nutzen die Kriegsparteien verschiedene Kalendersysteme. Während die katholischen Truppen den neuen Gregorianischen Kalender nutzen, lehnten die protestantischen Magdeburger diesen noch ab und nutzen den alten Julianischen Kalender. Aus diesem Grunde berichten verschiedene Quellen von verschiedenen Daten, 20. Mai (gregorianisch) oder 10. Mai (julianisch).

Links

Literatur

  • Helmut Ausmus, Manfred Wille „1200 Jahre Magdeburg - von der Kaiserpfalz zur Landeshauptstadt“ Band 1, S. 518–561, Scriptum Verlag, ISBN 3933046165.
  • Manfred Köppe „Auch noch diese Stunde“, Eine Guericke-Novelle, Verlag Stekovics, ISBN 3899230450.
  • Jan N. Lorenzen: 1631 - Die Zerstörung Magdeburgs, in: ders: Die großen Schlachten. Mythen, Menschen, Schicksale, Campus Verlag, Frankfurt 2006, Seiten 55–100, ISBN 3593381222
  • Matthias PuhleGantz verheeret!, Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg“, Mitteldeutscher Verlag, ISBN 3932776623.
  • Günter Barudio: Magdeburgs Tragödie. In: Der Teutsche Krieg 1618-1648. S. Fischer Verlag, Frankfurt 1985, ISBN 3-10-004206-9, S. 363-372. 
  • Hans-Christian Huf: Mit Gottes Segen in die Hölle. List, Berlin 2004, ISBN 3-548-60500-5. 

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Barudio, S. 369
  2. Hans-Christian Huf S.157

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