- Maieinsingen
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Das Maieinsingen ist eine traditionelle Veranstaltung unter anderem in Marburg, Tübingen und anderen (Universitäts-)Städten, bei der am 30. April zum mitternächtlichen Glockenschlag in nicht-privatem Zusammenhang singenderweise der „Wonnemonat“ Mai begrüßt wird.
Inhaltsverzeichnis
Marburger Traditionen
Das Maieinsingen in Marburg ist ein Volksfest und beginnt am Abend der Walpurgisnacht mit Auftritten von stimmungsanheizenden Cover-Musikgruppen sowie Getränkeständen auf dem großen Marktplatz vor dem Rathaus. Je näher es dem Krähen des Rathaus-Blechgockels zu Mitternacht kommt, desto mehr Leute versammeln sich zu dem Ritual des gemeinsamen Der Mai ist gekommen Schmetterns. Die hauptamtlichen Repräsentanten der Stadt nutzen mit sichtlichem Vergnügen ihren jährlichen rituellen Auftritt als Vorsänger nah am Volke. Eine Stunde nach Mitternacht kehrt Ruhe ein.
Tübinger Traditionen und Konflikte
In Tübingen führte das Maieinsingen der Studentenverbindungen seit 1983 zu Konflikten zwischen Korporierten und ihren Gegnern.[1]
Das Ritual
Zum Maieinsingen marschierten Korporierte mehrerer Verbindungen, dem sogenannten Waffenring (TWR) in einem Fackelzug vom Österberg herunterkommend Richtung Altstadt, wo sie mit einer Menge Schaulustiger und teils gewaltbereiter Gegendemonstranten bis 1985 am Marktplatz, später am von der Polizei besser kontrollierbaren Holzmarkt, zusammentrafen. 2006 sprach man hierbei von 300 Korporierten und 1000 bis 2000 Zuschauern und Gegendemonstranten. Gesungen werden in Tübingen traditionell „Der Mai ist gekommen“, „Die Gedanken sind frei“ und „Alma Mater Tubingensis“, Lieder, die alte studentische Traditionen von Festen im Jahresablauf reflektieren sollen oder Freiheit (Teil des Wahlspruches sehr vieler Verbindungen) und Verbundenheit mit der Hochschulstadt (Alma Mater Tubingensis) zum Ausdruck bringen sollen.
Die Gegner werfen den Teilnehmern des Maieinsingens eine an nationalsozialistische Aufmärsche erinnernde Ästhetik vor. Tatsächlich ist das Maieinsingen keine nationalsozialistische Erfindung, sondern eine studentische Tradition. Die Studenten, die sich in dieser Nacht traditionell gegen die Verbindungen stellen, kritisieren auch die in ihren Augen oft sehr konservative Ausrichtung der Studentenverbindungen Tübingens, die in ihrem Frauenbild und ihren geschlossenen Zirkeln ein Stein des Anstoßes für verschiedene linksliberale Kräfte und Gruppierungen in Tübingen sind.
Kosten für Polizeieinsatz
Gegen den Lärm der Gegendemonstranten stimmen die Korporierten ihre Lieder an. Maieinsingen und Gegendemonstration ziehen auf Grund des „Unterhaltungswerts“ dieser Veranstaltung jährlich eine große Schar Schaulustiger an, stets zum Missfallen der Polizei und der Stadtverwaltung, die hohe Einsatzkosten beklagt, welche vom Land Baden-Württemberg und zu Anteilen von der Stadt getragen werden müssen. 2001 erwirkte das Intervenieren des damaligen Ersten Bürgermeisters Gerd Weimer eine Pause der Veranstaltung.
2006 beliefen sich die inzwischen erheblich gestiegenen Kosten angeblich auf etwa 50.000 Euro. Alle Angebote der Stadtverwaltung, das Maisingen an einem weniger zentralen Ort stattfinden zu lassen, lehnten die Verbindungen in der Vergangenheit immer kategorisch ab.[2]
2007 wurde der Fackelzug durch eine große Menge Gegendemonstranten und mobilisierte Zuschauer (ca. 2500) und ein relativ nachgiebiges Auftreten der Polizeikräfte am Erreichen des Holzmarktes gehindert. Wie im Vorjahr warfen Gegendemonstranten Flaschen, Wasserbomben und Feuerwerkskörper.
2008 sangen die etwa 200 Verbindungsstudenten auf dem Holzmarkt, geschützt von etwa 500 Polizisten. Die Kosten belaufen sich nach Schätzungen des OB Palmer auf 100.000 Euro wovon 10.000 Euro auf die Stadt Tübingen zufallen. Laut dem Einsatzleiter der Polizei Anton Saile, gab es sechs Verhaftungen wegen des Überkletterns von Sperrzäunen und Beamtenbeleidigung. (Andere Quellen sprechen von militanten Gegendemonstranten, die u.a. Böller auf Polizisten und Studenten warfen. Dies ist im Polizeibericht definitiv nicht vermerkt.)[3]
Neue Ära
2009 fiel das Maieinsingen aus, da sich der Waffenring der Studentenverbindungen in Verhandlungen mit dem Oberbürgermeister der Stadt Tübingen Boris Palmer darauf einigen konnte, statt des Maieinsingens die Bürger der Stadt zum "Bürger-Frühschoppen" am 17.Mai vor der alten Burse einzuladen. Max Gögler, stellvertretender Sprecher des Arbeitskreises Tübinger Verbindungen, der Bürgermeister der Stadt Tübingen Boris Palmer, sowie die Pro-Rektorin der Universität Tübingen Stefanie Gropper hielten versöhnliche Reden und versuchten, die auch hier vorhandenen ca. 40 Gegendemonstranten des "Bündnis gegen das Hofieren reaktionärer Seilschaften" zu mehr Tolerenz aufzufordern. Insbesondere Palmer forderte die Studentenverbindungen auf, sie „sollten sich stärker und nachdrücklicher von der politischen Rechten abgrenzen, vom "Dritten Reich" distanzieren und ihre Rolle im Nationalsozialismus endlich aufarbeiten - in ihrer vollen Differenziertheit.“[4]
Einzelnachweise
- ↑ http://www.tuebingen.de/25_2561.html
- ↑ http://www.tagblatt.de/2926740
- ↑ http://www.gea.de/sixcms/list.php?page=gea_suche_druckversion&skip=30&sv%5Bvt%5D=holzmarkt
- ↑ http://www.tagblatt.de/35709124 Verbindungen sollen ihre Geschichte aufarbeiten - Video und Bilder vom "Bürgerschoppen" (18. Mai 2009) Schwäbisches Tagblatt
Weblinks
- Video-Bericht über das voraussichtlich letzte Maieinsingen in Tübingen in Schwäbisches Tagblatt (2.Mai 2008)
- Ende einer Fehde (Druckversion) in Reutlinger General-Anzeiger (22.April 2009) abgerufen (1.August 2009)
- Einmal ohne Randale Reutlinger General-Anzeiger (19.Mai 2009)
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