Mannesmann-Poll-Dreidecker

Mannesmann-Poll-Dreidecker
Fahrwerksrad des Mannesmann-Poll-Dreideckers nach der Auffindung 1919

Der Mannesmann-Poll-Dreidecker - auch als Poll Giant Triplane [1], Forssman Tri-Plane oder Riese von Poll [2] bezeichnet - war ein nicht fertiggestelltes deutsches Großflugzeug des Ersten Weltkriegs. Es finden sich auch Benennungen wie Brüningsches Riesenflugzeug oder Brüningscher Riese.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Pläne und Flugzeugteile wurden laut den offiziellen Berichten am 15. September 1919 von einer britischen Abordnung der Interalliierten Militär-Kontrollkommission in einem Mannesmann-Hangar in Köln-Poll vorgefunden und erregten wegen der für jene Zeit gigantischen Dimensionen Aufsehen: Der Flugzeugrumpf des Dreideckers hatte eine Länge von 45,70 Metern; die Spannweite der Tragflächen betrug 50,30 Meter. Für den Antrieb hätten zehn Motoren gesorgt, von denen sich acht, paarweise in vier Gehäusen mit Schub- und Zugpropeller zusammengefasst, auf der Mitteltragfläche befanden. Das Gehäuse mit dem fünften Motorenpaar saß zentral auf der Untertragfläche, unterhalb des Rumpfes. Der Mannesmann-Poll-Dreidecker hätte eine geschätzte Geschwindigkeit von 130 km/h und die im Jahre 1919 nahezu undenkbare Reichweite von 10.500 Kilometern gehabt. In neueren Forschungen wird angezweifelt, ob der Auffindeort tatsächlich Poll war oder ob es nicht der Nachbarort Westhoven war.[3] Während das große Rad gemäß Kommisssionberichten in Poll gefunden wurde, belegen Fotos unbekannter Herkunft von Flügel- und Rumpfbauteilen den Standort Westhoven.[4] Auf diesen Fotos ist auch Villehead Forssmann als Leiter der Flugzeugbaus bei Mannesmann-Mulag abgebildet.

Verwendung

Die Hintergründe für den Bau dieses übergroßen Fliegers sind unklar. Möglicherweise sollte er als strategischer Bomber eingesetzt werden, wobei er eine zu seiner Zeit sehr große Bombenlast hätte mitführen können. Aufgrund der großen Reichweite wurde spekuliert, dass der Mannesmann-Poll-Dreidecker für einen spektakulären Angriff auf die Ostküste der Vereinigten Staaten dienen sollte. Es existiert auch die Annahme, dass Flugblätter über New York abgeworfen werden und so den USA die technologische Überlegenheit des Deutschen Reiches vor Augen geführt werden sollte. Auch der Einsatz als Frachtflugzeug wurde vermutet[5]. Mangels Dokumenten lässt sich über den tatsächlichen Einsatzzweck allerdings keine sichere Aussage treffen. Lange Zeit blieb auch unbekannt, wer für Konstruktion und Bau des Flugzeugs verantwortlich war. Die wenigen von der Kontrollkommission aufgefundenen Unterlagen nannten einen Chefingenieur namens Forstman. Da nichts über einen Flugzeugkonstrukteur dieses Namens bekannt ist, wurde allgemein angenommen, dass tatsächlich Villehad Forssman gemeint ist. Gestützt wurde diese Annahme durch die Feststellung, dass das unvollendete Flugzeug ähnliche konstruktive Merkmale und Schwächen wie ein erfolgloses viermotoriges Großflugzeug aufwies, das Forssman 1914/15 für Siemens-Schuckert baute. Erst jüngste Untersuchungen belegten, dass tatsächlich Forssman der Konstrukteur des Riesendreideckers war[6]. Gebaut wurde er zunächst wahrscheinlich bei der Firma Brüning in Hanau-Großauheim, ab 1917 zumindest teilweise bei Mannesmann-Mulag[7] in Westhoven. Forssman siedelte 1917 nach Köln um und wurde bei Mannesmann-Mulag in Westhoven 1918 Leiter des Fluzeugbaus. Es wird vermutet, dass um 1917 über einen Entwicklungsauftrag des Reichsmarineamtes für einen ferngesteuerten Torpedo Mannesmann und Forssman Kontakt zueinander fanden. Es ist nicht bekannt, ob außer den Lufttorpedos tatsächlich auch Flugzeuge in Westhoven fertig gebaut wurden.[8]

Anlagen in Poll

Es gibt keine Hinweise auf Anlagen der Firma Mannesmann in Poll. Einen spekulativen Bezug gibt es hinsichtlich Behelfsbauten der Firma Rheinwerk in Poll, deren Fabrikhallen aber laut Literatur erst 1919 gebaut wurden.[9] Dieses Werk lag in Poll unmittelbar an einem neu gebauten Abstell- und Verschiebebahnhof der Kölner Hafenbahn[10] und hatte somit sowohl einen Güterverkehrsanschluss zum 3 km entfernten Mannesmann-MULAG Werk in Westhoven, zum Deutzer Hafen und zum allgemeinen Bahnnetz. Aus den Fotografien der Flügel- und Rumpfbauteilen ergibt sich, dass große Flugzeugteile zumindest auf den letzten Kilometern mit der Eisenbahn transportiert wurden. Nach neuen Forschungen sollen die Teile über Main und Rhein per Schiff transportiert worden sein.[11]

Verbleib

Ein Teil des Rumpfes und eines der 2,20 m hohen Räder des Fahrwerks wurden nach Auffindung nach Großbritannien verschifft. Dieses Rad, 1994 restauriert, ist als einziger Überrest des Mannesmann-Poll-Dreideckers erhalten und im Imperial War Museum Duxford ausgestellt. Die restlichen Teile sollen unter alliierter Aufsicht 1919 verschrottet worden sein.[12]

Literatur

  • George William Haddow / Peter Michael Grosz: The German Giants: The Story of the R-Planes 1914-1919, Putnam, 1962
  • James Gilbert: Meistens flogen sie doch. Schweizer Verlagshaus, 1978
  • Dale Titler: Wings of Mystery: True Stories of Aviation History, Tower, 1962
  • Guenther Sollinger:Villehad Forssman: Constructing German Bombers 1914-1918, Rusavia, 2009.

Einzelnachweise

  1. http://en.wikipedia.org/wiki/Triplane
  2. Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e.V.: Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde Band 5, Eigenverlag, Köln, 1976, Gebhard Aders Der Riese von Poll
  3. Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e.V.: Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde Band 5, Eigenverlag, Köln, 1976, Gebhard Aders Der Riese von Poll
  4. G. Sollinger, THE FORSSMAN TRI-PLANE, THE LARGEST AEROPLANE OF WORLD WAR IThe Forssmann-Triplane
  5. The Forssmann-Triplane
  6. The Forssmann-Triplane
  7. [1]Familie Mannesmann, Die Mannesmann-Autos
  8. Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e.V.: Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde Band 5, Eigenverlag, Köln, 1976, Gebhard Aders, Der Riese von Poll, S 185
  9. Werkbahnforum, Europas Eisenbahnen[2]
  10. Vgl. Netzplan der HGK. Abgerufen am 3. Januar 2011.
  11. Hanauer Geschichtsvereins 1844, 2011, Vortrag Jens Arndt, Über das Brüning´sche Riesenflugzeug [3]
  12. Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e.V.: Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde Band 5, Eigenverlag, Köln, 1976, Gebhard Aders, Der Riese von Poll, S 180

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