Mannesmann-MULAG

Mannesmann-MULAG
Mannesmann-MULAG L57 Baujahr 1913, 42 PS, 3,5 t
Mannesmann-MULAG L57a Baujahr 1913, 42 PS, 3,5 t (Exportversion für das Russische Reich)
Mannesman-MULAG Baujahr um 1919 in Tampere in Finnland (1921)

Die Mannesmann-MULAG AG (MULAG ist die Abkürzung von Motoren und Lastwagen AG) war ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Aachen, das Automobile und Nutzfahrzeuge herstellte und dabei einige Innovationen herausbrachte. Im Jahre 1900 als Fritz Scheibler Motorenfabrik AG in Aachen gegründet und 1909 nach einer Fusion mit der Maschinenbauanstalt Altenessen AG zur MULAG AG umfirmiert, gehörte sie ab 1913 zum Mannesmann-Konzern und hieß fortan Mannesmann-MULAG AG. Im Jahre 1928 wurden die Werksanlagen nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Büssing übernommen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründung

Die Firma wurde ursprünglich im Jahre 1900 von Fritz Scheibler (1845–1921) und seinem Sohn Kurt als Fritz Scheibler Motorenfabrik AG mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft in Aachen gegründet und beschäftigte sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Motoren, Motor-Lastwagen und Motor-Omnibussen. Seit 1875 hatte der Unternehmer Fritz Scheibler bereits eine Maschinenfabrik an der Bachstraße in Aachen, die er aufgrund des Erfolges vergrößern und um einen neuen Geschäftszweig erweitern wollte.

Frühe Zeit

Im Jahre 1901 entstanden die ersten Lastkraftwagen und Omnibusse unter dem Markennamen Scheibler mit flüssiggekühltem 12 PS-Reihen-Vierzylinder-Ottomotor und Batteriezündung. Im Jahr 1902 wurden bereits größere 40 PS-Motoren und Zahnradgetriebe in die LKW eingebaut. Etwas später um 1904 begann auch die Herstellung von Automobilen, die sich jedoch von Anbeginn weniger gut als die Lastwagen verkauften.

Entwicklung bis 1914

Im Jahre 1905 musste die Firma Fritz Scheibler Motorenfabrik aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten einen Vergleich anmelden, sie wurde aber unter dem Namen Scheibler Automobil-Industrie GmbH neu gegründet. Der Personenkraftwagenbau wurde aufgrund zu geringer Verkaufszahlen bereits 1907 eingestellt. Der LKW Typ L 56 wurde ab 1907 für einige Jahre gebaut und hatte 6 Tonnen Nutzlast. Er konnte zwei Anhänger zu je 2 t Nutzlast ziehen, vorhanden waren Magnetzündung, Lederkonuskupplung, 4-Gang-Getriebe und ein Differential statt Kettenantrieb.

Im Jahre 1908 fusionierte der Betrieb mit der Maschinenbauanstalt Altenessen AG, wobei die neue Firma ab 1909 Motoren und Lastwagen AG (MULAG) genannt wurde. Im Jahre 1913 fusionierte die weiter erfolgreiche MULAG (200 Beschäftigte) mit der Gebr. Mannesmann Automobilwerk AG zur Mannesmann-Mulag AG. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bis Herbst 1914 fertigte das Unternehmen bis zu 100 Lastwagen und Busse, wobei auch Frontlenker gebaut wurden, was für die Zeit noch außergewöhnlich war.

Erster Weltkrieg

Während des Ersten Weltkriegs wurde ein 3,5-Tonner-LKW für militärische Zwecke gebaut und an das Deutsche Heer geliefert, der auf einem Modell von 1913 mit 42-PS-Motor basierte. Daneben fertigte Mannesmann-MULAG einige Straßenpanzerwagen auf Basis dieser LKW sowie in Lizenz auch Flugmotoren und reparierte eine Vielzahl von Heeresfahrzeugen sowie Flugmotoren.

Auf der Gegenseite verwendete die Kaiserlich Russische Armee des Russischen Reiches an der Ostfront einige im eigenen Land zum Panzerwagen umgebaute vor dem Krieg gelieferte vormals zivile LKW von Mannesmann-MULAG, die zum Teil mit einem nach hinten feuernden Geschütz als Selbstfahrlafette eingesetzt wurden.

Auch in Porz-Westhoven entstand ein Werk[1] mit einer eigenen Flugzeugabteilung, die sich hauptsächlich im Auftrag des Reichsmarineamtes um die Entwicklung eines ferngesteuerten Lufttorpedos mit dem Decknamen Fledermaus kümmerte. Die Erprobung fand auf dem Truppenübungsgelände bei Wahn und Spich statt.[2] Im Jahre 1919 entdeckte eine britische Abteilung der Alliierten Kontrollkommission in den Mannesmann-MULAG-Hallen Bauteile des Poller Riesen (Mannesmann-Poll-Dreidecker), eines nicht mehr fertiggestellten Dreidecker-Riesenflugzeuges.[3]

Zwischenkriegszeit

Notgeld der Firma Mannesmann-Mulag zu 5 Millionen Mark (Auflage 250 Stück)

Nach dem Krieg konnte das Unternehmen trotz der zunächst allgemein wirtschaftlich schwierigen Zeit mit verschiedenen LKW-Typen überleben, u.a. wurde 1921 ein Sattelschlepper mit einem 10-t-Nutzlast-Auflieger gebaut, was damals eine Innovation darstellte. Das Unternehmen überstand auch die Hyperinflation im Jahre 1923, wobei es in geringer Auflage auch eigenes Notgeld druckte und herausgab.

In jener schwierigen Zeit und Mannesmann-Mulag profitierte auch von zunehmendem Export ins (vor allem europäische) Ausland. Im Jahre 1925 wurde ein neuartiger Niederrahmen zum Bau von Lastwagen (LKW) als auch Omnibussen (KOM) herausgebracht, der wahlweise mit Links- oder Rechtssteuerung bestellt werden konnte und eine doppelte Magnet-Zündanlage, eine Heizung sowie Luftreifen hatte. Dieser LKW-Typ nahm im Jahre 1925 auch erfolgreich an der sogenannten Russlandfahrt teil, einer damals bekannten Zuverlässigkeitsprüfung.

Das Ende der Marke

War Mannesmann-MULAG bis 1926 noch ein profitabel arbeitendes Unternehmen, so wurden jedoch im Jahre 1927 erhebliche Verluste mit einem nicht ausgereiften Motor gemacht und viele Reklamationen waren die Folge. Die Familie Mannesmann verkaufte kurzentschlossen Immobilien und Maschinen sowie die Patente an die Büssing AG in Braunschweig, als die Mannesmann-Mulag AG letztlich kurz davor war Konkurs anmelden zu müssen.

Mit der Übernahme durch Büssing im Jahre 1928 wurde die LKW- und Bus-Fabrik zu einem Zulieferbetrieb von Büssing, wobei ähnlich wie schon bei der Übernahme von Komnick in Elbing (Ostpreußen) keine Konzernbildung stattfand, da Büssing wiederum nicht das Unternehmen mitsamt dem Markennamen übernahm.

Die Marke Mannesmann-Mulag erlosch 1928 und wurde aus dem Handelsregister von Aachen gestrichen. Die von Büssing nicht übernommenen Mitarbeiter fanden schließlich bei den nahe gelegenen Ford-Werken in Köln neue Arbeit.

Literatur

  • Schnuer, Günther: Der Automobilbau in Aachen 1896–1928. Ein Beitrag zur Technik- und Industriegeschichte, Meyer & Meyer, Hannover, 1990

Einzelnachweise

  1. Familie Mannesmann, die Mannesmann-Autos[1]
  2. Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e.V.: Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde Band 5, Eigenverlag, Köln, 1976, Gebhard Aders, Der Riese von Poll, S 185
  3. G. Sollinger, THE FORSSMAN TRI-PLANE, THE LARGEST AEROPLANE OF WORLD WAR IThe Forssmann-Triplane

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Mannesmann-MULAG Fahrzeuge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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