Aphrodite von Knidos

Aphrodite von Knidos
Aphrodite von Knidos der Sammlung Ludovisi, Römische Marmorkopie (Torso und Oberschenkel) mit ergänztem Kopf, Armen, Beinen, und Gewandstütze

Die Aphrodite von Knidos, auch Knidische Aphrodite, ist eines der bekanntesten Werke des attischen Bildhauers Praxiteles aus dem 4. Jahrhundert vor Christus (vermutlich zwischen 350 und 340). Sie begründet den Typus der Venus pudica in der antiken Kunst.

Inhaltsverzeichnis

Original

Münzbild aus Knidos mit einer Darstellung der Aphrodite des Praxiteles

Die Statue war für ihre außerordentliche Schönheit berühmt, die von allen Seiten bewundert werden konnte (Rundansichtigkeit), sowie dafür, die erste lebensgroße Darstellung des nackten weiblichen Körpers in klassischer Zeit zu sein. Dargestellt war die Göttin Aphrodite, wie sie sich auf das rituelle Bad zur Wiederherstellung ihrer Jungfräulichkeit vorbereitet; in ihrer linken Hand hält sie ihr Gewand, während sie mit der Rechten die Scham verbirgt.

Plinius der Ältere informiert darüber, dass Praxiteles von den Bürgern der Stadt Kos den Auftrag zu einer Statue der Göttin Aphrodite erhalten habe. Der Bildhauer habe dann zwei Versionen angefertigt: eine vollständig bekleidete und eine völlig nackte.[1] Die schockierten Einwohner von Kos hätten die Nackte zurückgewiesen und die bekleidete Version gewählt. Das Aussehen der bekleideten Statue ist nicht bekannt. Da es über sie keinerlei zeitgenössische Berichte gibt, scheint sie allerdings auch nicht weiter bemerkenswert gewesen zu sein. Das abgelehnte unbekleidete Götterbild sei daraufhin von einigen Einwohnern von Knidos erworben und in einem speziell dafür errichteten Tempel aufgestellt worden, der es ermöglichte, die Statue von allen Seiten zu betrachten.[2] Auf Grund der revolutionären Darstellung der Göttin in völliger und selbstbewusster Nacktheit wurde sie schnell zu einem der berühmtesten Werke des Praxiteles. Plinius berichtete:[3]

"Die Venus des Praxiteles übertrifft alle Kunstwerke der ganzen Welt. Viele haben die Seefahrt nach Knidos unternommen, bloß um diese Statue zu sehen."

Angeblich hat die Hetäre Phryne Praxiteles als Modell für die Statue gedient, was dem Mythos um ihre Entstehung weitere Nahrung gab.[4] Die Statue wurde so bekannt und vielfach kopiert, dass einer Legende zufolge die Göttin Aphrodite schließlich selbst nach Knidos kam und anschließend fragte: „Wo hat mich Praxiteles denn nackt gesehen?“

Als Kultbild und Schutzpatronin der Knidier wurde die Statue schnell auch zu einer Touristenattraktion. Nikomedes I. von Bithynien bot einmal an, im Austausch für die Statue die enormen Schulden der Stadt Knidos zu begleichen, was die Knidier jedoch ablehnten. Der Überlieferung zufolge war die Figur derart lebensecht, dass sich ein junger Mann in der Cella des Tempels einschließen ließ und mit ihr zu verkehren versuchte. Ergebnis dieser Bemühungen sei ein unauslöschlicher Fleck auf der Rückseite eines Oberschenkels gewesen, der offenbar tatsächlich vorhanden war und den Anlass zu dieser Erzählung gegeben haben könnte.[5]

Ein Dialog bei Pseudo-Lukian enthält die lebendigste erhaltene Beschreibung des Temenos, des Tempelbezirks, der Aphrodite auf Knidos. Über die Statue selbst schreibt der Autor darin überschwänglich:

Als wir uns an den Schönheiten dieses Ortes satt gesehen hatten, hatten wir es eilig, in den Tempel selbst zu gelangen. Die Göttin steht in seiner Mitte; ihre Statue besteht aus Parischem Marmor. Ihre Lippen sind mit dem Anflug eines Lächelns leicht geöffnet. Nichts verdeckt ihre Schönheit, die vollkommen dargestellt ist, außer einer Hand, die verstohlen die Scham bedeckt. Der Kunst des Bildhauers ist es gelungen, dem Marmor seine Härte zu nehmen und damit die Anmut ihrer Gliedmaßen zu formen. (Pseudo-Lukian, Erotes 15)

Auch in Epigrammen wird die Statue der Göttin gepriesen.[6]

Kopien

Die Venus Colonna der vatikanischen Museen
Der Kaufmann-Kopf des Musée du Louvre

Das Original der Aphrodite von Knidos ist nicht erhalten. Möglicherweise wurde sie in spätantiker Zeit nach Konstantinopel verbracht und ging dort bei einem Brand während des Nika-Aufstandes verloren. Da es sich jedoch um eines der am häufigsten kopierten Bildwerke der Antike handelt - mehr als 50 großplastische Kopien sind überliefert - kann ihr ursprüngliches Aussehen anhand der Beschreibungen und erhaltener Kopien zumindest annäherungsweise rekonstruiert werden. Einige in den Depots des Britischen Museums verwahrte Fragmente sah die Archäologin Iris Love 1969 als der Knidia zugehörig an, doch geht die Mehrheit der Fachleute heute davon aus, dass dies die Überreste einer anderen Statue sind.

  • Die wohl getreueste erhaltene Kopie ist die sogenannte Venus Colonna im Museo Pio-Clementino der Vatikanischen Museen
  • Der Kaufmannsche Kopf im Louvre wird als eine sehr getreue römische Replik des Kopfes der Knidischen Aphrodite angesehen.
  • In der Hadriansvilla bei Tivoli gab es eine Nachbildung des knidischen Tempels, mit einer nur fragmentarisch erhaltenen Statue der Aphrodite in seiner Mitte. Dies entspricht im Wesentlichen den bekannten antiken Angaben zur Aufstellung des Originals.

Außer diesen verhältnismäßig genauen Kopien gibt es noch eine Vielzahl erhaltener Varianten, die ebenfalls auf einer Rezeption der knidischen Aphrodite beruhen.

Literatur

  • Theodor Kraus: Die Aphrodite von Knidos. Walter Dorn Verlag, Bremen/Hannover, 1957.
  • Leonard Closuit: L'Aphrodite de Cnide: Etude typologique des principales répliques antiques de l'Aphrodite de Cnide de Praxitèle. Imrimerie Pillet – Martigney, 1978.
  • Francis Haskell and Nicholas Penny: Taste and the Antique: The Lure of Classical Sculpture, 1500–1900. Yale University Press, New Haven/London, 1981.
  • Christine Mitchell Havelock: The Aphrodite of Knidos and Her Successors: A Historical Review of the Female Nude in Greek Art. University of Michigan Press, 1995.

Weblinks

 Commons: Venus pudica – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Plinius der Ältere, naturalis historia 36, 20.
  2. Pseudo-Lukian, Erotes 13.
  3. Plinius Secundus, Gaius, (der Ältere), Naturgeschichte (Naturalis historia): Naturkunde XXXVI, 20, herausgegeben von: R. König u. G. Winkler, München / Zürich, 1973 ff. (lat./deutsch)
  4. Athenaios, Deipnosophistai 13, 59
  5. Plinius, naturalis historia 36, 20; Valerius Maximus 8, 11, ex. 4.
  6. Anthologia Graeca 16, 160.162.163.168.

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