- Marmorpapier
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Als Marmorpapier (auch: marmoriertes Papier, türkisches Papier, venezianisches Papier; türkisch ebru und persisch abri) bezeichnet man mit verschiedenen speziellen Verfahren von Hand verzierte Papierbögen, die vermehrt seit dem 18. Jahrhundert, teils aber auch heute als Überzugsmaterial für handgebundene Bücher, als Vorsatzpapier, für die Auskleidung von Futteralen, Kanzleibehältnissen und Möbeln verwendet wurden. Neuerdings kommen sie als Geschenkpapier (Nachdrucke von Originalen) vereinzelt wieder in Gebrauch.
Inhaltsverzeichnis
Herstellung
Die Herstellung von traditionellem handgemachten Marmorpapier, die in Japan bereits um das Jahr 1000 bekannt war, gleicht der eines Marmorschnitts. Ein flaches Becken wird mit der sog. Schlichte gefüllt; dies ist eine Gallerte, die durch Auflösen von Tragantgummi in Wasser, Aufkochen von Irländischem Moos (auch Carrageen-Moos, Chondrus crispus) oder durch eine Lösung von Methylcellulose in Wasser hergestellt wird. Die Schlichte wird abgestrichen. Nun werden auf die flache Oberfläche des Leimbades Aquarellfarben aufgebracht, die mit Ochsengalle versetzt sind. Dieser Zusatz dient der Herabsetzung der Oberflächenspannung der Farbe, damit diese sich auf der Oberfläche der Schlichte ausbreiten kann. Die Farbe kann sich wegen der Konsistenz der Schlichte nicht mit dieser selbst oder den anderen Farben vermischen. Daher können die Farben nun mit verschiedenen Techniken in ornamentale Schlierenmuster gebracht werden, die teilweise natürlichem Marmor ähneln – daher der Name ‚Marmorpapier‘. Nun wird ein starker Papierbogen, der zuvor mit Alaunwasser gebeizt wurde, vorsichtig auf das Leimbad gelegt und anschließend wieder abgehoben. Die Farbe bleibt am Papier haften. Anschließend werden die Reste der Schlichte mit Wasser abgespült. Die Beize mit Alaunlösung dient dazu, dass die Farbe bei dem Abspülen der Leimreste nicht mitabgespült wird. Die Farbe verbindet sich beim anschließenden Trocknen dauerhaft mit dem Papier.
Neben der traditionellen Herstellung mit Aquarellfarben kann auch mit Ölfarben marmoriert werden. Diese Technik erlaubt es auch ohne eine Gallerte als Grund in einem bloßen Wasserbad zu marmorieren. Allerdings bleiben die Ergebnisse im Regelfall deutlich hinter denen des Marmorpapiers auf Basis von Aquarellfarben zurück, da sich die Musterung des Papiers nicht so weitgehend wie bei der traditionellen Herstellung kontrollieren lässt. Mit Ölfarben marmorierte Papiere haben insbesondere ein spezifisches körniges Aussehen, das nicht der Feinheit eines Marmorpapiers auf Aquarellbasis entspricht. In diesem Fall spricht man auch von Öltunkpapieren.
Arten
Je nach der Art der Aufbringung der Farben (Spritzen, Tupfen, Sprühen usw.) und der anschließenden Behandlung entstehen verschiedene Ornamente. Besonders typisch sind getupfte Muster, die echtem Marmor am nächsten kommen, sowie wellenartige Muster, die entstehen, wenn man mit einem Kamm durch die Farbschicht (sog. Kamm-Marmor) fährt. Auch strudelartig verquirlte u. ä. Varianten kommen vor; letztlich sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Aus der Türkei stammt etwa der Brauch, Blütenbilder auf den Leim zu zeichnen. Der Begriff Ebru wird auch als spezifische Bezeichnung von Mustern der letztgenannten Technik verwendet. Auch durch gezielte Bewegung des Papiers beim Aufbringen auf die Schlichte kann das Muster in spezifischer Form beeinflusst werden. Dabei ergeben sich dunkle Streifen, die das sonstige Marmormuster regelmäßig durchbrechen (Spanisches Muster).
Qualität
Marmorpapier ist ein besonders hochwertiges veredeltes Papier: Jeder Bogen stellt ein Unikat dar, da sich die Muster auch bei gleichem Vorgehen nicht genau wiederholen; zudem tritt auch innerhalb eines Bogens keine exakte Wiederholung des Musters auf, wie das bei anderen Verzierungstechniken der Fall ist. Marmorpapier wurde als Überzugsmaterial sowie Vorsatzpapier für Bücher früher in ganz Europa hergestellt und verwendet, besonders in England. Heute werden Marmorpapiere insbesondere in England, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Italien aber auch in Amerika manuell produziert und verkauft, wobei die Marmorierwerkstätten in Venedig in der öffentlichen Wahrnehmung am präsentesten sind. Neben dem echten Marmorpapier gibt es auch preiswerte Imitate, die das Muster in gewöhnlichem Farbdruck reproduzieren.
Beispiele
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Um 1811 in Deutschland in Marmorpapier und Pergamentmakulatur gebundenes Buch
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Marmorpapier vom Einband und Vorsatz eines Buches, England um 1830
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Marmorierter Vorsatz eines Buches der Deutschen Verlags-Anstalt (Stuttgart) um 1900
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Marmorpapier vom Einband einer Vorzugsausgabe der Insel-Bücherei, Deutschland 1921
Weblinks
Commons: Paper marbling – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Sammlung der Washington University Libraries mit vielen hochauflösenden Marmorpapier-Bildern
- Society of Marbling
- Buntpapier.org
- Yahoo Marbling Group
- Informationen über die türkische Ebru-Technik auf den Seiten der University of Guelph
- Liste türkischer Ebru-Sites von Cetin Koc
- Die japanische Suminagashi-Technik und andere Marmoriertechniken
- Großformatige Marmorierungen, sog. ‚Hippie Marbling‘
Literatur
- Anne Chambers: Marmoriertes Papier. Ein praktischer Leitfaden. Verlag Paul Haupt, Bern u. a. 1988, ISBN 3-258-03961-5.
- Gabriele Grünebaum: Buntpapier – Geschichte, Herstellung, Verwendung. DuMont Buchverlag, Köln 1982, ISBN 3-7701-1406-X.
- Gabriele Grünebaum: How to Marbleize Paper. Step-By-Step Instructions for 12 Traditional Patterns. Dover Publications, New York NY 1984, ISBN 0-486-24651-5.
- Gabriele Grünebaum: Techniques for Marbleizing Paper. Dover Publications, New York NY 1992, ISBN 0-486-27156-0.
- Josef Halfer: Die Fortschritte der Marmorirkunst. Ein praktisches Handbuch für Buchbinder und Buntpapierfabrikanten. Selbstverlag, Budapest 1885.
- Marianne Moll: Buntpapier. Herausgegeben von Susanne Krause. 2. Auflage. Input Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-930961-94-6.
- Henk Porck: Buntpapier – Ein Bestimmungsbuch. = Decorated paper – A Guide Book. Herausgegeben von Susanne Krause. Buntpapierverlag, Hamburg 2009, ISBN 978-3-938423-17-2.
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