Memphis-Misraïm-Ritus

Memphis-Misraïm-Ritus

Der Memphis-Misraïm-Ritus, auch Alter und Primitiver Ritus von Memphis-Misraïm oder kurz ägyptische Maurerei, beschreibt ein „irreguläres“ freimaurerisches Hochgradsystem. Bis 1881 arbeiteten der Memphis- und der Misraïm-Ritus separat. Ihre Vereinigung ist auf Bestreben von Giuseppe Garibaldi zurückzuführen.

Inhaltsverzeichnis

Misraïm-Ritus

Der 1805 in Venedig begründete Misraïm-Ritus beinhaltete ein komplexes System aus 90 Graden. Damals suchte man den wahren Ursprung der Freimaurerei in den ägyptischen Mysterien. James Andersons Werk The Constitutions of the Free-Masons enthält neben den Pflichten eines Freimaurers eine ideelle Geschichte der Freimaurerei, in der er die Freimaurerei in Beziehung mit den ägyptischen Pyramiden setzt und betont, dass bei ihrer Errichtung viele Logen emporgekommen seien. Wichtige Impulse gingen in der Anfangszeit ebenfalls von Giuseppe Balsamos 1775 gegründeter ägyptischer Freimaurerei aus, die sowohl Männer wie Frauen zuließ. Durch sie verbreitete sich sein alchemistisch und magisch geprägtes Gradsystem. Der Ritus konnte rasch in Städten wie Mailand, Genua und Neapel Fuß fassen. Um 1788 führte Cagliostro Luigi d’Aquino, den Großmeister der neapolitanischen Maurerei, in den Ritus ein. In der Folge verstärkte sich der templerische Gedanke und führte zur Ausgrenzung der ägyptischen Komponenten. Um 1803 bis 1805 wurden die Brüder Joseph Marc und Michél Bédarride in den Misraïm initiiert, die großen Anteil an seiner Weiterentwicklung hatten. Zu jener Zeit sah man sich als Nachfolger der Ritter Jerusalems und der Rosenkreuzer. In den folgenden Jahren wurde der Misraïm-Ritus für Jakobiner und Carbonari interessant, da sich in ihm antiklerikale und antimonarchische Tendenzen gebildet hatten. Dies führte unter anderem um 1817 zu seinem Verbot und bis 1881 zu einem rapiden Mitgliederaustritt.

Memphis-Ritus

Napoleons Ägyptenexpedition (1798–1801) verursachte ein großes Interesse der Gebildeten des 19. Jahrhunderts in Europa an der altägyptischen Kultur. Der 1814 durch den Abenteurer Samuel Honis aus Kairo in Frankreich propagierte Memphis-Ritus oder auch Orientalische Freimaurerorden von Memphis mit seinen 95 Graden ist ein Ausdruck davon. Die 95 Grade wurden in drei Orden mit jeweils 30 Graden unterteilt. Die letzten fünf galten administrativen Zwecken. Im ersten Orden standen die Morallehren, Bedeutungen der Symbole, Lehre über die Humanität und der Wissenschaft über die Natur im Mittelpunkt. In den ersten Orden wurden dabei nur Freimaurer mit abgeschlossenen Meistergrad aufgenommen. Man betrachtete die blaue Johannisfreimaurerei als Teil des ersten Ordens im Misraïm-Ritus. Im zweiten Orden wurden Philosophie und Geschichte des Ordens vertieft. Es wurden die antiken Mythen und die indische Philosophie miteinbezogen. Der dritte Orden widmete sich ausschließlich der höheren Philosophie. Man sprach hier allgemein von der Wiederherstellung des Feuers und der großen Offenbarung des Lichts (Erleuchtung).

Unter den Expeditionsteilnehmern fanden sich viele Anhänger freimaurerischer Vereinigungen, was zur damaligen Zeit keine Seltenheit war. Nach ihrer Rückkehr beschloss man, eine von der englischen Mutterloge unabhängige Obödienz aufzubauen. 1835 konstituierte sich der Memphis-Ritus unter Jacques Etienne Marconis de Nègre als Gegenstück zum Misraïm. In ihn flossen Teile der ägyptischen und alchemistischen Mythologie sowie auch templerische Elemente ein. Unter der Amtszeit Ludwig Philipps wurde die Arbeit des Ritus von 1841 bis 1848 stillgelegt. Ab 1856 fasste der Memphis-Ritus auch in den USA Fuß. Ähnlich wie im Misraïm, fand man auch hier revolutionäre Kräfte in den Logen. Mit dem Sturz der Pariser Kommune im Jahr 1871 kam es auch hier zu einem Mitgliederschwund der Logen in Frankreich.

Die Zusammenführung

1881 wurde der italienische Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi Großmeister beider Obödienzien. Durch ihn wurden letztlich beide Hochgrad-Systeme aufeinander abgestimmt und zusammengeführt. Bereits 1872 kam es zur Gründung einer Souveränen Großloge des Memphis und Misraïm-Ritus durch den Freimaurer John Yarker. Am 24. September 1902 konstituierte sich die deutsche Großloge des Memphis-Misraïm Ritus aus der sich kurze Zeit später der OTO abspaltete. Die Gründungsmitglieder des deutschen Memphis-Misraïm waren Theodor Reuss, Heinrich Klein und Franz Hartmann. Der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, wird am 15. Juni 1907 zum amtierenden General-Großmeister des Ritus ernannt. Mit Beginn des 1. Weltkrieges löste Steiner den Memphis-Misraïm Ritus 1914 in Deutschland auf. Auch heutzutage wird der Ritus in Deutschland nicht mehr bearbeitet. Weltweit gibt es nach dem Handbuch der Freimaurerei der Forschungsgruppe Alpina Lausanne aus dem Jahr 2002 etwa 7000 Mitglieder, die sich auf Länder wie Frankreich, Belgien, Niederlande, Schweiz, Kanada, Argentinien, Chile, Bolivien, Venezuela und Australien verteilen.

Literatur

  • Lothar Diehl: Initiatenorden und Mysterienschulen. Ein Führer für Suchende auf dem westlichen Erkenntnisweg. Berlin 1999, ISBN 3884680714.
  • Karl R. H. Frick: Licht und Finsternis. Teil 2. ISBN 3865390447.
  • Rudolf Steiner: Die Tempellegende und die Goldene Legende als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen. Aus den Inhalten der Esoterischen Schule. Zwanzig Vorträge, gehalten in Berlin zwischen dem 23. Mai 1904 und dem 2. Januar 1906. 3. Auflage. Steiner, Dornach 1991, ISBN 3-7274-0930-4.

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