Merfamin

Merfamin
Strukturformel
Allgemeines
Freiname Thiomersal
Andere Namen
  • Thimerosal
  • Merfamin
  • Natrium-2-(ethylmercurithio) benzoat
  • Quecksilberethyl- natriumthiosalicylat
Summenformel C9H9HgNaO2S
CAS-Nummer 54-64-8
PubChem 16682923
ATC-Code

D08AK06

Kurzbeschreibung weiß bis gelbliches Pulver [1]
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiseptikum

Fertigpräparate

Merthiolat®

Eigenschaften
Molare Masse 404,81 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

234 °C [1]

Löslichkeit

gut löslich in Wasser (1000 g·l−1 bei 20 °C) [1]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [2]

T+
Sehr giftig

N
Umwelt-
gefährlich
R- und S-Sätze R: 26/27/28-33-50/53
S: (1/2)-13-28-36-45-60-61
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50

75 mg·kg−1 (Maus, peroral) [3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Thiomersal (auch: Thimerosal im US-Raum) ist das Natriumsalz einer organischen Quecksilberverbindung und wird als Konservierungsstoff in kosmetischen und pharmazeutischen Produkten verwendet, um diese vor mikrobiellem Verderb zu schützen. Es ist bereits in sehr niedrigen Konzentrationen wirksam. Die minimale Hemmkonzentration beträgt je nach Keim 0,2 Mikrogramm pro Milliliter (z. B. gegen Staphylokokkus aureus) bis 128 Mikrogramm pro Milliliter (z. B. gegen Aspergillus niger). Thiomersal hat ein breites Wirkungspektrum, ist aber nicht gegen sporenbildende Keime wirksam.[4]

Inhaltsverzeichnis

Wirkungsmechanismus

Thiomersal wird im Körper zu Thiosalicylat und Ethylquecksilber metabolisiert. Das Ethylquecksilberkation blockiert über Bindung an Thiol-Gruppen in den Eiweißstrukturen von Enzymen deren Aktivität. Daraus resultieren in niedrigen Dosen die antimikrobielle Wirkung und in hohen Dosen eine nerven- und nierengiftige Wirkung (Neurotoxizität, Nephrotoxizität). Thiomersal wirkt in Abhängigkeit vom pH-Wert bakterienabtötend (bakterizid) oder wachstumshemmend auf Bakterien und Pilze (bakteriostatisch und fungistatisch).[4]

Verwendung in Kosmetika

In Deutschland ist Thiomersal gemäß der Kosmetik-Verordnung in Konzentrationen bis 0,007 % (berechnet als Quecksilber) zur Haltbarmachung von Schmink- und Abschminkmitteln für die Augen erlaubt.[5]

Verwendung in Medizinprodukten

Thiomersal wird zur Konservierung von Reinigungs- und Aufbewahrungslösungen für Kontaktlinsen verwendet. Es wurde eine Reihe von Überempfindlichkeitsreaktionen bei Kontaktlinsenträgern berichtet, die Thiomersalhaltige Pflegeprodukte für ihre Linsen benutzt hatten.[6]

Verwendung in Arzneimitteln

Arzneimittel zur äußerlichen Anwendung

Thiomersal kann zu Konservierung von Augentropfen in Mehrdosenbehältnissen, für die eine Konservierung zwingend vorgeschrieben ist, von Nasen- und Ohrentropfen sowie von topischen Zubereitungen verwendet werden. Der Konzentrationsbereich liegt je nach Arzneiform zwischen 0,001 % und 0,01 %.[4] Als Wirkstoff für desinfizierende Spüllösungen (in Konzentrationen von etwa 0,1 %) spielt Thiomersal aufgrund seiner Giftigkeit in höheren Dosen und seiner Umweltschädlichkeit keine Rolle mehr.

Injektionsarzneimittel

Auch Injektionsarzneimittel können mit Thiomersal konserviert werden. Speziell Durchstechfläschen zur mehrfachen Entnahme einer Injektionsdosis machen eine Konservierung aufgrund gesetzlicher Vorschriften zwingend erforderlich, aber auch für nicht mit Standardverfahren sterilisierbare Einzeldosisformen wie beispielsweise Impfstoffe kann sie notwendig sein. Ende der 1990er Jahren kamen Bedenken auf an der Unbedenklichkeit von Thiomersal: einerseits aufgrund zunehmender Meldungen von unerwünschten Wirkungen, insbesondere Überempfindlichkeitsreaktionen, andererseits auch wegen der kumulierenden Quecksilberbelastung von Kindern durch die routinemäßigen Kinderimpfungen, aufgrund derer neurologische Störungen wie z. B. Autismus befürchtet wurden. Die Behörden in den USA und Europa empfahlen vorsorglich - ohne dass konkrete Hinweise auf eine neurologische Giftigkeit vorlagen - Thiomersal und andere organische Quecksilberverbindungen möglichst aus Impfstoffen für Säuglinge und Kleinkinder zu entfernen.[7] Im Jahr 2004 revidierte der Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) die Bewertung von Thiomersal in Impfstoffen. Die Auswertung von epidemiologische Studien hatte zu dem Schluss geführt, dass kein Zusammenhang zwischen neurologischen Entwicklungsstörungen und Thiomersal in Impfstoffen bestehe. Dennoch solle die Entwicklung quecksilberfreier Impfstoffe, auch aus ökologischen Gründen, weiter voran getrieben werden. Die EMEA betonte, der Vorteil von Impfungen überwiege bei weitem theoretischen Risiken des Thiomersals.[8]

Durch den technischen Fortschritt konnte die aseptische Fertigung so verbessert werden, dass Einzeldosisformulierungen ohne Konservierungsstoffe hergestellt werden können. In Impfstoffen zur Anwendung am Menschen ist in Deutschland mittlerweile in der Regel kein Thiomersal mehr enthalten, oder höchstens in Spuren aus dem Herstellprozess.[9] In Tierimpfstoffen wird Thiomersal weiterhin eingesetzt.

Auch in den USA werden bei Kindern unter sechs Jahren nur noch Impfstoffe eingesetzt, die kein Thiomersal oder höchstens Spuren davon enthalten. Insgesamt sind in den USA die meisten Impfstoffe in Einzeldosisverpackungen frei von Thiomersal.[10]

Kennzeichnung

Thiomersalhaltige Arzneimittel müssen Warnhinweise zu möglichen Überempfindlichkeitsreaktionen und Sensibilisierungen in der Packungsbeilage, der Gebrauchsinformation und der Etikettierung aufnehmen.

Kontroverse

Thiomersal wurde von einigen Wissenschaftlern, Impfgegnern und von einigen Eltern autistisch behinderter Kinder - besonders in den USA - spekulativ mit dem Auftreten von Autismus in Verbindung gebracht. Aufgrund epidemiologischer Studien gilt ein Zusammenhang von Thiomersal und dem Vorkommen von Autismus heute als widerlegt.[9][11][12][13][14][15][16]

„Die Weltgesundheitsorganisation WHO, das US-amerikanische "Institute of Medicine" sowie die europäische Arzneimittelbehörde EMEA sind inzwischen allerdings unabhängig voneinander zu dem Schluss gelangt, dass die verfügbaren Studien gegen einen solchen Zusammenhang sprechen.“ [17]

Einzelnachweise

  1. a b c Eintrag zu Thiomersal in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 3. Dez. 2007 (JavaScript erforderlich)
  2. Nicht explizit in RL 67/548/EWG, Anh. I gelistet, fällt aber dort mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Sammelbegriff „Organische Quecksilberverbindungen“; Eintrag in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 30. März 2009 (JavaScript erforderlich)
  3. Thiomersal bei ChemIDplus
  4. a b c Handbook of Pharmaceutical Excipients, 5th Edition (2006). Ray C. Rowe (Herausgeber), Paul J. Sheskey (Herausgeber), P.J. Weller (Herausgeber)
  5. Anlage 6 zu § 3 der Kosmetik-Verordnung
  6. Thiomersal keratoconjunctivitis, frequency, clinical spectrum and diagnosis. N. Wilson-Holt N, J.K. Dart in: Eye 1989;3 ( Pt 5):581-7. PMID 2630335 Immunological complications of soft contact lenses. B.J. Mondino et. Al. in: J Am Optom Assoc. 1987 Oct;58(10):832-5. PMID 3316352 Allergic and toxic reactions of soft contact lens wearers. B.J. Mondino et. Al. in: Surv Ophthalmol. 1982 May-Jun;26(6):337-44. PMID 6810487 Allergic reactions to contact lens solutions. A.A. Fisher in: Cutis. 1985 Sep;36(3):209-11. PMID 3931986
  7. Statement der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) zu Thiomersal-haltigen Arzneimitteln Juli 1999 (englisch)
  8. Statement der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) zur Verwendung von Thiomersal in Impfstoffen zur Anwendung am Menschen März 2004 (englisch)
  9. a b K. Weisser, K. Bauer, P. Volkers und B. Keller-Stanislawski (2004): Thiomersal und Impfungen. In: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. Bd. 47, S. 1165–1174. doi:10.1007/s00103-004-0943-z PDF
  10. Thimerosal in Vaccines, Food and Drug Administration (FDA), Juni 2008
  11. Statement on thiomersal, WHO, 2006
  12. Verstraeten T et al.: Safety of thimerosal-containing vaccines: a two-phased study of computerized health maintenance organization databases. Pediatrics. 112(5), 2003, S. 1039–1048 PMID 14595043 (PDF, 120 kB)
  13. Hviid A et al.: Association between thimerosal-containing vaccine and autism. JAMA. 290(13), 2003, S. 1763–1766 PMID 14519711 (PDF, 81 kB)
  14. Fombonne E et al.: Pervasive developmental disorders in Montreal, Quebec, Canada: prevalence and links with immunizations. Pediatrics. 118(1), 2006, S. e139–50 PMID 16818529 (PDF, 584 kB)
  15. Shevell M et Fombonne E: Autism and MMR vaccination or thimerosal exposure: an urban legend?. Can J Neurol Sci. 33(4), 2006, S. 339–40 PMID 17168157
  16. DeStefano F: Vaccines and autism: evidence does not support a causal association. Clin Pharmacol Ther. 82(6), 2007, S. 756–759 PMID 17928818
  17. Robert-Koch-Institut in Schutzimpfungen – 20 Einwände und Antworten des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts

Siehe auch

Weblinks

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