Metafiktion

Metafiktion

Metafiktion ist eine Art der Fiktion in der Literatur, bei der ein Werk seinen eigenen fiktionalen Charakter bewusst thematisiert. Damit steht sie im Gegensatz zu Werken, die versuchen, den Leser die Fiktionalität des Werkes vergessen zu machen. Metafiktion lässt sich also als Literatur begreifen, die von Literatur handelt. Sie beinhaltet gewöhnlich Ironie und ist selbstreflektierend. In gewisser Hinsicht kann sie mit epischem Theater verglichen werden; dieses lässt das Publikum nicht vergessen, dass es ein Theaterstück sieht, wie Metafiktion den Leser nicht vergessen lässt, dass er ein fiktives Werk liest.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Metafiktion wird primär mit postmoderner Literatur in Verbindung gebracht, kann aber bereits in Werken wie Cervantes' Don Quichote und Chaucers Canterbury Tales gefunden werden. Bahnbrechend für die Popularisierung von Metafiktion war das Werk von Jorge Luis Borges. In den frühen 1960er Jahren folgten Autoren wie John Barth, Robert Coover und William H. Gass.

Klassische Beispiele der Zeit beinhalten Barths Lost in the Funhouse, Coovers The Babysitter und The Magic Poker sowie Gass’ Willie Master's Lonesome Wife. Ein Beispiel aus der aktuelleren deutschen Literatur ist die sog. Mythenmetzsche Abschweifung in Walter Moers’ Roman Ensel und Krete.

Einige gebräuchliche Kunstgriffe der Metafiktion sind:

  • Ein Roman über jemanden, der einen Roman schreibt.
  • Ein Roman über jemanden, der einen Roman liest.
  • Eine Geschichte, die die speziellen Gepflogenheiten von Geschichten behandelt, etwa Titel, Konstruktion der Absätze oder Handlungsschema.
  • Ein nichtlinearer Roman, welcher in anderer Reihenfolge als von Anfang zum Ende gelesen werden kann.
  • Erzählende Fußnoten, die die Geschichte fortführen während sie sie kommentieren.
  • Ein Roman, in der der Autor eine der Figuren ist.
  • Eine Geschichte, die des Lesers Reaktion zur Geschichte vorausahnt.
  • Figuren, die Dinge tun, weil sie diese Aktionen von anderen Figuren in einer Geschichte erwarten würden.
  • Figuren, die Bewusstsein darüber ausdrücken, dass sie Teil eines fiktiven Werks sind.
  • Die Mise en abyme.

Metafiktion kann entweder für einen kurzen Moment in einer Geschichte eine Rolle spielen, etwa wenn „Roger“ für kurze Zeit in Roger Zelaznys Die Chroniken von Amber auftritt, oder auch das zentrale Thema des Werks sein, wie etwa in Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman von Laurence Sterne oder in Auf Schwimmen-Zwei-Vögel von Flann O’Brien.

Eine seit den 60er Jahren sehr populäre Spielart ist die historiografische Metafiktion, für die eine Bearbeitung des historischen Romans mit metafiktionalen Mitteln charakteristisch ist.

Metafiktion im Drama

Außer in Romanen gibt es Beispiele der Selbstreferenzialität auch in der dramatischen Literatur, z. B. in Woody Allens Einakter Gott (God). Der genreübergreifende Charakter liegt auch der These von Waugh (1984: 5) zugrunde:

"[...] although the term 'metafiction' might be new, the practice is as old (if not older) than the novel itself."[1]

Metafiktion im Film

Metafiktion findet sich nicht nur in der Belletristik, sondern auch in Film- oder Fernseh-Drehbüchern, z. B. in Kinofilmen wie Charlie Kaufmans Adaption. oder in TV-Serien wie Scrubs – Die Anfänger, wenn dort andere Serien explizit als Fiktion charakterisiert werden. Weitere Filme, in denen Metafiktion Anwendung findet, sind Ferris macht blau, die TV-Serie Malcolm mittendrin oder - in Zügen - die Serie Boston Legal.

Literatur

  • Mark Currie (Hrsg.): Metafiction. New York 1995
  • Linda Hutcheon: Narcissistic Narrative. The Metafictional Paradox. Routledge, 1991, ISBN 0-415-06567-4
  • David Lodge: The Novelist at the Crossroads and other essays on fiction and criticism. London 1971
  • Ansgar Nünning: Von historischer Fiktion zu historiographischer Metafiktion. WVT, Trier 1995
    • Band 1: Theorie, Typologie und Poetik des historischen Romans. ISBN 3-88476-166-8
    • Band 2: Erscheinungsformen und Entwicklungstendenzen des historischen Romans in England seit 1950. ISBN 3-88476-168-4
  • Christian Schuldt: Selbstbeobachtung und die Evolution des Kunstsystems. Literaturwissenschaftliche Analysen zu Laurence Sternes „Tristram Shandy“ und den frühen Romanen Flann O’Briens. Transcript, Bielefeld 2005, ISBN 3-89942-402-6
  • Sylvia Setzkorn: Vom Erzählen erzählen. Metafiktion im französischen und italienischen Roman der Gegenwart. Stauffenburg-Verlag, Tübingen 2000, ISBN 3-86057-676-3
  • Patricia Waugh: Metafiction. The Theory and Practice of Self-conscious Fiction. Routledge, 1988, ISBN 0-415-03006-4

Fußnoten

  1. Patricia Waugh: Metafiction. The Theory and Practice of Self-Conscious Fiction. New York / London: Methuen, 1984.

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