- Nackt (Roman)
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Nackt ist eine Sammlung von 17 Kurzgeschichten von David Sedaris, die 1997 in New York erschien und schon bald zum Bestseller wurde. In seinen Geschichten verarbeitet Sedaris Erlebnisse aus seinem Familien- und sonstigem Leben, die, wie er in einer Vorbemerkung schreibt, „sich wirklich zugetragen“ haben zwischen Kindheit und seinem Erwachsenenleben nach dem College. Er beschreibt die sonderlichen Seiten seiner griechischen Großmutter, seines Golf spielenden Vaters, seiner Geschwister und der Menschen, die er in der High School, beim Trampen und bei seinen Gelegenheitsjobs trifft. Vor allem aber führt er sich selbst mit seinen Ticks und Illusionen über das Leben vor und inszeniert sich als die komischste Person seiner ganzen Bekanntschaft.
Erzählweise
Die Geschichten stehen inhaltlich weitgehend selbständig nebeneinander, folgen aber einer zeitlichen Reihenfolge von der Kindheit bis zur Zeit nach dem Studium, vom Besuch eines Gottesdienstes en famille bis zur versuchten Masturbation in einem Nudistencamp. Viele Geschichten bestehen aus Ketten von kleinen humorig beschriebenen Situationen, einige der Geschichten laufen auch auf Pointen zu, die mit ihren Schlusswendungen noch einmal die Überraschung und Komik unterstreichen. So in der Geschichte über die „Weihnachtshure“, in der sich am Geburtstag seiner vermeintlich nie eines tieferen Gedankens fähigen Schwester kurz vor Weihnachten offenbart, dass sie ihren Aushilfsjob als Sozialarbeiterin professionell erledigt. Oder in der über seine Gelegenheitsarbeiten („Für jeden etwas“), als er dabei erwischt wird, wie er von einem Kollegen gestohlenes Geld zurücklegt. Insgesamt aber ist die Struktur die einer Nummernrevue und nicht die einer Entwicklung des Ich-Erzählers.
Die Mehrzahl der Geschichten entsteht aus der ironisch, witzig und auch derb formulierten Beobachtung seiner Zeitgenossen: „Man konnte aus seinen Klamotten herauswachsen, wenn man darauf wartete, dass mein Vater einen abholte.“ Oder: „Der Mann in der Nudistenkolonie hörte sich an, als sei er schon seit Jahren nackt. Sogar seine Stimme war sonnengebräunt.“ Das häufigste Opfer seiner Kommentare aber ist er selbst, seine äußere Erscheinung, seine Ticks, seine naiven Vorstellungen vom Funktionieren der Welt, die sich durch ein Feuerwerk der Selbstironie in Rauch auflösen: „Ich war ein Klugscheißer; als Klugscheißer geboren und als Klugscheißer aufgezogen worden.“ Und was seine an übervielen Kleinigkeiten scheiternden Vorhaben angeht, resümiert der Ich-Erzähler: „Meine Geschichte ist eine Geschichte des Beinahe.“
Deutung
Humor, schrieb Freud einmal sinngemäß, sei auch der Versuch des Individuums, die Kränkungen des Lebens nicht an sich heran zu lassen. Manche Sätze scheinen wie im O-Ton und ohne Humorcouverture eine große Verletzlichkeit zu offenbaren. Wenn er zum Beispiel beschreibt, wie seine Mutter seine Lehrer bei ihren Klagebesuchen dadurch amüsiert, dass sie ihn parodiert, und er dann als Meister der Übertreibung die Übertreibung kommentiert: „Ihre Betrachtungen wurden gesammelt und ((von ihr)) als Teil einer Nummer vorgetragen, die wenig Ähnlichkeit mit unserem wirklichen Leben aufwies.“ Auch die Beobachtung, wie die fehlende Abgrenzung seines Vaters zur Großmutter des Erzählers fast die Familie gesprengt hätte, zeigen einen Humor an der Grenze zur Verzweiflung und einer tiefen Liebe zu seiner an Krebs sterbenden Mutter.
In einer seiner Geschichten gibt es eine Figur, die dieses prekäre Zusammenspiel von Außen und Innen personifiziert: Ein die Kinder zum Lachen bringender Pantomime, der unter seinem Mantel seit einem Autounfall einen orthopädischen Stützkragen trägt. Der Humor von Sedaris ist das Geräusch seiner getrockneten Tränen.
Kategorien:- Literarisches Werk
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