Nahbesprechung

Nahbesprechung

Der Nahbesprechungseffekt, auch Naheffekt oder Nahheitseffekt genannt, ist eine Überbetonung (höhere Empfindlichkeit) der tiefen Frequenzen im Nahfeld von Richtmikrofonen, also bei den sogenannten Druckgradientenempfängern. Doppelmembranmikrofone die ihre Kugelcharakteristik aus zwei Mikrofonen mit Nierencharakteristik Rücken an Rücken bilden, haben nur einen geringen Nahbesprechungseffekt.

Inhaltsverzeichnis

Auftreten des Effektes

Druckgradientenmikrofon und Nahbesprechungseffekt (Klick zum Vergrößern)

Der Nahbesprechungseffekt tritt auf, wenn sich ein Aufnahme-Mikrofon dicht an der Schallquelle befindet und wenn das Mikrofon ein Druckgradientenmikrofon ist. Einfacher ausgedrückt heißt das: Alle Richtmikrofone haben die Eigenschaft, bei zu geringem Abstand zur Schallquelle die tiefen Frequenzen überzubetonen, also eine Bassanhebung zu erzeugen, was als dumpfer, unnatürlichen Klang hörbar wird. Die Überbetonung des Basses im Nahfeld ist eine künstliche technische Bassanhebung, die eigentlich dem Zweck dient, die Aufnahmeschwäche der tiefen Frequenzen im Fernfeld zu kompensieren. Diese Bassanhebung kann aber auch als künstlerische Gestaltung des Klangs eingesetzt werden, z. B. zur Erzeugung einer vollen Gesangsstimme. Ist dieser Effekt jedoch nicht erwünscht, so kann man ihm durch eine fest eingebaute oder schaltbare Bassdämpfung entgegenwirken. Tiefe Frequenzen, das sind große Wellenlängen, beugen sich um die Kapsel herum und treten quasi fast unverändert auch hinter der Membran auf. Das führt zu einer verminderten Membranauslenkung. Hohe Frequenzen beugen sich weniger gut um die Membran herum und werden auf der Rückseite der Membran nur wenig wirksam.

Wo gibt es den Effekt nicht

Dagegen erzeugen Druckmikrofone, also Mikrofone mit Kugelcharakteristik, die manchmal auch "Druckempfänger" genannt werden, keinen Nahbesprechungseffekt. Dieses gilt nicht für Doppelmembranmikrofone mit (evtl. schaltbarer) Kugelcharakteristik, da diese im Prinzip aus zwei Druckgradientenempfängern bestehen, bei denen der Nahbesprechungseffekt sehr wohl auftritt. Für den Nahbesprechungseffekt ist allein der Druckgradientenanteil wirksam, das ist der vektorielle "Achter-Anteil", also die Druckdifferenz. Darum hat ein Mikrofon mit Nierencharakteristik auch keinen (!) Tiefenanstieg, wenn es aus der Nähe aus der Schalleinfallsrichtung von 90°, also von der Seite angesprochen wird. Das ist kaum bekannt.

Auch wenn in den Lehrbüchern der Eindruck erweckt wird, dass nur die Mikrofone mit ihren Druckgradienten in der Nähe einer Schallquelle diesen Tiefenanstieg erzeugen, so scheint eher die dort stark gekrümmte Kugelschallwelle der Schallquelle als Ausgangsursache zu wirken. Breitet sich eine Kugelwelle aus, so sind die Wellenfronten in der Nähe der Schallquelle (Nahfeld) stark gekrümmt. Erst in größerer Entfernung werden die Wellenfronten annähernd gerade. Trifft solch eine stark gekrümmte Wellenfront auf einen Druckgradientenempfänger, so entsteht der Schalldruckunterschied (die Schalldruckdifferenz) zwischen Vorder- und Rückseite auf zwei Arten:

Wie schon beschrieben, verursacht der unterschiedlich lange Weg, den die Schallwelle zur Vorder- und zur Rückseite zurücklegen muss, einen Druckunterschied. Die vorhandene Wegdifferenz erhöht sich durch die Krümmung der Wellenfront. Damit ergibt sich eine Steigerung des Druckgradienten und die Membran wird stärker ausgelenkt. Im Fernfeld der Schallquelle sind Schalldruck und Schallschnelle "in Phase" im Nahfeld der Schallquelle sind Schalldruck und Schallschnelle bis zu maximal 90° in der Phase verschoben.

Den Angaben in den Richt-Mikrofondaten der Hersteller ist beim Frequenzgang unterhalb 200 Hz nicht zu trauen, wenn dabei - wie übliche Praxis - kein Messabstand von der Test-Schallquelle zum Mikrofon angegeben ist. Je näher sich ein Richtmikrofon an der Schallquelle befindet, umso höher ist der Pegel bei tiefen Frequenzen. Das ist eben der besagte Nahbesprechungseffekt. Damit lassen sich "getürkte" Frequenzgänge bis hin zu ganz tiefen Frequenzen "recht gerade zeichnen". Besonders einige Hersteller von Bändchen-Achtern zeigen uns unglaubhafte Phantasie-Frequenzänge, die dabei bis herunter zu 30 Hz gerade aussehen.

Literatur

  • Thomas Görne: Mikrofone in Theorie und Praxis. 8. Auflage, Elektor-Verlag, Aachen, 2007, ISBN 978-3-89576-189-8
  • Norbert Pawera: Mikrofonpraxis. 4. Auflage, Franzis Verlag GmbH, München, 1993, ISBN 3-932275-54-3
  • Fritz Kühne: Mono-, Stereo- und Transistor-Mikrofone. 7. Auflage, Franzis Verlag , München, 1966

Siehe auch

Richtcharakteristik | Mikrofon | Druckgradientenmikrofon | Druckmikrofon | Abstandsgesetz | Grenzflächenmikrofon

Weblinks


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