- Nemi-Schiffe
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Die Nemi-Schiffe waren zwei große antike Schiffe, die Kaiser Caligula in seiner Amtszeit (37–41 n. Chr.) zu Ehren der Göttin Diana bauen ließ. Sie wurden 1929 und 1930 aus dem Nemisee geborgen, dem Kratersee eines erloschenen Vulkans, 27 km südöstlich von Rom. 1944 wurden sie durch ein Feuer zerstört.
Inhaltsverzeichnis
Der Diana-Kult
Caligula war der Göttin Diana eng verbunden. Am Ufer des Nemisees ließ er das Heiligtum der Diana Nemorensis restaurieren. Bereits in der Bronzezeit gab es am Nemisee einen Opferplatz, welcher in römischer Zeit der Verehrung der Göttin Diana diente. Eine direkte Kontinuität einer bronzezeitlichen Gottheit liegt nahe, kann jedoch nicht bewiesen werden. Nachdem Nemi 338 v. Chr. von den Römern erobert wurde, wurde das Heiligtum monumental ausgebaut und näher an den See gerückt. Es war ein wichtiges Pilgerziel, vor allem für Frauen mit Kinderwunsch.
Die Schiffe
Die Schiffe hatten im Verhältnis zu dem kleinen See mit circa 1.000 m Durchmesser gigantische Ausmaße: Das erste Schiff war 73 m lang und 24 m breit, das zweite maß 71 m auf 20 m. Beide hatten einen flachen, kiellosen Rumpf. Das zweite Schiff hatte dabei einen gleichgebauten Bug und Heck, damit es in beide Richtungen fahren konnte ohne zu wenden.
Auf einem der Schiffe stand ein Tempel für Diana, der mit Marmorsäulen, Mosaikböden und vergoldeten Bronzeziegeln geschmückt war. Das zweite Schiff trug eine Palastanlage für Caligula mit einem Warmwassersystem, das Thermen an Bord versorgte. Durch die Bleirohre, die Stempel Caligulas tragen, konnten die Schiffe zweifelsfrei zugewiesen werden.
Der Rumpf der Schiffe war durch einen Anstrich mit Eisenmennige geschützt. Darüber lag eine dünne Schicht aus Wolle, die mit einer Mischung aus Pech, Bitumen und Harz imprägniert war. Darüber waren mit Kupfernägeln 1 mm dünne Bleiplatten befestigt. Damit waren die Schiffe optimal gegen die Anlagerung von Organismen wie Muscheln geschützt, die das Holz geschädigt hätten.[1] Allerdings tritt dieses Problem nur im Salzwasser auf und ist nicht im Süßwasser des Nemisee zu erwarten. Dies legt nahe, dass es sich bei den Schiffen auch um Prototypen handelte, an denen antike Schiffsbauingenieure neue Techniken auf dem ruhigen Nemisee zum Einsatz auf dem Meer erprobten.
Die Schiffe hatten zahlreiche technische Details, wie Anker mit beweglichen Flunken, Wasserhähne, Kugellager und Pumpsysteme, die erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder erfunden wurden. Diese Exponate sind teils im Original, teils als nachgebaute Modelle heute noch im Museum zu besichtigen.
Ob die Schiffe sofort nach dem Sturz Caligulas 41 versenkt wurden, oder erst später sanken, ist ungeklärt. Es gibt keine antiken Quellen zu den Schiffen.
Die Wiederentdeckung und Bergung
Im Mittelalter waren die Schiffe in Vergessenheit gelangt, doch wurden immer wieder antike Funde von Fischern aus dem See gezogen, welche die Neugier nach einem Schatz weckten, der im See vermutet wurde. 1446 versuchte Leon Battista Alberti, die Schiffe zu heben. Er ließ ein Floß aus Fässern bauen und ließ von dort aus Seile mit Haken ins Wasser. Der Versuch scheiterte und es wurden nur Teile einer großen Statue geborgen. 1531 versuchte Francesco de Marchi mit einer der ersten Taucherglocken der Geschichte sein Glück, doch auch er konnte nur wenige Einzelteile zu Tage fördern. Ebenso wenig Erfolg hatten Bergungsversuche 1827 und 1895. Bei diesen Versuchen wurden zudem Teile der Schiffe beschädigt. Durch die erfolglosen Bergungsversuche war nun jedoch klar, dass zwei große Schiffe im Schlick verborgen waren: eines relativ nahe am Ufer in 5 bis 12 m Tiefe, das zweite 200 m weiter zur Seemitte in 15 bis 20 m Tiefe.
Erst 1924 starteten die Voruntersuchungen für die aufwändigste und letztlich erfolgreiche Kampagne. In einer Rede am 9. April 1927 erklärte Benito Mussolini die Bergung der Schiffe zu einem wichtigen Ziel seiner Regierung. In zweijähriger Arbeit wurde der antike Tunnel restauriert, durch den das Wasser des Sees ab Oktober 1928 in einen Kanal im Tal von Ariccia soweit abgepumpt werden konnte, dass die Archäologen auf trockenem Seegrund an den Schiffen arbeiten konnten. Gleichzeitig wurde eine Straße von Genzano zum See hinunter gebaut, um die archäologische Stätte besser erreichen zu können. Dabei wurde auch die antike Via Virbia gefunden, die das Heiligtum der Diana erschloss. Ein Abschnitt der antiken Pflasterung ist heute im Museum freigelegt.
Am 28. März 1929 tauchte das erste Schiff aus dem Wasser auf und die Wissenschaftler begannen mit der Dokumentation und der Untersuchung der Funde. Daran war auch eine Abordnung der englischen Königlichen Marine beteiligt. Das erste Schiff konnte im September 1929 geborgen werden. Das zweite Schiff folgte Ende Januar 1930. Die restaurierten Schiffe konnten schließlich 1940 im neu erbauten Museum am Seeufer den Besuchern präsentiert werden.[1]
Die Zerstörung
In der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1944 wurden das Museum und die Schiffe durch ein Feuer vollständig zerstört. Gerettet wurden nur wenige Einzelteile, die ins Museo Nazionale Romano in Rom ausgelagert waren. Eine Untersuchung direkt nach Kriegsende beschuldigte Soldaten der deutschen Wehrmacht der vorsätzlichen Brandstiftung. Später wurde jedoch auch die Möglichkeit diskutiert, dass Flüchtlinge, die damals im Museum übernachteten, durch offenes Feuer den Brand ausgelöst haben könnten, oder der Brand durch den Beschuss durch amerikanische Streitkräfte ausgelöst wurde. Der tatsächliche Hergang wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Das Museum heute
Das Museo delle Navi Romane wurde 1933 bis 1939 von Vittorio Ballio Morpurgo erbaut. Nach einer Restaurierung wurde das Museum 1953 wieder eröffnet, jedoch schon nach kurzer Zeit wieder geschlossen. Nach umfangreicher Neustrukturierung wurde das Museum endgültig am 15. Dezember 1988 eröffnet und im Jahr 2000 nochmals neu gestaltet. Die zwei Schiffe werden heute in Modellen im Maßstab 1:5 gezeigt, dazu zahlreiche Einzelstücke, teilweise in Kopie, die 1944 gerettet wurden. Außerdem werden im Museum weitere archäologische Funde aus der Umgebung des Nemisees gezeigt. Einige Originaleinzelstücke von den Nemi-Schiffen sind auch im Museo Nazionale Romano, im Standort Palazzo Massimo, zu sehen.
Die 1995 gegründete Associazione Dianae Lacus hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens eines der Schiffe in Originalgröße zu rekonstruieren.
Siehe auch
Literatur
- Deborah N. Carlson: "Caligula's Floating Palaces", in: Archaeology, Bd. 55, Nr. 3 (Mai/Juni 2002)
Weblinks
Commons: Nemi-Schiffe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- "Projekt Diana" EU-Projekt
- Deutschlandfunk zur neuesten Forschung
- Dokumentation der Gemeinde Nemi
- Photo des zweiten Nemischiffs
- Sendung auf Phoenix
- Nemi-Schiffe
Einzelnachweise
41.72222222222212.701944444444Koordinaten: 41° 43′ 20″ N, 12° 42′ 7″ OKategorien:- Schiffswrack
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