- Neuro-Enhancement
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Unter pharmakologischem Neuro-Enhancement versteht man die Einnahme von psychoaktiven Substanzen aller Art mit dem Ziel der geistigen Leistungssteigerung. Hirndoping, ein oft synonym verwendeter, jedoch nicht ganz passender Begriff, meint die missbräuchliche Einnahme solcher Substanzen, die verschreibungspflichtig oder illegal sind.
Inhaltsverzeichnis
Leistungssteigernde Substanzen
Psychostimulanzien
Psychostimulanzien sind Amphetamine und Amphetamin-ähnliche Substanzen, zum Beispiel Methylphenidat (MPH). MPH ist im Präparat Ritalin enthalten, das zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) eingesetzt wird. Amphetamine sind auch als Droge Speed bekannt.
MPH und Amphetamine blockieren präsynaptische Noradrenalin- und Dopamintransporter. Die verhinderte Wiederaufnahme (re-uptake) in die Präsynapse steigert die monoaminerge Neurotransmission. Amphetamine stimulieren zusätzlich die vesikuläre Dopamin-Freisetzung, was zu einer erhöhten Konzentration von Dopamin im synaptischen Spalt führt und damit die Dopaminaktivität steigert.
Modafinil
Modafinil ist als extremer „Wachmacher“ bekannt und wird zur Behandlung von Schlafstörungen wie der Narkolepsie und dem chronischen Schichtarbeitersyndrom eingesetzt. Zusätzlich befindet sich der Wirkstoff in der Testphase zur Behandlung von ADHS. Das Wirkprofil ist nicht vollständig aufgeklärt. Man geht von einer Wiederaufnahmehemmung von Dopamin und Noradrenalin in die Präsynapse aus, sowie einer Modulation von GABA-ergen und glutamatergen Neurotransmitter-Systemen.
Antidementiva
Bei Antidementiva sind zwei Untergruppen zu unterscheiden: Acetylcholinesterase-Inhibitoren und Memantine. Antidementiva werden zur Behandlung von Alzheimer-Demenz eingesetzt.
Acetylcholin-Esterase-Inhibitoren verhindern den Abbau von Acetylcholin im synaptischen Spalt und führen über eine erhöhte Acetylcholin-Konzentration zu einer besseren Gedächtnisleistung.
Galantamin bewirkt zusätzlich zur Acetylcholin-Esterase-Inhibition noch eine allosterische Modifikation des nikotinergen Acetylcholin-Rezeptors. Rivastigmin inhibiert zusätzlich die Butyrylesterase. Memantine wirken als Partialantagonist am glutamatergen NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat-)Rezeptor.
Antidepressiva
Vor allem selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer sollen sowohl Stimmung als auch die soziale Funktionsfähigkeit verbessern.
β-Blocker
β-Blocker haben eine beruhigende Wirkung, da sie die β-Adreno-Rezeptoren blockieren. Damit unterbinden sie die Adrenalinwirkung.
Koffein
Koffein ist nicht verschreibungspflichtig und wird deshalb ausdrücklich dem Neuro-Enhancement und nicht dem Doping zugeschrieben. Es wird tagtäglich von Vielen in Form des Genussmittels Kaffee eingenommen und moduliert das zentrale Nervensystem auf mindestens drei Wegen:
- Die Nukleotidphosphodiesterase wird gehemmt und so eine Akkumulation von cAMP hervorgerufen. Die durch cAMP ausgelöste Adrenalin-Wirkung hält länger an und die Wirkung wird potenziert.
- Adenosinrezeptoren werden vor allem im Striatum blockiert. Dadurch wird die durch Adenosin ausgelöste Vigilanzreduktion antagonisiert.
- Intrazelluläres Calcium wird mobilisiert.
Die Wirkung von Energy Drinks basiert auf der Wirkung von Koffein, die zudem durch Taurin verstärkt wird. Taurin führt zu einer verbesserten Glucoseverwertung durch einen erhöhten Insulinspiegel.
Gingko biloba
Ginkgo biloba ist ein freiverkäufliches Produkt mit den Substanzen aus dem asiatischem Ginkgobaum. Es enthält vor allem Flavonoide und Terpenoide. Antioxidantien sollen oxidativem Stress entgegenwirken, außerdem führen anti-apoptotische Eigenschaften angeblich zu einer Neuroprotektion.
Wirksamkeit und ethische Diskussion
Obwohl die positiven Effekte auf Lernen und Gedächtnis bei nur wenigen Substanzen in Studien nachgewiesen wurden, steigt die Zahl der Menschen, die solche Neuro-Enhancer einnehmen. Ob diese Menschen sich dadurch einen unfairen Vorteil verschaffen und indirekt andere Menschen nötigen, diese Präparate ebenfalls einzunehmen, um nicht abgehängt zu werden, ist Gegenstand der ethischen Diskussion. Auch wird stark diskutiert, ob die Teils extremen Nebenwirkungen in einem akzeptablen Verhältnis zum Nutzen dieser Substanzen stehen. Nebenwirkungen, die bei Kranken in Kauf genommen werden sind meist bei Gesunden inakzeptabel. Um die ethische Diskussion um die Neuro-Enhancer stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, haben sieben Forscher ein Memorandum zum Neuro-Enhancement veröffentlicht. In diesem Memorandum befürworten die Autoren eine vorurteilslose und offene Diskussion. Noch ist die Zahl der Neuro-Enhancer konsumierenden Menschen in Europa recht gering, es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Zahl in den nächsten Jahren steigt. Um der Problematik nicht hinterherzuhinken, sollte die Öffentlichkeit die Diskussion stärker fördern und sich um Entscheidungen über die Legalität und den Nutzen dieser Substanzen bemühen.
Literatur
- A. G. Franke und K. Lieb: Pharmakologisches Neuroenhancement und „Hirndoping“ – Chancen und Risiken. In: Bundesgesundheitsblatt 2010/8, S. 853-860 (doi:10.1007/s00103-010-1105-0)
- Farah et al.: Neurocognitive enhancement: what can we do and what should we do? In: Nature Reviews Neuroscience 5, S. 421-425 (doi:10.1038/nrn1390) (PDF-Datei; 100 kb)
- C. Normann und M. Berger: Neuroenhancement: status quo and perspectives. In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience 258, Supplement 5, S. 110-114 (doi:10.1007/s00406-008-5022-2)
- B. Sahakian und S. Morein-Zamir: Professor's little helper. In: Nature 450(7173), S. 1157-1159
- M. Berger und C. Normann: Hirndoping: Kosmetik für graue Zellen In: Gehirn&Geist, Oktober 2008, S. 36-41 (PDF-Datei; 258 kb)
- G. Stix: Neuro-Enhancer: Doping für das Gehirn In: Spektrum der Wissenschaft Vol. 01, 2010, S.46-54 (PDF-Datei; 851 kb)
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