- Artgerechte Tierhaltung
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Artgerechte Haltung bezeichnet eine Form der Tierhaltung, die sich an den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere orientiert und ihnen somit ermöglicht, natürliche Verhaltensweisen beizubehalten. So versucht sie sich im Gegensatz zur konventionellen Haltung, beispielsweise der Massentierhaltung, an die Bedürfnisse der Tiere anzupassen und ihnen dadurch ein vergleichsweise naturnahes Leben zu ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
Begriff der artgerechten Haltung
Wenn man von Heimtieren absieht, ist der Begriff „artgerechte Haltung“ genaugenommen paradox, da jedwede Haltung von Tieren diese aus ihrem natürlichen Biotop entfernen muss. Daher stellt auch die artgerechte Haltung nur einen Kompromiss zwischen den natürlichen Bedürfnissen der Tiere und den persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen des Menschen dar.
Des Weiteren ist der Begriff der artgerechten Haltung in verschiedenen Kontexten verschieden auslegbar, da er der jeweils betroffenen Tierart angepasst sein muss und artspezifische Notwendigkeiten oft nur diffus festlegbar oder nicht hinreichend erforscht sind. So muss für Hühner in Freilandhaltung beispielsweise laut EU-Vorschrift pro Tier eine Fläche von 10 Quadratmetern bereitgestellt werden, was für kleinere Gruppen durchaus vernünftig ist. In größeren Beständen von 300 oder 400 Tieren, die auch von ökologisch orientierten Geflügelhaltern häufig aus betriebswirtschaftlichen Gründen aufgebaut werden, wird die dann sehr große Auslauffläche von den Tieren aber kaum je benutzt, da sie angeborenermaßen weite, offene Flächen in der Regel meiden und sich daher meist nicht allzu weit von den Stallungen entfernen.
Situation der domestizierten Tiere
Viele Haus- und Nutztiere sind durch ihre Domestikation nicht mehr in der Lage sich in ihrer natürlichen Umgebung selbst zu versorgen, da sie ja speziell gezüchtet wurden, um, von Menschenhand geschützt und gefüttert, die Ansprüche des Menschen zu erfüllen. Trotzdem haben Tiere viele natürliche Verhaltensweisen, wie z. B. ihren Bewegungsdrang, den Jagdinstinkt oder das Bedürfnis, sich zu verstecken, erhalten und sollten diese in der artgerechten Haltung ausleben können. Durch die Steigerung des Wohls der Tiere ergeben sich auch für den Halter und die Konsumenten Vorteile, indem die Qualität der tierischen Produkte zunimmt. Allgemein sind artgerecht gehaltene Tiere lebhafter, gesünder, weniger anfällig für Stress und friedfertiger im gegenseitigen Umgang.
Situation bei Versuchstieren
Die Haltung von Tieren für Tierversuche wurde in der EU u. a. durch die Richtlinie 86/609/EWG und in Deutschland durch das Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil II Nr. 37, geregelt. Die deutsche Vorschrift empfiehlt eine angemessene Unterbringung und Umgebung, Mindestanforderung an Bewegungsfreiheit sowie Futter und Pflege vor. Zur sinnvollen Haltung von Versuchstieren gehört auch eine sozial, sensorisch und psychologisch anregende Umgebung. Bei den häufig verwendeten Ratten bedeutet dies beispielsweise, dass Gruppenhaltung zu bevorzugen ist und man ihnen wo möglich Nestbaumaterial im Käfig zur Verfügung stellt. Eine artgerechte Haltung der Versuchstiere ist meist versuchsbedingt nicht gegeben. Vorschriften dafür existieren ebenffals nicht, es handelt sich dabei um Haltungsempfehlungen, die die Akademie für Tierschutz erarbeitet hat, und von der EU veröffentlicht werden.[1] [2]
Wirtschaftliche Aspekte
Artgerechte Tierhaltung findet vor allem in der ökologischen Landwirtschaft Anwendung.
Trotz der oben erwähnten höheren Qualität der Tierprodukte erzielen Bauern, welche Nutztiere artgerecht halten, geringere Gewinne als Bauern, die Tiere konventionell halten. Dies ist zum einen der Mentalität sowie den Gewohnheiten vieler Verbraucher geschuldet, welche oftmals nicht bereit sind, für Produkte aus artgerechter Haltung mehr zu zahlen oder es aus wirtschaftlichen Gründen nicht können. Zum anderen ist artgerechte Haltung aufgrund der gesteigerten Ansprüche wie Platzbedarf und naturnah gewachsenem Futter sowie einer geringeren Effizienz beispielsweise bei der Mast von Tieren teurer, da die Tiere sich ja hier ausschweifend bewegen dürfen und so langsamer an Gewicht und Fettgewebe zunehmen. Auch gestaltet sich z. B. das Einsammeln von Eiern und das Melken der Kühe zeitaufwändiger und umständlicher, da es bei weniger eingeschränkten Tieren kaum automatisiert werden kann.
Kriterien für artgerechte Haltung
Zu der bereits erwähnten generellen Anpassung an den Lebensraum des Tieres gehören unter anderem ein ausreichendes Platzangebot für jedes Tier, welches auch Rückzugsmöglichkeiten und weit reichenden Auslauf bietet, voneinander getrennte Bereiche für Fressen, Defäkieren und Liegen, ein der Tierart bestmöglich angepasstes Stallklima und ein Futterangebot, wie es das Tier auch im natürlichen Umfeld vorfinden würde, welches also seiner spezifischen Ernährungsphysiologie entspricht.
Zu beachten ist auch eine dem Sozialverhalten der Tiere entsprechende Größe der gehaltenen Tiergruppe. Des Weiteren sollte auch bei der Tötung der Tiere möglichst deren Würde nicht herabgesetzt werden, auch wenn dies erneut paradox erscheint.
Kontroverse unter Tierhaltern
Innerhalb der Gruppe von Tierhaltern ist eine verstärkte Kontroverse festzustellen, inwieweit von bestimmten Tierhaltern überzogene Anforderungen an eine artgerechte Haltung der jeweiligen Tierart gestellt werden. Diese würden dazu führen, dass gewisse Bevölkerungsgruppen, z. B. berufstätige Singles, in diesem Sinne überhaupt keine Tiere mehr artgerecht halten könnten oder sich Anfänger angesichts der an sie gestellten Anforderungen derart überfordert sähen, dass sie die Tiere vorschnell ins Tierheim abschieben würden.
Quellen
- ↑ http://www.tierschutzakademie.de/00719.html
- ↑ http://frei.bundesgesetzblatt.de/pdf/bgbl2/bgbl207s1714.pdf
Weblinks
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