Sozialverhalten

Sozialverhalten

Das Sozialverhalten umfasst alle Verhaltensweisen von Menschen und Tieren, die auf Reaktionen oder Aktionen anderer Gruppenmitglieder zielen. Sozialverhalten umfasst somit Formen des einträchtigen Zusammenlebens genauso wie konflikthaftes Verhalten.

Inhaltsverzeichnis

Sozialverhalten aus der Sicht der Soziologie

In der Soziologie ist das soziale Verhalten (weniger gebraucht: „Sozialverhalten“) ein besonderer Fachbegriff. Er unterscheidet sich auch von dem, was die Pädagogik als „Soziales Verhalten“ (siehe Kommunikatives Verhalten) untersucht beziehungsweise lehrt.

Denn in der Soziologie unterscheiden sich die Theorien danach, ob sie vom sozialen „Verhalten“ oder ob sie vom sozialen „Handeln“ ausgehen.

Im ersten Fall – er ist eng mit der soziobiologischen Deutung des Verhaltens verbunden – untersuchen sie die sozialen Prozesse (Kommunikationen, Interaktionen) von überpersonalen Einheiten aus, seien dies z. B. Systeme (wie in der Systemtheorie), Klassen (wie in der marxistischen Soziologie), Strukturen (wie im Strukturalismus) u. a. m.
Im zweiten Fall – dem des sozialen „Handelns“ – sind die Theorien akteurzentriert.

In der empirischen Forschung, zumal in der Auftragsforschung, die sich häufig auf Einzelprobleme und Ausschnitte bezieht, wird diese Unterscheidung oft ohne schädliche Folgen hintan gestellt, namentlich bei begrenzten Hypothesen und großer Methodenstrenge. Makrosoziologische Fragen werden, wenn man von einer Theorie des sozialen Verhaltens ausgeht, jedoch sehr anders beantwortet, als wenn man es nicht tut, z. B. beim Verstehen oder Erklären von Revolutionen oder der Globalisierung.

Sozialverhalten aus Sicht der Psychologie

Überblick

Beim Menschen ist das Sozialverhalten – auch umgangssprachlich – zunächst das Aussehen und Verhalten eines Menschen gegenüber seinen Mitmenschen: das Sprechen, der Blickkontakt, die Körpersprache. Es wird zum Beispiel durch Gefühle (Zuneigung oder Abneigung) beeinflusst, durch persönliche Erlebnisse und durch das Verhalten anderer Personen. (siehe auch:sozial“).

Psychische Störungen können das Sozialverhalten verändern, zum Beispiel Autismus, Hospitalismus, Depressionen, Phobien oder auch eine Manie. Entstellende oder verunstaltende Krankheiten (wie zum Beispiel Hautausschlag) oder Fehlbildungen (wie beispielsweise eine Lippen-Spalte) führen häufig zu sozialem Rückzug, da die Betroffenen diskriminiert werden. Eine mildere Form abweichenden Sozialverhaltens stellt die sog. Exzentrik dar.

Manche Richtungen der Psychologie (vgl. dazu: Sigmund Freud) und Soziologie (vgl. dazu: Dieter Claessens) gehen davon aus, dass sich das Sozialverhalten zumeist in frühester Kindheit entwickelt. Erziehung und Zuwendung („Nestwärme“, siehe auch Bindungstheorie) scheinen eine große Rolle dabei zu spielen.

Sozialpsychologie

In der Sozialpsychologie stellte Kurt Lewin den Zusammenhang von Verhalten (V), Person (P) und Umwelt (U) fest, welcher sich als Funktion darstellen lässt:

  • V = f (P, U)

Die unabhängigen Variablen (P- und U-Eigenschaften) beeinflussen dabei nicht summativ das Verhalten, sondern beeinflussen sich auch gegenseitig. Wahrnehmung (Perzeption) sowie Erkennen (Kognition) stellen dabei auch eine Form des Verhaltens dar, da es wie jedes andere Verhalten auch beobachtbar ist.[1]

Sozialverhalten aus Sicht der Verhaltensbiologie

Unter den Zweigen der Verhaltensbiologie beschäftigen sich vor allem die klassische vergleichende Verhaltensforschung, die Soziobiologie und die Verhaltensökologie mit dem Phänomen Sozialverhalten. Unter Sozialverhalten werden hier oft sämtliche beobachtbaren Aktivitäten der Tiere zusammengefasst, die der innerartlichen Verständigung dienen: also zum Beispiel auch Balz, Brutpflege (vgl. Eintrageverhalten bei Mäusen und Ratten), Stimmfühlungslaute und aggressive Auseinandersetzungen an den Revier-Grenzen (vgl. Territorialverhalten).

Einige Forscher fassen den Begriff allerdings wesentlich enger und beschränken ihn auf das Verhalten von Tieren, die mit bestimmten Artgenossen in einer dauerhaften Bindung leben, sei es paarweise, in einem Rudel, oder anderen sozialen Zusammenschlüssen mit Gruppenbindung. Die Zugehörigkeit zur Gruppe (bzw. Bindung) wird z. B. bei sozialen Insekten durch eine „Geruchsuniform“ signalisiert, bei sozialen Primaten beruht die Zugehörigkeit auf persönlicher Bekanntschaft. In einer Herde oder in einem Schwarm gibt es, von Eltern-Jungtierbindungen abgesehen, keine sozialen Bindungen.

Gelegentlich wird der Begriff Sozialverhalten auch auf die Verständigung von Tieren unterschiedlicher Arten angewandt, zum Beispiel bei Tieren, zwischen denen eine Symbiose besteht.

Für viele Verhaltensweisen und unterschiedlichste Tierarten konnte unter anderem mit Hilfe von Kaspar-Hauser-Versuchen nachgewiesen werden, dass wesentliche Elemente des Sozialverhaltens angeboren (also in den Genen verankert) sind und vererbt werden. Hierzu gehört beispielsweise das angeborene Erkennen bestimmter Merkmale anderer Individuen („Schlüsselreize“).

Berühmt-berüchtigt wurden die Experimente von Harry Harlow mit jungen Rhesusaffen, die völlig isoliert aufgezogen wurden. Aus ihnen ging klar hervor, dass Primaten (und dies gilt auch für viele andere Wirbeltiere) soziale Interaktionen benötigen, um ein normales Sozialverhalten zu entwickeln.

Siehe auch

Literatur

  • Heike Freytag-Grunert: Sozialspiel bei Berberaffen (Macaca Sylvanus L. 1758), Universität Osnabrück 1990

Weblinks

Einzelnachweise

  1. K. Lewin: A Dynamic Theory of Personality: Selected Papers. McGraw-Hill, New York / London 1935, Kap. III, S. 79. Vgl. H. Maus, F. Fürstenberg (Hrsg.): Texte aus der experimentellen Sozialpsychologie. Luchterhand, Neuwied 1969.

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