Nominalkompositum

Nominalkompositum

Unter einem Nominalkompositum (Plural Nominalkomposita) versteht man ein Substantiv (Nomen), das aus mehreren anderen Wörtern zusammengesetzt ist, wie beispielsweise die deutschen Wörter Fleischwurst oder Nikolaustag. Siehe auch Komposition (Grammatik)

Inhaltsverzeichnis

Nominalkomposita in verschiedenen indoeuropäischen Sprachen

Nominalkomposita im Deutschen

Das Deutsche verfügt über eine große Anzahl von Nominalkomposita und hat darüber hinaus die Möglichkeit, durch die Verbindung von Substantiven (oder auch durch Verbindung von Adjektiv und Substantiv) sehr einfach neue Nominalkomposita zu bilden. Fremdsprachliche Deutschlerner, die mit dieser Art der Morphologie nicht vertraut sind, sowie deutschsprechende Kinder, in deren Wortschatz noch nicht allzu viele Wörter dieses Typs vorkommen, haben gelegentlich Probleme mit dem Verständnis und/oder der Neubildung derselben.

Eines der eklatantesten Beispiele davon stellt das Wort Schnitzel mit seinen verschiedenen Unterkategorien dar. Ein Schweineschnitzel ist ein Schnitzel, das aus Schweinefleisch zubereitet ist. Ein Kinderschnitzel ist ein Schnitzel für Kinder, also einfach eine kleinere Portion, und ein Jägerschnitzel ist ein Schnitzel „nach Art der Jäger“, d. h. mit einer Pilzsoße versehen.

Da bei Wortneubildungen auch bereits bestehende Komposita wiederum miteinander verbunden werden können, kann dies in Extremfällen zu überlangen Wörtern führen, die schwer lesbar sind und deshalb (auch in der gesprochenen Sprache) meist abgekürzt werden (Beispiel: Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG). Besonders in der Amtssprache werden mitunter Nominalkomposita erzeugt, die erst nach Zerlegung erfasst werden können. Ein Beispiel ist das Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.

Nach der gültigen Rechtschreibung werden bei einem Nominalkompositum im Deutschen die einzelnen Wortbestandteile entweder zusammengeschrieben (z. B. Hochseefischerei) oder mittels Bindestrichen miteinander verbunden (z. B. Rosa-Luxemburg-Platz), so dass in jedem Fall das Kompositum im Schriftbild als zusammenhängende Einheit zu erkennen ist. Das unverbundene Nebeneinanderstellen der einzelnen Wortglieder ist falsch.[1]

Nominalkomposita im Spanischen

Das Spanische verfügt, wie die romanischen Sprachen im Allgemeinen, über extrem wenige Nominalkomposita. Meist werden die Beziehungen zweier Substantive hier mit Hilfe einer Präposition (etwa ministro de defensa, ‚Verteidigungsminister‘) oder durch eine Substantiv-Adjektiv-Konstruktion (z. B. novela policíaca, ‚Kriminalroman‘) ausgedrückt.

Die wenigen Ausnahmen stammen meist aus dem lateinamerikanischen Spanisch. So sagt man dort in manchen Gegenden für Taucher nicht buceador, sondern hombre rana (hombre = ‚Mann‘, rana = ‚Frosch‘). Vereinzelt finden sich auch Nominalkomposita, die orthographisch ein einzelnes Wort bilden, etwa coliflor (Blumenkohl).

Nominalkomposita im Russischen

Die Morphologie des Russischen ist in diesem Punkt der des Spanischen sehr ähnlich. Sehr gängig sind Adjektivkonstruktionen wie футбольная команда (futbolnaja komanda, ‚Fußballmannschaft‘), Советский Союз (Sowetski Sojus, Sowjetunion, wörtl. ‚Sowjetische Union‘), weniger dagegen Konstruktionen mittels einer Präposition: объяснение в любви (objasnenije v ljubwi, ‚Liebeserklärung‘); meist ist das Grundsubstantiv dann Derivat eines Verbs, dessen Beugung auch übernommen wird (wie im Beispiel hier von объясниться в любви, objasnitsja w ljubwi, ‚eine Liebeserklärung machen‘).

Hinzu kommt aufgrund des ausgeprägten Kasussystems die Möglichkeit der Verbindung zweier Substantive mittels des Genitivs (ohne Präposition), die sehr häufig verwendet wird: Союз писателей (Sojus pisatelei, ‚Schriftstellerverband‘).

Zwar gibt es dort etwas mehr Nominalkomposita (wie wir sie aus dem Deutschen kennen), doch sind diese nahezu allesamt künstliche Wortbildungen aus sowjetischer Zeit, so etwa город-герой (gorod-geroi, ‚Heldenstadt‘). Im zaristischen Russland war diese Art der Wortbildung völlig ungebräuchlich.

Allerdings findet sich auch im postsozialistischen Russland Vokabular, das nach diesem Muster gebildet wird. So lautet eine der Varianten für die weibliche Form des Wortes бизнесмен (bisnesmen, ‚Geschäftsmann‘), um die immer wieder diskutiert wird, женщина-бизнесмен (schenschtschina-bisnesmen, wörtlich: ‚Frau-Geschäftsmann‘).

Nominalkomposita im Englischen

Das Englische verfügt ebenfalls über eine recht ansehnliche Zahl von Nominalkomposita, wie etwa moonlight (‚Mondlicht‘), die aber nicht an deren Quantität im Deutschen heranreicht. Auch werden die beiden Bestandteile eines Nominalkompositums – anders als im Deutschen – bei manchen Wörtern getrennt geschrieben. Über die grammatikalische Handhabung des betreffenden Begriffs erschließt sich dann aber dessen Status als einzelnes Wort. Ebenfalls verbreitet ist hier die Verbindung zweier Substantive mittels einer Präposition. Ähnlich der Komposition im Spanischen heißt es hier Ministry of Defence.

Nominalkomposita im Niederländischen

Im Niederländischen sind beliebige Verbindung von Substantiven möglich, wie im Deutschen führt dies im Extrem zu kaum lesbaren Gebilden. Dieser Umstand wird mit Scherzkomposita wie Hottentottententententoonstelling (Hottentotten-tenten-tentoonstelling = Hottentottenzelteausstellung) illustriert.

Literatur

  • Stanko Zepic: Morphologie und Semantik der deutschen Nominalkomposita. Zagreb 1970.
  • Franz Simmler: Morphologie des Deutschen. Berlin 1998.
  • Werner Welte: Englische Morphologie und Wortbildung. Ein Arbeitsbuch mit umfassender Bibliographie. Frankfurt am Main 1996.
  • Mervyn F. Lang: Spanish word formation. Routledge 1990.

Weblinks

Stefan Langer: Zur Morphologie und Semantik von Nominalkomposita

Quellen

  1. Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Überarbeitete Fassung des amtlichen Regelwerks 2004, Teil I, Kapitel B: Getrennt- und Zusammenschreibung, Absatz 3 (§ 37). Regelwerk als PDF

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