Komposition (Grammatik)

Komposition (Grammatik)

Die Komposition ist die Bildung eines neuen Wortes durch die Verbindung mindestens zweier vorhandener Wörter.

Das Ergebnis einer Komposition ist ein zusammengesetztes Wort, das fachsprachlich Kompositum (Plural: Komposita) genannt wird.

Statt von Komposition kann man auch schlicht von Zusammensetzung sprechen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Ausdruck „Zusammensetzung“ sowohl den Wortbildungsvorgang (die Komposition) als auch das Wortbildungsergebnis (das Kompositum) bezeichnet.

Die Komposition ist (im Deutschen) neben der Derivation (Ableitung) die wichtigste Art der Wortbildung. Sie ist neben der Entlehnung – die nicht als Wortbildungsart zählt – das wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden Wortschatz zu erweitern. Die Kompositionsbildung folgt einem Prinzip der Univerbierung oder Informationsverdichtung. Das bedeutet, ein Syntagma wird im Sinne der Sprachökonomie in einem Wort ausgedrückt.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Statt des unscharfen Begriffs des Wortes wird in der Sprachwissenschaft häufig der Begriff des Morphems bevorzugt. Die Komposition wird dann als Wortbildung durch die Zusammensetzung mindestens zweier Morpheme oder Morphemverbindungen definiert. Diese Definition erlaubt jedoch noch keine Abgrenzung zur Ableitung (Derivation), so dass es einer spezifischeren Bestimmung bedarf.

Diese erfolgt uneinheitlich. Es kann ein eher morphologischer von einem mehr semantischen Kompositionsbegriff unterschieden werden.[1]

Verbreitet wird äußerlich-morphologisch für eine Komposition verlangt, dass die miteinander verbundenen Wörter selbständig vorkommen[2] beziehungsweise es sich um frei vorkommende Morpheme handelt[3].

Beispiele
Brief + TrägerBriefträger, Abfahrt + ZeitAbfahrtszeit, fahren + GastFahrgast, Fuß + BallFußball, Fußball + StadionFußballstadion.

In mehr semantischer Perspektive kann eine Komposition auch durch die Verbindung unselbständiger Wörter (Morpheme) erfolgen. Entscheidend ist dann, dass mindestens zwei lexikalische Morpheme an der Wortbildung beteiligt sind, unabhängig davon, ob sie für sich selbst wortfähig sind oder nicht[4]. Abhängig von terminologischen Vorlieben verlangt man statt lexikalischer Morpheme auch Lexeme[5], Grundmorpheme[6] oder Kernmorpheme[7]. Terminologisch berücksichtigt sind durch einen semantisch orientierten Kompositionsbegriff auch sogenannte Konfixkomposita[8].

Beispiele
reit in reit-en + PferdReit-pferd[9]
Konfixkomposita wie Bibliothek oder Videothek[10]

Für die Komposition ist die Verbindung mindestens zweier freier/lexikalischer Wörter bzw. Morpheme notwendig. Dies schließt nicht aus, dass an der Wortbildung auch Derivationsmorpheme, Flexionsmorpheme oder Fugenelemente beteiligt sind.[11]

Beispiel[12]
Töpfereibetriebseröffnung = {Töpfereibetrieb} + {s} + {Eröffnung} (Komposition mit Fugenelement {s})
Töpfereibetrieb = {Töpferei} + {Betrieb} (reine Komposition - bezogen auf die unmittelbaren Konstituenten)

Nur mittelbar, als Bestandteile eines Kompositionsgliedes (in diesem Fall des Bestimmungswortes {Töpferei}), können auch Wortbildungsmorpheme beteiligt sein:

Töpferei = {Töpfer} + {-ei} (Ableitung mit Wortbildungsmorphem {-ei})
Töpfer = {Topf} + {-er} (Ableitung mit Wortbildungsmorphem {-er})
Betrieb = {be-} + {-trieb} (Ableitung mit Wortbildungsmorphem {be-}) ...

Abgrenzung zu anderen Wortbildungsarten

Die Komposition ist von der Derivation (Ableitung) und von der Konversion – soweit man diese nicht als einen Sonderfall der Derivation auffasst – zu unterscheiden.

Während die Derivation durch das Anhängen eines Affixes an einen Wortstamm gebildet wird, wird das Kompositum durch die Kombination von (freien) Wortstämmen oder (freien) lexikalischen Morphemen (oder Morphemfolgen mit einem lexikalischen Morphem als Kern) gebildet.

Die Unterscheidung zwischen Komposition und Derivation ist idealtypisch zu nennen: „Der Übergang von Komposition zu Derivation … ist sowohl synchronisch als auch diachronisch fließend.“[3]

Die Komposition ist von der Konversion zu unterscheiden. Die Konversion kommt ohne Hinzufügung von Lautmaterial aus, während die Komposition bestehende Morpheme miteinander verbindet.

„Kopf“ und „Kern“ bei der Komposition

Der grammatikalische Kopf einer Konstruktion überträgt die grammatikalischen Eigenschaften auf das ganze konstruierte Wort und steht beim Kompositum im Deutschen (und anderen germanischen Sprachen) in der Regel rechts außen (= Rechtsköpfigkeit). Der Kopf darf an dieser Stelle nicht mit dem Kern verwechselt werden, denn während der Kopf die grammatikalischen Eigenschaften überträgt, ist der Kern für die semantischen Eigenschaften zuständig. In der Regel gilt zwar Kopf = Kern, das heißt, der semantische Kern ist im Kompositum enthalten, also aus den Konstituenten erschließbar (= endozentrisch), es besteht aber auch die Möglichkeit Kopf ≠ Kern, das heißt, der semantische Kern befindet sich außerhalb des Kompositums (= exozentrisch).

Kompositionstypen

In der Sprachwissenschaft werden verschiedene Typen und Arten von Komposita unterschieden. Verbreitet ist die Einteilung in Determinativkomposita, Possessivkomposita und Kopulativkomposita (auch Root Compounds genannt). Daneben werden auch Rektionskomposita (deverbale Komposita) als Synthetic Compounds und Sonderfälle angeführt. Komposita können zudem nach der Art der Konstituenten systematisiert werden. Auch eine semantische Typisierung ist möglich.

Herkömmliche Typisierung

Herkömmlich werden Komposita nach semantischen Kriterien als Determinativkomposita, Possessivkomposita und Kopulativkomposita typisiert. Beim Determinativkompositum bestimmt (determiniert, spezifiziert) ein Wortglied das andere, während beim Kopulativkompositum die Glieder semantisch gleichberechtigt sind.

Man spricht dabei bewusst von Typisierung und nicht von Einteilung. Die Typisierung in Determinativkomposita und Kopulativkomposita wird nicht (immer) als abschließende, eindeutige Einteilung angesehen.

Beispiel
ein nicht zuordenbares Kompositum ist „Vergißmeinnicht“.[13]

Das Possessivkompositum gilt zumeist als Sonderfall des Determinativkompositums. Daneben wird auch ein präpositionales Rektionskompositum angeführt.

Determinativkomposita (hypotaktische Komposita)

Das Determinativkompositum (im weiteren Sinn) ist ein Kompositum, bei dem zwischen den verbundenen Wörtern (Konstituenten) ein Über- und Unterordnungsverhältnis (ein „hypotaktisches (untergeordnetes) Verhältnis“,[14] ein Bestimmungsverhältnis) besteht. Das heißt eine Wortzusammensetzung, bei der ein Wortteil (Grundwort, Determinatum) durch einen anderen Wortteil (Bestimmungswort, Determinans) bestimmt wird.

Vielfach wird von einem Determinativkompositum (im engeren Sinn) nur dann gesprochen, wenn darüber hinaus zwischen den Wörtern/Morphemen (Konstituenten) ein endozentrisches Bedeutungsverhältnis besteht. Da auch das Possessivkompositum als hypotaktisches, jedoch nicht endozentrisches Kompositum aufgefasst wird, wird hier zwischen einem Determinativkompositum im weiteren und engeren Sinn unterschieden.[15]

Endozentrische hypotaktische Komposita (Determinativkomposita (im engeren Sinn))

Das Determinativkompositum (im engeren Sinn) (auch: „Endozentrisches Kompositum“ oder „Tatpurusha“) (Kopf = Kern) ist ein Determinativkompositum (im weiteren Sinn), bei dem ein „endozentrisches Bedeutungsverhältnis“ zwischen den beiden Konstituenten besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Bedeutung des Kompositums im Grundwort enthalten ist und durch das Bestimmungswort eine einschränkende Spezifizierung erhält.

Beispiele
Hochhaus, Speiseöl.

Bei Determinativkomposita in germanischen Sprachen bestimmt das Erstglied (Determinans, modifier, Bestimmungswort) das Zweitglied (Determinatum, head, Grundwort, Basiswort) näher. Bei romanischen Sprachen ist es umgekehrt.

Beispiel
Filterkaffee (deutsch) – aber café filtre (französisch)

Auch semitische Sprachen verfahren nach diesem Prinzip des hinteren Grundwortes.

Beispiel
Hebräisch cheder = Zimmer, ochel = Essen; chadar ochel = Esszimmer.

Das Determinans schränkt also das Determinatum semantisch ein, determiniert dies. Die syntaktischen Eigenschaften wie Wortart und Flexionsklasse (Kasus, Genus, Numerus) legt aber weiterhin das Basiswort fest.

Beispiel
grasgrün, Grüngras.

Schon als Übergang zu den Simplizia betrachtet man Wörter wie Junggeselle oder jene mit unikalem Morphem im ersten Glied, wie Himbeere, Schornstein, bei denen die formale Analyse nach Determinatum und Determinans keinen Sinn mehr ergibt.

Exozentrische hypotaktische Komposita

Komposita, in denen zwischen ihren Konstituenten ein Über-, Unterordnungsverhältnis besteht, das Bedeutungsverhältnis jedoch exozentrisch ist, werden hier exozentrische Determinativkomposita genannt. Das Bedeutungsverhältnis ist exozentrisch, wenn die Bedeutung der Zusammensetzung in der Zusammensetzung nicht explizit genannt wird. Als exozentrische hypotaktische Komposita werden herkömmlich die Possessivkomposita, vereinzelt auch die präpositionalen Rektionskomposita genannt.

Possessivkomposita

Beim Possessivkompositum (auch: possessivische (besitzanzeigende) Zusammensetzung,[16] Bahuvrihi, Exozentrisches Kompositum) (Schema: Kopf ≠ Kern) besteht wie beim Determinativkompositum ein Determinationsverhältnis. Jedoch wird über das Zweitglied hinausgehend (exozentrisch) „eine andere Entität denotiert als das Zweitglied.“[17]

Beispiel
Determinativkompositum: „Gesichtsmilch“; Possessivkompositum: „Milchgesicht“.[17]

Man kann sie auch als Bildungen pars pro toto (im zweiten Glied) auffassen: Großmaul, Dickwanst, Rotkehlchen etc.

Alle diese Bildungen lassen sich mit einem haben-Syntagma paraphrasieren („Jemand, der ein großes Maul hat“). Mit zeitlicher Entfernung kann die Empfindung der einzelnen Komponenten dann aber verloren gehen, die Paraphrasierung sinnlos werden: Bei Grünschnabel oder Rotkehlchen, Löwenzahn etc. ist die Idiomatisierung bereits so stark fortgeschritten, dass sie als Simplizia empfunden werden können.

Noch einmal hiervon abzusondern sind Bildungen wie Dickhäuter, Tausendfüßer, Linkshänder etc. die noch ein derivatives -er aufweisen. Bei ihnen handelt es sich um sog. Zusammenbildungen, eine Form der Ableitung.

Rektionskomposita

In Rektionskomposita hat das Zweitglied eine Argumentstruktur, die vom Erstglied erfüllt wird. Beispielsweise kann der Kopf eines Rektionskompositum von einem transitiven Verb abgeleitet sein.

Beispiel
fahren <_AGENS, _THEMA> → Fahrer <_THEMA> → Taxifahrer <_>

Viele Linguisten betrachten ein Kompositum nur dann als Rektionskompositum, wenn das Erstglied tatsächlich ein realisiertes Argument des Verbs ist: Taxifahrer = jmd. fährt Taxi. Ist dies nicht der Fall, wie bspw. in Unfallfahrer ≠ jmd. fährt einen Unfall, wird dieses nicht als Rektionskompositum, sondern als Nicht-Rektionskompositum (Olsen (1986)) oder als Determinativkompositum (Selkirk (1982)) analysiert. Oft wird auf diese Unterscheidung allerdings auch verzichtet.

Das präpositionale Rektionskompositum ist ein exozentrisches hypotaktisches Kompositum, das im Unterschied zum Possessivkompositum als Erstglied eine Präposition hat.[18]

Beispiele
„Vor+mittag“, „Unter+tasse“, „Über+see“[18]

Kopulativkomposita (parataktische Komposita)

Kopulativkomposita (auch: Dvandva, Koordinativkomposita) sind Komposita aus zwei oder mehr Bestandteilen derselben Kategorie, welche in einem Verhältnis der Koordination (ein „parataktisches (nebengeordnetes) Verhältnis“[19]) und nicht der Über- oder Unterordnung stehen. Das Besondere der Kopulativkomposita ist, dass die Konstituenten semantisch gleichwertig sind und nicht die eine der anderen untergeordnet ist. Deshalb spricht man hier von Kopflosigkeit oder auch von Doppelköpfigkeit.

Beispiele
süßsauer, nasskalt, gelbrot, Hosenrock, aber auch mit Bindestrich: Castrop-Rauxel, Elsaß-Lothringen, Nordrhein-Westfalen und Zahladjektive wie einundzwanzig, Fahnenfarben wie schwarzrotgold, die aber in der Reihenfolge konventionalisiert sind.

Wenn die Reihenfolge nicht lexikalisiert ist, können (theoretisch) die Glieder ohne Sinnverlust vertauscht werden, wie bei Spieler-Trainer sowie Trainer-Spieler.[20]

In manchen Fällen sind Bildungen wie graublau je nach Wortakzentuierung und Kontext determinativ oder kopulativ interpretierbar.

Typenbildung nach Grimm

Während die Typenbildung in Determinativ-, Possessiv- und Kopulativkomposita als synchronisch qualifiziert wird[21] hat Grimm unter historisch-genetischem Aspekt echte/eigentliche Komposita durch Juxtaposition, Kasuskomposita (uneigentliche/unechte Komposita) und verdunkelte („versteinerte“) Zusammensetzungen unterschieden.[22]

Typisierung von Nomina nach semantischen Mustern

  • Substanz-Nomina: (B besteht aus A) aus BS + BS:
    • Lackschicht = „Schicht aus Lack“
  • affizierende Nomina (A bewirkt B oder: B wird durch A bewirkt) aus BV + BS:
    • Lachfalten = „Falten, die durch Lachen bewirkt wurden“, Eisglätte = „Glätte, die durch [eine] Eis[schicht] bewirkt wird“
  • effizierende Nomina oder omina resultativa (B bewirkt A) aus BV + BS:
    • Niespulver = „Pulver, das Niesen bewirkt“, Prosaschriftsteller = „Schriftsteller, der Prosa schreibt“, Diätkoch = „Koch, der Diät kocht“, Märchenonkel = „Onkel, der Märchen erzählt“
  • Nomina agentis: (B tut A) aus BV + BS:
    • Lebewesen = „Wesen, das lebt“
  • Nomina patientis: (B ist Ziel von A) aus BV + BS:
    • Wickelkind = „Kind, das man wickelt“
  • Nomina instrumenti: (A tut etwas mit B) aus BV + BS:
    • Rasierapparat = „Apparat, mit dem man rasiert“ oder BS + BS: Schiffsreise = „Reise mit dem Schiff“
  • Nomina loci: (B geschieht in A) aus BV + BS:
    • Backstube = „Stube, in der gebacken wird“ und BS + BS: Österreichreise = „Reise in/nach Österreich“ und
  • Nomina directionalia (B geschieht nach A oder in Richtung A):
    • Anflugrichtung = „Richtung, in die man anfliegt“ und
  • Nomina temporis (A finden an B statt/A dauert B) aus BV + BS:
    • Waschtag = „Tag, an dem man wäscht“ und BS + BS Osterreise = „Reise zu Ostern“
  • Nomina finalia: (B zum Zwecke von A) aus BS + BS:
    • Vergnügungsreise = „Reise zum [Zwecke des] Vergnügen[s]“
  • Nomina causalia: (B wegen A oder: B um A willen) aus BS + BS:
    • Geschäftsreise = „Reise um des Geschäftes willen“
  • Nomina conditionalia: (A gibt den Anlass für B an):
    • Hochzeitsreise = „Reise anlässlich der Hochzeit“
  • Nomina modalia: (A gibt das wie für B an):
    • Gesellschaftsreise = „Reise in [der Art und Weise der] Gesellschaft“

Typisierung nach den beteiligten Wortarten

Die unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums können unterschiedlichen Wortarten angehören. „Fast alle Wortarten können miteinander kombiniert werden.“[23] oder es gibt „grundsätzlich keine Einschränkungen.“[24]

Beispiele[25]:
  • (Nomen + Nomen; N+N-Komposita): „Fuge+n+element“, „Wort+bildung“
  • (Adjektiv + Nomen (+ Nomen)): „Breit+maul+frosch“; „Dünn+brett+bohrer“
  • (Adjektiv + Adjektiv): „hell+gelb“
  • (Adverb + Adverb): „immer+fort“
  • (Verb + Verb): „dreh+bohren“
  • (Verb + Nomen): „Koch+topf“
  • (Präposition + Nomen): „Gegen+satz“
  • (Pronomen + Nomen): „All+heilmittel“

Komposita kann man auch nach der Wortart der Kopfkonstituente einteilen in:[21]

Nominalkomposita
„Renn+wagen“
Adjektivkomposita
„himmel+blau“
Verbkomposita
„zusammen+setzen“

„Es gibt Tiere, Kreise und gibt Ärzte. Es gibt Tierärzte, Kreisärzte und Oberärzte. Es gibt einen Tierkreis und einen Ärztekreis. Es gibt auch einen Oberkreistierarzt. Ein Oberkreistier aber gibt es nicht.“

Roda Roda: Stille Betrachtung.

Sonderfälle

Zusammenrückungen, Amalgamierungen

Zusammenrückungen, auch Amalgamierungen genannt, also Wörter wie Taugenichts, Nimmersatt,, Gottseibeiuns, Dreikäsehoch, Vergissmeinnicht, fußbreit, fortan sind in der Forschung in ihrer Zuordnung umstritten. Nach Bußmann stellen sie eine Ausnahme bei der Komposition dar, da das 2. Glied nicht Wortart und Flexionsklasse bestimmt.[21]

Autokomposita, Iterativkomposita

Die Reduplikation, auch Iteration, ist eine schwach produktive Wortbildungsart, bei der durch Doppelung eines Wortes ein Kompositum gebildet wird. Gelegentlich wird dabei der anlautende Konsonant variiert, meist aber der Stammvokal des Ausgangswortes.

Beispiel
variierter Konsonant: Schickimicki oder auch variierter Stammvokal: Mischmasch, Wirrwarr

Nicht zur Reduplikation gehören Onomatopoetika wie Kuckuck, Tamtam, Wauwau, die nicht aus Wörtern gebildet, sondern lautmalerisch urgeschöpft werden. Ebenfalls nicht als Reduplikationsprodukte, sondern als Determinativkomposita werden hier die sogenannten Selbstkomposita verstanden, die vorrangig der Hervorhebung dienen, z. B. Film-Film, graugraue Hemden.

Affixoide Wortbildungen

Sie stehen funktional zwischen Kompositum und Derivation. Affixoide sind reihenbildende Kompositionsglieder. Während Pressefreiheit (Freiheit für die Presse) ein übliches Kompositum ist, ist Schadstofffreiheit (das Freisein von Schadstoffen) ein affixoides – noch genauer ein suffixoides – Kompositum.

Die Unterschiede zwischen reihenbildenden affixoiden und nichtreihenbildenden Komposita lassen sich an folgenden Beispielen veranschaulichen.

Affixoide (reihenbildende) Komposita sind:

  • a) präfixoide: Star-dirigent, Problem-kind, Traum-frau, Schlüssel-erlebnis, Riesen-freude, sau-müde;
  • b) suffixoide: Ehe-muffel, Geräusch-armut, Europa-müdigkeit, Lust-killer (etwas, was die Lust „killt“), Konflikt-freudigkeit, Impf-müdigkeit, trink-fest.

Nichtreihenbildende Komposita: Problembewusstsein, Schlüsselbund, Saumagen, Kinderarmut, Mafiakiller (Killer von der Mafia).

Es gibt Komposita, die auf Grund dieser beiden Wortbildungsmöglichkeiten zwei Bedeutungen haben:

  • Traumarbeit: 1. In der Psychologie: Arbeit, die der Traum leistet, nämlich die Umformung und Aufarbeitung unbewusster libidinöser Wünsche; 2. (präfixoid) traumhaft schöne Arbeit.
  • Bombenauto: 1. Auto, in dem eine Bombe versteckt ist; 2. (präfixoid) ein ganz tolles Auto.
  • Scheißhaus: 1. derb für: Toilette, Abort; 2. (präfixoid) Haus, das in einem bestimmten Zusammenhang als ärgerlich empfunden wird, blödes Haus (wegen dieses Scheißhauses kann ich nicht in den Urlaub fahren, ich muss es noch immer abbezahlen).[26]

Fuge und Fugenelement (im Deutschen)

Die Nahtstelle zwischen den Wortstämmen, die die Glieder eines Kompositums bilden, wird Fuge oder Kompositionsfuge genannt.[27] Diese kann durch ein spezielles Fugenelement gekennzeichnet sein.[27]

Beispiel
Das „s“ in „Komposition-s-fuge“

Als Fugenelemente erscheinen im Deutschen hauptsächlich -(e)s-, -e-, -(e)n- und -er- wie in Liebeslied, nötigenfalls, Wartezimmer und gewissermaßen. Die Fugenelemente im Deutschen sind aus Flexionsendungen oder andernorts geschwundenen Teilen des Wortstamms entstanden, wurden aber später in Analogie dazu gebildet. Man unterscheidet paradigmatische Fugenelemente, d. h. Laute bzw. Lautverbindungen, die dem Flexionsparadigma des Erstglieds entsprechen, z. B. Genitiv-/Plural-Morphologie (Geistesblitz, Geisterfahrer) und unparadigmatische Fugen, die nicht zum Flexionsparadigma des Erstglieds gehören, z. B. Liebesbrief, Beobachtungssatellit.[28] Vollständige Regeln für ihr Auftreten gibt es nicht. Einige Suffixe verlangen jedoch immer das Anhängen eines Fugen-s, so etwa bei -keit, -heit, -schaft, -ung, -ut, -ion, -tät, -tum.

Beispiele
Achtungserfolg und Heiterkeitsausbruch.

Siehe auch

Literatur

  • Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 4. Aufl., Kröner, Stuttgart, 2008, ISBN 3-520-45204-9.
  • Elke Donalies: Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. Narr, Tübingen 2002, ISBN 3-8233-5157-5, 2. Auflage 2005.
  • Johannes Erben: Einführung in die deutsche Wortbildungslehre. 3. neubearbeitete Auflage, Schmidt, Berlin 1993, ISBN 3-503-03038-7.
  • Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz, unter Mitarbeit von Marianne Schröder: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage, Niemeyer, Tübingen 1995, ISBN 3-484-10682-4.
  • Susan Olsen: Wortbildung im Deutschen. Eine Einführung in die Theorie der Wortstruktur. Kröner, Stuttgart 1986, ISBN 3-520-66001-6.
  • Susan Olsen: „Argument-Linking“ und unproduktive Reihen bei deutschen Adjektivkomposita. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft. 5, S. 5–24, 1986b.
  • Lorelies Ortner, Elgin Müller-Bollhagen u. a.: Substantivkomposita. (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 1). de Gruyter, Berlin 1991, ISBN 3-11-012444-0.
  • Maria Pümpel-Mader, Elsbeth Gassner-Koch, Hans Wellmann unter Mitarbeit von Lorelies Ortner: Adjektivkomposita und Partizipialbildungen. (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 2). de Gruyter, Berlin 1992, ISBN 3-11-012445-9.
  • Elisabeth O. Selkirk: The syntax of words. 2. Auflage. MIT Press. Cambridge, Mass. 1982, ISBN 0-262-19210-1/ISBN 0-262-69079-9.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Zusammensetzung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Diese Terminologie findet sich nicht - soweit ersichtlich - in Studienbüchern.
  2. So z.B. Duden, Rechtschreibung und Grammatik – leicht gemacht. 2007, S. 126
  3. a b Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. 2002, ISBN 3-520-45203-0/Komposition.
  4. Vgl. Bogdal, Michael: BA-Studium Germanistik: ein Lehrbuch. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 2008, S. 38; Schlaefer, Michael: Lexikologie und Lexikographie. - 2. Aufl. - E. Schmidt, Berlin 2009, S. 22
  5. Gadler: Praktische Linguistik. 3. Aufl. (1998), S. 104; ebenso Dr. Best auf der Diskussionsseite
  6. Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 85
  7. Karatas: Morphologie. In: Volmert (Hrsg.): Grundkurs Sprachwissenschaft. 5. Aufl. (2005), S. 89
  8. So auch Duden, Die Grammatik, 7. Aufl. (2005), Rn. 1002
  9. Beispiel nach Schöneck: Wortbildung. In: Volmert (Hrsg.): Grundkurs Sprachwissenschaft. 5. Aufl. (2005), S. 106
  10. Beispiele aus der Diskussionsseite von Dr. Best
  11. Vgl. Karatas: Morphologie. In: Volmert (Hrsg.): Grundkurs Sprachwissenschaft. 5. Aufl. (2005), S. 89; Bogdal, Michael: BA-Studium Germanistik: ein Lehrbuch. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 2008, S. 38
  12. Nach Schlaefer, Michael: Lexikologie und Lexikographie. - 2. Aufl. - E. Schmidt, Berlin 2009, S. 22
  13. So Clément: Linguistisches Grundwissen. 2. Auflage. 2000, S. 39.
  14. Kessel, Reimann: Basiswissen deutsche Gegenwartssprache. 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 104.
  15. Diese Unterscheidung wurde in der eingesehenen Literatur nicht vorgefunden.
  16. Langemann,Felgentreu (Hrsg.): Duden, Basiswissen Schule: Deutsch. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-411-71592-8, S. 112.
  17. a b Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. 2002, ISBN 3-520-45203-0/Possessivkompositum.
  18. a b Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 104f.
  19. Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 105.
  20. Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. 2002, ISBN 3-520-45203-0/Kopulativkompositum.
  21. a b c Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. 2002, ISBN 3-520-45203-0/Kompositum.
  22. Einzelheiten bei Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Auflage. 2002, ISBN 3-520-45203-0/Komposition.
  23. Langemann, Felgentreu (Hrsg.): Duden, Basiswissen Schule: Deutsch. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-411-71592-8, S. 111.
  24. So Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, S. 102.
  25. Beispiele überwiegend nach Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, S. 102.
  26. Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): Lexicographica Series Maior 84: Wörterbücher in der Diskussion III. 1998. Darin: Wolfgang Müller: Wörterbücher der Zukunft oder Terrae incognitae. S. 212–222.
  27. a b Kürschner: Grammatisches Kompendium. 4. Auflage. 2003, ISBN 3-8252-1526-1, S. 70.
  28. Altmann, Kemmerling, 2005

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