Oflag V-C

Oflag V-C
Schloss Bad Wurzach

Das Schloss Bad Wurzach, auch Schloss Wurzach oder Wurzacher Schloss genannt, ist Kulturdenkmal und Wahrzeichen der Stadt Bad Wurzach im oberschwäbischen Landkreis Ravensburg in Baden-Württemberg. Bemerkenswert ist das Barocktreppenhaus von 1728.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Schloss wurde in den Jahren 1723 bis 1728 von Graf Ernst Jakob Truchsess von Waldburg-Zeil-Wurzach erbaut. Zwei Jahrhunderte lang war es Residenz der Wurzacher Linie des Adelsgeschlechts und entwickelte sich dabei zum Zentrum höfischer Musik und Malerei. 1922 kauften die Salvatorianer das Wurzacher Schloss und errichteten darin eine Lateinschule mit Jungeninternat. Der Betrieb lief 1924 an, und die neue Schule wuchs sehr schnell.

Am 28. November 1937 wurde dem Salvatorkolleg aufgrund der nationalsozialistischen Bildungspolitik untersagt, weitere Schüler aufzunehmen. Bald musste es seinen Schulbetrieb einstellen und das große Gebäude stand praktisch leer. Im September 1940 mietete die Heeresstandortverwaltung Biberach das Schloss für die Verwendung als Gefangenenlager an. Von 1940 bis 1945 war Schloss Wurzach als Standort dreier Lager dann Teil des nationalsozialistischen Lagersystems. Im Schlosspark befand sich zudem ein so genanntes Wehrertüchtigungslager. Die Gefangenen in Wurzach waren relativ sicher. Sie wurden am 28. April 1945 von der französischen Armee befreit.[1]

Wurzach war Standort dreier Offizierslager (Oflag) der Wehrmacht:

  • Oflag V-C, von September 1940 bis Mai 1942, Kommandeur der Kriegsgefangenen im Wehrkreis V unterstellt
  • Oflag V-D, ab Dezember 1942, Kommandeur der Kriegsgefangenen im Wehrkreis V unterstellt
  • Oflag 55, von Mai 1942 bis zum 1. April 1944

Kriegsgefangenlager

Es diente zunächst nach seiner erzwungenen Schließung von 1940 als Kriegsgefangenenlager für französische Offiziere. Zwischen Anfang 1941 und Mitte 1942 wurden 500 bis 600 Kriegsgefangene im Schloss und in fünf Baracken im Schlossgarten untergebracht. Nach Auflösung des Lagers im Herbst 1942 wurden die Gefangenen in andere Lager verlegt.[1] Die Höchstbelegung erreichte das Lager bereits im März 1941 mit 804 französischen Kriegsgefangenen und 210 Mann der Wachmannschaften. Im November 1942 kündigte die Heeresstandortverwaltung den Vertrag über die Anmietung des Schlosses, allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt das Schloss bereits für einen anderen Zweck verwendet.

Internierungslager

Am Ende des Westfeldzugs wurden die britischen Kanalinseln von der deutschen Luftwaffe am 30. Juni 1940 besetzt. Eine deutsche Zivilverwaltung übernahm die Inselgruppe, baute dort eine Zivilverwaltung auf, und die Inseln wurden zu uneinnehmbaren Festungen ausgebaut. Im September 1941 hatten die britischen Behörden die persische Regierung aufgefordert, deutsche Staatsbürger auszuliefern, die gegen die Alliierten arbeiteten. Als Gegenmaßnahme ordnete Adolf Hitler an, alle in England geborene Bewohner der Kanalinseln als Geiseln zu nehmen[2] und zu deportieren. Die Deportation erfolgte im September 1942, sie wurden ins Oflag VI Dorsten, südwestlich von Münster in Westfalen, und schließlich in verschiedene Lager in Süddeutschland gebracht. Weil das Lager Lindele in Biberach überfüllt war, wurden am 31. Oktober 1942 186 Männer und 411 Frauen und Kinder nach Wurzacher Nebenlager, Ilag VC, verlegt. Dort war am 16. September 1942 der erste Transport aus Jersey eingetroffen. Am 31. Oktober 1942 wurden die Bürger aus Jersey per Sonderzug, ungewöhnlicherweise 2. Klasse, nach Wurzach verlegt. Zu diesem Zeitpunkt war das alte Gebäude verdreckt, die Betten waren feucht, Gips fiel von den Wänden und Decken.

Zwischen Reichsbehörden und lokalen Institutionen entstand ein Wirrwarr der Zuständigkeiten für das Internierungslager im Schloss. Nach wenigen Wochen unter Bewachung der Wehrmacht wurde die Verwaltung des Lagers am 1. Dezember 1942 an das württembergische Innenministerium übergeben. Die Wacheinheiten der Wehrmacht wurden abgezogen und durch Polizeikräfte des Wachbataillons der Schutzpolizei Ravensburg ersetzt. Lagerkommandant wurde der Meister und spätere Leutnant der Schutzpolizei, Martin Riedesser. Es waren zu keinem Zeitpunkt SS-Wachen eingesetzt, auch wenn die zentrale Entscheidungsbefugnis über das Internierungslager in der Hand des Reichsführer-SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern lag. Die zentralen Anweisungen kamen deshalb vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin. In der Regel kümmerten sich aber Mitarbeiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, die in Liebenau ein Ausweichquartier gefunden hatten, und ein Mitarbeiter des württembergischen Innenministeriums um die Belange der Internierten.

Dabei wird deutlich, dass die Briten im Unterschied zu vielen anderen drangsalierten Gruppen durchaus privilegierte Gefangene waren. Die Genfer Konvention zum Schutz von Gefangenen wurde von der örtlichen Lagerleitung und auch von den übergeordneten Stellen nach Möglichkeit beachtet. Das Lager wurde bis zum Kriegsende von internationalen Organisationen überwacht, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die Kriegsgefangenenhilfe der YMCA und Beobachter der Schutzmacht Schweiz. Vom IKRK kamen regelmäßig Pakete. Mit der örtlichen Bevölkerung gab es durchaus auch freundschaftliche Kontakte. Den mehr als 600 Zivilinternierten wurde eine Lagerselbstverwaltung zugestanden. Sie wurden zwar nur mangelhaft ernährt, erhielten aber ein monatliches Taschengeld in Höhe von 10 Reichsmark, durften Lebensmittelpakete empfangen, hatten eine Krankenversorgung und arbeiteten in der Versorgung und Aufrechterhaltung der Ordnung im Lager. Es entwickelte sich auch ein kulturelles Leben und eine Betreuung von Kinder und Jugendlichen. Es gab bis 1945 zwölf Todesfälle und fünf Geburten. Einzelne Internierte durften als „Härtefälle“ von Wurzach nach Jersey zurückkehren.[1]

Laut Recherchen von Rothenhäusler konnte der korrekte Lagerleiter vor Ort nach dem Krieg nicht mehr Fuß fassen; sein Vorgesetzter im SS-Reichssicherheitshauptamt hat in Adenauer-Deutschland eine veritable Karriere gemacht.[3]

Jüdische Häftlinge aus Bergen-Belsen

Im Winter 1944/45 diente das Schloss schließlich als Zwischenstation für 72 jüdischen Häftlinge aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen. Bei den im November 1944[2] von Bergen-Belsen nach Wurzach Verlegten handelte es sich um Juden aus Holland, die ausländischer Staatsangehörigkeit waren, das heißt sie besaßen auch noch die britische oder amerikanische Staatsangehörigkeit oder wenigstens Papiere von süd- und mittelamerikanischen Staaten, und die als „austauschfähig“ bei Verhandlungen über deutsche Staatsangehörige in alliierter Obhut galten.[1][4] Sie waren in zwei Transporten im Herbst und Winter aus diesem Konzentrationslager nordöstlich von Hannover nach Süddeutschland verbracht worden, um über die Schweiz gegen deutsche Staatsbürger in alliierter Hand ausgetauscht zu werden. Doch musste ein Teil der Gruppe ohne Angabe der Gründe in Ravensburg den Zug zu verlassen. Zu ihrem Glück wurden sie nicht nach Bergen-Belsen zurücktransportiert, sondern auf die württembergischen Internierungslager in Liebenau, Biberach und Wurzach verteilt. Nach Berichten der Internierten aus Jersey waren die so genannten „Austauschjuden“[2] bei ihrer Ankunft in einem erbärmlichen Zustand, völlig ausgehungert und verängstigt. Durch die bessere Ernährung und die zusätzlichen Rotkreuz-Pakete erholten sie sich aber relativ schnell und erlebten, mit einer Ausnahme, in Wurzach ihre Befreiung.

Schlossanlage

Treppenhaus

Hufeisenförmig öffnet sich die ausgewogene Dreiflügelanlage zur Stadt hin.

Das Zentrum des mittleren Trakts bildet das Treppenhaus eines unbekannten Baumeisters, das als ein Höhepunkt der Baukunst des oberschwäbischen Barock gilt. Elegant geschwungen führt die Sandstein-Treppe um einen Dreipass-Kern aufwärts. Es ist in einer Kulissenarchitekturtechnik mit nach oben zu niedrigeren Stufen und Stein (Marmor, Alabaster) vortäuschenden, gefassten Holzteilen errichtet, die vom Eingang her eine weite und imposante Perspektive vortäuschen. Das Deckenfresko stellt den olympischen Götterhimmel dar. Das Treppenhaus diente im Zweiten Weltkrieg den britischen Internierten als Treffpunkt und erhielt von ihnen den Spitznamen „Marble Arch“.

Im rechten Schlossflügel befindet sich die Schlosskapelle.

Heutige Nutzung

Im Westflügel befinden sich seniorengerechte Wohnungen, die mit dem benachbarten Pflegeheim Stift zum heiligen Geist verbunden sind. Die Oberstufe des Gymnasiums Salvatorkolleg ist ebenso im Schloss beheimatet wie ein spezieller Zug zur Förderung besonders begabter Jugendlicher. Das Institut für soziale Berufe (IfsB) bildet im Ostflügel Fachschüler für Heilerziehungs- und Altenpflege aus. Auch der Orden der Salvatorianer ist nach wie vor im Schloss beheimatet. Im Jahr 2006 wurde im Schloss ein Bankettbereich eröffnet, der im Schloss Veranstaltungen und Tagungen ermöglicht. Das Barocktreppenhaus ist offizielles Standesamt der Stadt Bad Wurzach.

Stiftung Kulturdenkmal Schloss Bad Wurzach

Im Jahr 2004 wurde die Stiftung Kulturdenkmal Schloss Bad Wurzach gegründet, in deren Eigentum sich das Schloss seither befindet. Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, das denkmalgeschützte Schloss dauerhaft zu erhalten und für die Öffentlichkeit zu öffnen.

Anmerkungen

  1. a b c d Oswald Burger: Bad Wurzach im Krieg. Oberschwäbische Historie. In: Südkurier vom 6. November 2008
  2. a b c Barbara Miller: Burchvorstellung: Das Wurzacher Schloss 1940 bis 1945. Das Große im Kleinen erkennen. In: Schwäbische Zeitung vom 20. November 2008
  3. Vgl. Rothenhäusler (2008) Seite 158f.
  4. Vgl. Rothenhäusler (2008) Seite 313-326

Literatur

  • Pater Leonhard Berchtold: Nationalsozialismus und Salvatorkolleg Wurzach. In: Jahresheft (Gymnasium Salvatorkolleg Bad Wurzach), (2006) 21, Seite 103-118
  • Gisela Rothenhäusler: Das Wurzacher Schloss und seine wechselvolle Geschichte während des Zweiten Weltkriegs. In: Im Oberland. (2006) Heft 1, Seite 3-9.
  • Gisela Rothenhäusler: Das Wurzacher Schloss 1940-1945. Ein kleines Kapitel europäischer Geschichte. Kriegsgefangene im Oflag VC. Zivilinternierte aus Jersey. Jüdische Häftlinge aus Bergen-Belsen. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2008. ISBN 978-3-89870-502-8

Weblinks

47.9088888888899.89638888888897Koordinaten: 47° 54′ 32″ N, 9° 53′ 47″ O


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