Opaker Kontext

Opaker Kontext

Als opaker Kontext wird in der Sprachphilosophie ein sprachlicher Kontext bezeichnet, in dem es nicht möglich ist, in einem Satz-Ausdruck Teil-Ausdrücke durch andere mit gleichem Bedeutungsumfang zu ersetzen, ohne dadurch den Wahrheitsgehalt der ausgedrückten Aussage zu verändern. Die Darstellung opaker Kontexte ist eine der wesentlichen Herausforderungen für jedes Modell einer formalen Semantik, da sich an ihnen zeigt, dass weder die gewöhnlichen Objekte in der Welt noch private Vorstellungen unmittelbar die Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken sein können. Gottlob Frege identifizierte unter anderem die Wiedergabe fremder Äußerungen in indirekter Rede als einen opaken Kontext (von ihm als „ungerade Rede“ bezeichnet). Die Untersuchung von opaken Kontexten spielt eine Rolle für die philosophische Theorie der Eigennamen, die Theorie der Kennzeichnungen sowie für Modallogik und epistemische Logik.

Inhaltsverzeichnis

Erläuterung

Ko-Extensionalität

Koextensionalität ist eine semantische Eigenschaft von Ausdrücken: Eigennamen bzw. Kennzeichnungen sind ko-extensional, wenn sie dasselbe Ding bezeichnen. Ko-extensional sind demnach beispielsweise die Ausdrücke „der höchste Berg der Erde“ und „der Mount Everest“ eine Kennzeichnung und ein Eigenname, die beide dasselbe Objekt bezeichnen.

Ein klassisches und mittlerweile historisch überholtes Beispiel stammt und Willard van Orman Quine. Die Ausdrücke „die Zahl 9“ und „die Anzahl der Planeten (innerhalb unseres Sonnensystems)“ konnten zu Quines Zeit als Koextensional gelten, da die gängige Liste der Planeten damals Pluto noch mit einschloss (siehe Planet#Naturwissenschaft).

Von ko-extensionalen Namen für Begriffe oder Prädikate spricht man, wenn alles, dem der eine Begriff zukommt, auch der andere Begriff zukommt und umgekehrt. Die Begriffe haben dann den selben Umfang, das heißt die Mengen der Dinge, die die Prädikate erfüllen, sind identisch. Ko-extensionale Begriffe wären nach einem Beispiel von Rudolf Carnap „( ) ist ein Lebewesen mit Herz“ und „( ) ist ein Lebewesen mit Nieren“, da Carnap davon ausgeht, dass alle Lebewesen, die ein Herz haben, auch Nieren haben und umgekehrt.

Ersetzbarkeit salva veritate

Unter normalen Umständen ändert sich die Wahrheit bzw. Falschheit einer Aussage nicht, wenn man in ihr einen Ausdruck durch einen ko-extensionalen ersetzt, man spricht daher auch von Ersetzbarkeit salva veritate. Die Bedeutung komplexer sprachlicher Ausdrücke ist in diesem Fall von der Bedeutung der in ihnen vorkommenden einfachen sprachlichen Ausdrücke direkt abhängig. Ersetzen wir beispielsweise in „Frank bestieg den Mount Everest.“ den Ausdruck „den Mount Everest“ durch „den höchsten Berg der Erde“, so erhalten wir „Frank bestieg den höchsten Berg der Erde“.

Diese beiden Sätze haben nun den selben Wahrheitswert haben, da sich die Bedeutung nicht geändert haben sollte. d.h. wenn der erste Satz wahr ist, muss auch der zweite Satz wahr sein und umgekehrt. Analog ist es mit: „Alle Lebewesen mit Herz sind Säugetiere“ und „Alle Lebewesen mit Nieren sind Säugetiere“, auch diese Sätze sind entweder beide wahr oder beide falsch.

Opaker Kontext

Opake Kontexte sind nun spezielle sprachliche Konstruktionen, in denen das Substitutionsprinzip, d. h. die gewöhnlich geltende Ersetzbarkeit ko-extensionaler Ausdrücke salva veritate außer Kraft gesetzt ist. Bei „Peter glaubt, dass Frank den Mount Everest bestiegen hat.“ und „Peter glaubt, dass Frank den höchsten Berg der Erde bestiegen hat.“ kann es tatsächlich sein, dass der erste Satz wahr und der zweite falsch ist; etwa wenn Peter nicht weiß, dass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist. Ganz ähnlich ist es mit den Sätzen: „Peter glaubt, dass alle Tiere mit Herz Säugetiere sind.“ und „Peter glaubt, dass alle Tiere mit Nieren Säugetiere sind.“,

Ist ein Satz Teil eines komplexeren Satzes, in eine Einstellung oder Intention einer Person zu diesem Satz berichtet wird, handelt es sich also ebenso wie bei der indirekten Rede um einen opaken Kontext. Diese Fälle von opaken Kontexten werden beispielsweise durch Ausdrücke wie „glaubt, dass“, „freut sich, dass“, „berichtet, dass“ etc. angezeigt. In Sonderfällen wie „nimmt irrtümlich an, dass“ findet eine Überlagerung von opakem und nicht opakem Kontext statt, da in bei einem Satz der Form „Es ist falsch, dass p“ der Wahrheitswert schon von dem der Aussage p abhängt, bei einem Satz der Form „nimmt an, dass p“ jedoch nicht.

Eine andere Klasse von Ausdrücken, die opake Kontexte eröffnen, sind Modalausdrücke wie „notwendig“ und „möglich“. So ist von den beiden Sätzen „Die Zahl Acht ist notwendigerweise gerade.“ und „Die Zahl der Planeten in unserem Sonnensystem ist notwendigerweise gerade.“ der erste Satz wahr, da er eine mathematische Wahrheit ausdrückt (es sind keine Umstände denkbar, unter denen die Zahl Acht nicht gerade ist); der zweite Satz ist jedoch falsch, die Zahl der Planeten ist zwar gerade, aber dies ist keineswegs notwendigerweise der Fall, da es sich um eine einfache empirische Tatsache handelt. Es wäre widerspruchsfrei vorstellbar, dass einen Planeten mehr oder weniger geben könnte. Dies zeigt, dass auch in modalen Kontexten die Ersetzbarkeit ko-extensionaler Ausdrücke nicht generell gewährleistet ist, dass es sich also um opake Kontexte handelt.

Anwendungen

Die Theorie der opaken Kontexte ist relevant für die Epistemische Logik, also diejenige Unterdisziplin der Logik, die sich mit der Analyse von Ausdrücken wie „glaubt, dass“, oder „weiss, dass“. Bei der Formulierung der hier geltenden Gesetzmäßigkeiten muss berücksichtigt werden, dass der Schluss einer Aussage wie „Peter glaubt, dass Frank den Mount Everest bestiegen hat“. auf „Peter glaubt, dass Frank den höchsten Berg der Erde bestiegen hat“ nicht allgemeingültig ist, aber unter der Voraussetzung gilt, dass Peter glaubt, dass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist. Ganz analoges gilt für die Modallogik, also die Unterdisziplin der Logik, die sich mit den Ausdrücken "notwendig" und "möglich" befasst.

Siehe auch


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